Der Vater fehlt

Von Kevin Niekamp
Guy Roux führte AJ Auxerre mehrfach ins internationale Geschäft
© imago

Trainerlegende Guy Roux stand mit einer kurzen Unterbrechung 44 Jahre lang bei AJ Auxerre an der Seitenlinie und hievte den Verein aus der Verbandsliga in die Ligue 1. 2005 verließ er den französischen Traditionsklub, seitdem ging es steil bergab. Derzeit kämpft Auxerre gegen den Abstieg in die 3. Liga.

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Was mit einer Mannschaft passieren kann, wenn der große Vater des Erfolgs nach vielen Jahren den Verein verlässt, wird gerade am Beispiel Manchester United verdeutlicht. 25 Jahre lang war Sir Alex Ferguson dort der entscheidende Mann. Sein Nachfolger David Moyes tut sich schwer, Fergusons Erbe anzutreten.

Auch Werder Bremen ist dabei, sich nach 15 Jahren Thomas Schaaf neu zu erfinden. Zahlen und Probleme, über die man bei AJ Auxerre höchstens schmunzeln dürfte.

Der französische Traditionsverein, der 2010 noch in der Champions League vertreten war, steckt momentan tief im Abstiegskampf - der Ligue 2. Auxerre, das verband man quasi ein Leben lang mit dem Namen Guy Roux.

Mexes, Cisse, Sagna - alle in Auxerre ausgebildet

Mit einer kleinen Unterbrechung lenkte Roux 44 Jahre am Stück die Geschicke des Klubs aus der Stadt, die keine 40.000 Einwohner zählt. Unter Roux, der so etwas wie der Vater dieses Klubs ist, wurde AJ ein Mal französischer Meister sowie vier Mal Pokalsieger. Seit seinem Abgang 2005 ging es jedoch steil bergab - richtig steil. 2012 stand mit dem Abstieg in die 2. Liga der vorläufige Tiefpunkt.

Die Gründe für diese fatale Entwicklung des Klubs, der Spieler wie Philippe Mexes, Djibril Cisse oder Bacary Sagna ausgebildet hat und seit jeher für eine exzellente Jugendarbeit steht, sind wie so oft vielschichtig.

Ein Rückblick: Unter Roux war Auxerres Strategie auf Langfristigkeit ausgelegt. Man wirtschaftete solide, gab nie mehr Geld aus, als man einnahm. AJ qualifizierte sich unter Roux 13 Mal für einen internationalen Wettbewerb. Gelang dies nicht, gab man eines seiner Talente für gutes Geld ab und kompensierte damit die Einnahmeverluste. Die Region um Auxerre hat keine finanzkräftigen Sponsoren zu bieten.

Das Geschäft mit Talenten

Roux setzte seit seinem Dienstantritt im Jahr 1961 daher verstärkt auf die Förderung junger Spieler und hatte diesbezüglich die volle Rückendeckung der Vereinsführung. In der letzten Dekade seiner Amtszeit sicherte der Verkauf selbst ausgebildeter Spieler die Existenz des Vereins. In den letzten zehn Roux-Jahren erwirtschafteten die Burgunder einen Transfergewinn von mehr als 45 Millionen Euro.

Diese Strategie geriet Mitte des letzten Jahrzehnts jedoch immer mehr ins Wanken. Auxerre musste seine Talente immer früher und somit günstiger an neureiche Vereine mit schweren Investoren und Mäzenen im Hintergrund abtreten.

Der Cisse-Transfer brachte 2005 noch 20 Millionen Euro ein, die Abgänge von Paul-Georges Ntep, Alain Traore, Thomas Kahlenberg, Souahilo Meite und Delvin N'Dinga spülten von 2009 bis 2014 zusammen den gleichen Betrag in die Vereinskasse.

Viele glücklose Roux-Nachfolger

Die Folge: Die Geduld in Auxerre nahm deutlich ab, erst recht nach Rouxs Abgang. Seine Nachfolger an der Seitenlinie kamen und gingen, die Kontinuität, für die zuvor kein anderer Verein so sehr stand wie Auxerre, war nicht mehr gegeben.

Vor Jean-Luc Vannuchi, dem aktuellen Chefcoach, versuchten sich sieben weitere Trainerkollegen. Nur Jean Fernandez hielt sich länger als 15 Monate. Vannuchi kündigte bereits an, Auxerre am Saisonende zu verlassen.

Inwiefern er sich dann zumindest als Retter feiern lassen darf, steht derzeit völlig in den Sternen. Vannuchi brachte ein wenig Stabilität in das Team, ein tabellarischer Befreiungsschlag gelang aber auch ihm nicht.

Der Plan, schnellstmöglich wieder ins Oberhaus aufzusteigen, ging bereits im Vorjahr nicht auf. Auxerre landete auf Rang neun, mit 20 Punkten Abstand zum ersten Aufstiegs- und neun Zählern Vorsprung auf den Abstiegsplatz.

Hartes Restprogramm

Schon während der Abstiegssaison aus der Ligue 1 - 2010 wurde man dort noch Dritter - verkannten die Verantwortlichen den Negativtrend, die brenzlige Situation wurde unterschätzt. Noch vier Spieltage vor Schluss stand Auxerre damals auf einem Nichtabstiegsplatz. Doch nur sieben Siege aus 38 Partien besiegelten letztlich den Gang in Liga 2, nach 32 Jahren der Erstklassigkeit.

Dort hat Auxerre nun als Tabellensiebzehnter einen Zähler Vorsprung vor dem Platz, der einen Abstieg in die 3. Liga bedeuten würde. Das Restprogramm ist hart. Bereits am Samstag spielt man beim Tabellendritten aus Caen, eine Woche später gastiert Tabellenführer FC Metz - im Übrigen ein Aufsteiger - im Stade de l'Abbe-Deschamps.

Die Prognosen sind düster. Die vor allem aus jungen Spielern bestehende Elf blieb schon mehrfach den Nachweis schuldig, der schweren Situation gewachsen zu sein. In den letzten neun Partien sprang lediglich ein Sieg heraus.

Guy Roux wird "seinem" Verein, den er von der Verbandsliga in die Champions League führte, nicht mehr helfen. Der heute 75-Jährige, dessen Memoiren kürzlich erschienen, kommentiert seit ein paar Jahren im französischen Fernsehen die Spiele der Ligue 1. Momentan ist nicht davon auszugehen, dass er noch einmal in das Vergnügen kommt, eine Partie von AJ Auxerre zu analysieren.

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