Paris Saint-Germain: Futurama

Von Jochen Tittmar
Die Macher und der Superstar: Leonardo, Nasser Al-Khelaifi und Zlatan Ibrahimovic (v.r.n.l.)
© Getty

Paris Saint-Germain investiert seit einem Jahr gigantische Summen in seine Mannschaft. Der Verein aus der Ligue 1 geht dabei ein bewusstes Vabanquespiel hinsichtlich des Financial Fairplay ein - auch in dem Glauben, damit der weltweiten Attraktivität des französischen Fußballs einen enormen Schub zu verleihen.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Marco Verratti konnte einem schon ein wenig leidtun. Da saß der Italiener, soeben für über zehn Millionen Euro aus der Serie B in die Ligue 1 gewechselt, vor einem riesigen Haufen Journalisten im Presseraum von Paris Saint-Germain und beantwortete ein paar der üblichen Fragen. Doch der 19-Jährige wusste: Seine Aussagen waren in diesem Moment im Grunde genommen völlig nichtig. Die Medienschar gierte nach der Transfergranate.

Unmittelbar im Anschluss an Verrattis Vorstellung nahm ein Fußballer von Welt dann hinter den Mikrofonen Platz. "Wir haben das Unmögliche möglich gemacht. Wir haben jetzt einen Superstar in Paris", sagte PSG-Präsident Nasser Al-Khelaifi und meinte damit natürlich Zlatan Ibrahimovic, der rechts neben ihm saß. Der Schwede ist das neue Zugpferd in Paris, die erste ganz große Nummer seit Ronaldinhos Abgang zum FC Barcelona im Jahr 2003.

Ibrahimovic: "Das hier ist die Zukunft"

Und er soll nun nicht nur dafür sorgen, dass die 18-jährige Durststrecke ohne Meistertitel beendet wird, sondern dank der Stahlkraft seines Namens den Klub auf ein vollkommen neues Niveau hieven. "Das Ziel des Vereins ist ganz klar: Sie wollen ein Team aufbauen, das die Champions League gewinnt und nicht nur in Frankreich Meister wird", sagt Trainer Carlo Ancelotti. "Das hier ist die Zukunft", fügte Ibra hinzu.

Um genau zu verstehen, wie der Verein die Zukunft plant, muss man sich ein wenig mit der Geschichte und Gegenwart auseinandersetzen. Paris Saint-Germain ging in den 1970er Jahren durch einen Zusammenschluss der Vereine Stade Saint-Germain und Paris FC hervor. Mit dem Ziel, einen großen Verein in Paris zu installieren, der Jahr für Jahr in der Ligue 1 um den Titel spielt und sich internationales Renommee erarbeitet. Aber natürlich auch, wie es sich für eine Stadt wie Paris gehört, dabei noch genügend Glamour versprüht.

Dass dies nicht wie gewünscht geklappt hat, ist mittlerweile keine Neuigkeit mehr. Paris gehört zu den wenigen großen Metropolen Europas, denen ein starker Fußballklub abgeht. Geht man einmal vom allgemeinen Stadtbild aus, so finden sich kaum Hinweise darauf, dass die französische Hauptstadt einen Erstligisten beherbergt.

PSG: Transferausgaben von über 200 Millionen Euro

Klar, es gibt ein paar PSG-Boutiquen und mit ein wenig Glück sieht man in der an jedem Tag des Jahres mit Touristen vollgestopften Stadt auch Menschen, die Devotionalien des Vereins an sich tragen. Doch der Qatar Sports Investment (QSI), die im Frühjahr 2011 70 Prozent der Anteile am Verein erwarb, ist all dies viel zu wenig.

VIDEOIbrahimovic-Vorstellung in Paris

Der katarische Staatsfond - die QSI ist ein Ableger davon - hat längst Einzug in der Stadt erhalten. In dreistelliger Millionenhöhe erwarb man in den vergangenen Jahren zahlreiche Luxus-Immobilien und hält Beteiligungen an einflussreichen Firmen der Pariser Börse. Vor allem Ex-Staatspräsident Nicolas Sarkozy pflegt hervorragende Beziehungen zu den Katarern. Der Kontakt zum PSG - Sarkozy ist großer Fan des Klubs - ist durch ihn entstanden.

Als Al-Khelaifi im vergangenen Jahr noch selbst die schillernde Figur im Pressraum war, kündigte er für die nächsten fünf, sechs Jahre Investitionen von 100 Millionen Euro an. 365 Tage später stehen Transferausgaben von über 200 Millionen Euro einem Verlust von 100 Millionen Euro gegenüber.

Vabanquespiel mit dem Financial Fairplay

Es hat somit den Anschein, dass die QSI seit ihrer Übernahme des PSG ein bewusstes Vabanquespiel hinsichtlich des Financial Fairplay eingeht. Ab der Saison 2014/2015 darf jeder Verein, der an der Champions oder Europa League teilnehmen möchte, einen Verlust von insgesamt höchstens 45 Millionen Euro im operativen Geschäft aufweisen.

Dieses Defizit muss zudem ab diesem Zeitpunkt jährlich geringer werden und das Ziel "Plus Minus Null" erreichen. Heißt: Die QSI nimmt zu Beginn ihres Engagements enorme Summen in die Hand und pokert dann mit einer deutlich positiveren Bilanz, sobald die UEFA den Vereinen genauer auf die Finger schaut.

In der Tat ist es so, dass die Erlöse des PSG im europäischen Vergleich derzeit noch deutlich abfallen. Da trifft es sich gut, dass Al-Khelaifi auch als Präsident von "Al-Jazeera" firmiert und sich so in der komfortablen Lage sieht, den Fußballklub quersubventionieren zu können.

Widerstand aus der Politik gegen den PSG

Der Fernsehsender besitzt in Frankreich nämlich die TV-Rechte für die Ligue 1 sowie die Champions League und hat zudem alle Ligue-1-Rechte im Ausland erworben. Das bedeutet, dass die Investitionen von "Al-Jazeera" auch dem PSG Nutzen bringen - und die prominenten Neuzugänge des Vereins wiederum dem Rechtebesitzer aus Katar.

Angesichts der enormen Beträge, die die QSI in den Klub pumpt, polarisieren die Pariser natürlich enorm. Aus der Politik regt sich bereits Widerstand. Haushaltsminister Jerome Cahuzac äußerte sich zu Ibrahimovics Nettogehalt von 14 Millionen Euro und hält dieses deshalb für "unanständig, weil überall auf der Welt große Anstrengungen unternommen werden müssen, um die Folgen der schrecklichen Finanzkrise in den Griff zu bekommen." Erst vor kurzem war beispielsweise Autobauer "Peugeot" dazu gezwungen, 8000 Mitarbeiter vor die Tür zu setzen. "Diese Summen sind einfach skandalös. Es ekelt mich an", sagte Ex-Sportministerin Roselyne Bachelot deutlich.

Die sportlich Verantwortlichen beim PSG kontern diese Kritik nur dezent. Man respektiere die französischen Gesetze und halte sie ein, so Al-Khelaifi. "Wir verfolgen ein Projekt und haben einen Businessplan. Wir wollen den Klub in der Weltspitze platzieren, das ist alles. In einigen Jahren sind wir profitabel", erklärt er weiter und verweist darauf, dass man das Projekt PSG auch unter anderen Gesichtspunkten betrachten solle. Es diene nämlich ebenfalls dazu, die Attraktivität der Ligue 1 und die weltweite Bedeutung des französischen Fußballs bedeutend zu erhöhen.

Meisterschaft ist für PSG Pflicht

"Unsere Transfers werden das Niveau anheben. Man wird die Ligue 1 wieder mehr beachten", ist sich Sportdirektor Leonardo sicher. Damit wird der Brasilianer wohl auch Recht haben, nur kurz nach der Vertragsunterzeichnung von Ibrahimovic ergatterte sich ein schwedischer Sender gleich mal die TV-Rechte an der französischen Liga.

Ob Paris Saint-Germain überspitzt formuliert die Rolle des Retters wirklich alleine stemmen kann, muss vorerst offen bleiben. Sonnenklar ist dagegen: Im nächsten Jahr ist Platz 1 in der Liga absolute Pflicht, auch wenn Al-Khelaifi die Königsklasse als Priorität für die kommende Spielzeit ausgibt.

Ancelotti hat nun erstmals die Möglichkeit, eine komplette Vorbereitung mit seinem Team zu absolvieren und ihm eine Spielidentität zu verpassen. Diese wird wohl in ein offensives 4-3-3 gepresst, in dem Jeremy Menez - der einzige Franzose in der voraussichtlichen Startelf - und Neueinkauf Ezequiel Lavezzi neben Ibrahimovic wirbeln sollen.

Leonardo: "Wir sind sehr stolz"

Mit seinem pompösen Geschäftsgebaren unter der QSI-Führung hat der PSG nun genügend Staub im Verein aufgewirbelt. Der Hype um Ibrahimovic hat längst Dimensionen erreicht, die dem Klub bislang fremd waren.

"Das alles ist etwas Neues für Paris und darauf sind wir sehr stolz. Wenn man sich bei den Leuten auf der Straße umhört, fühlen sie sich stärker und fähig, etwas Großes zu schaffen. Das ist eine wichtige Veränderung", sagt Leonardo. Es dürften also bald deutlich mehr PSG-Trikots durch die Stadt der Liebe spazieren getragen werden.

Paris Saint-Germain: News und Informationen

Artikel und Videos zum Thema