Eiskalte Wodka-Dusche für Carlo

SID
Chelsea wird Meister? Definitiv! Ahnt Carlos Ancelotti schon was?
© Getty

In seiner aktuellen SPOX-Kolumne starrt Raphael Honigstein gebannt in die Kristallkugel. Wer wird Meister? Carlos Tevez beleidigt Gary Neville, Robert Huth beißt einen Reifen auf - und am Ende holt Jose Mourinho den Titel.

Cookie-Einstellungen
Die Ergebnisse der Abendspiele brachten in dieser Woche äußerst überraschende Erkenntnisse mit sich. Chelsea-Torwart Petr Cech sagte nach dem 1:0 gegen Bolton am Dienstag, man könne "nicht nur mit schönem Fußball die Liga gewinnen", sein Team sei bereit für hässliche, knappe Siege.

Einen Tag später, als Arsenal sich mit dem 1:2 bei Tottenham offiziell aus dem Kreis der Meisterschaftskandidaten verabschiedet hatte, verblüffte Arsene Wenger mit der Feststellung, dass seinem Team "die Reife fehlt".

Wer hätte das vor Saisonbeginn für möglich gehalten? Chelsea gewinnt hässlich, und Arsenal ist seit nunmehr fünf Jahren eine Truppe der jungen, verlässlich im entscheidenden Moment versagenden Schöngeister.

In Anlehnung an eine Redensart auf der Insel fehlte nur noch, dass die englischen Zeitungen am Donnerstag mit den Exklusivmeldungen "Hirsch scheißt in den Wald" und "Papst: Ich bin katholisch" aufmachten.

Wie aber geht das nun nicht mehr ganz so spannende Titelrennen aus? Premier League Inside konnte es nicht mehr bis Anfang Mai abwarten und hat sich jetzt schon bei einer Wahrsagerin seines Vertrauens - eine Dame mit goldenen Ohrringen in CD-Größe und einem kleinen Kinnbart - die kommenden Resultate voraussagen lassen.

Für die Richtigkeit der Angaben wird keine Gewähr übernommen. Ausgenommen ist der Fall, dass sie sich hinterher zufällig als stimmig erweisen sollten: Dann hat es Premier League Inside mal wieder - nein: wie immer - vorher gewusst.

Spieltag 35

Manchester City - Manchester United 3:3

Im City of Manchester Stadium geht es von Anfang an hoch her. Carlos Tevez nennt Gary Neville einen "hässlichen Vogel", doch der Rechtsverteidiger revanchiert sich prompt. "DU bist ein hässlicher Vogel", erwidert der rote Gaz schlagfertig.

Tevez lässt sich davon aber nicht einschüchtern und schießt drei Tore. Die City-Fans sind begeistert. Vor lauter Übermut läuft der Argentinier kurz vor der Pause ganz nahe an die United-Bank und dreht Sir Alex Ferguson eine lange Nase. Der Schiedsrichter stellt ihn wegen unsportlichen Verhaltens vom Platz.

Nach der Pause wendet sich das Blatt. Die Gäste machen gegen zehn Hellblaue viel Druck und freuen sich, dass Fergie in der 60. Minuten seine Trumpfkarte zieht: Wayne Rooney kommt mit Schutzschuh und Krücken auf den Platz, der englische Verband hat ihm eine Sondergenehmigung erteilt. Rooney erzielt einen Hattrick.

United erarbeitet sich in der Schlussphase eine Chance nach der anderen, wird aber immer wieder vom Schiedsrichterassistenten wegen einer Abseitsstellung zurück gepfiffen: Dimitar Berbatow hat sich unweit von Citys Fünfmeterraum zu einem Nickerchen hingelegt. "Der Schiedsrichter war heute gegen uns", sagt Ferguson nach dem Schlusspfiff.

Tottenham Hotspur - FC Chelsea 1:2

Die Spurs legen, beflügelt vom 2:1-Sieg gegen Arsenal, sofort mächtig los. Nach einer herzhaften Grätsche von John Terry liegt Peter Crouch fünfzehn Meter von seinen beiden Beinen entfernt im Mittelkreis - der Schiedsrichter lässt weiterlaufen.

Tottenham bestimmt weiter die Partie. Jermain Defoe tunnelt Cech nach einem feinen Pass von Luka Modric und einer Unachtsamkeit von Rückkehrer Ashley Cole: 1:0. Die Blues kämpfen sich spät ins Spiel zurück. Joe Cole dribbelt fünf Mann und dann sich selbst aus, das Leder landet Didier Drogba genau vor den Füßen.

Nach dem Ausgleich haut Chelsea die Bälle tumb nach vorne. Als der Unparteiische schon die Pfeife im Mund hat, trudelt ein abgefälschter Weitschuss von Frank Lampard an Gomes vorbei ins Tor.

Tabelle: Chelsea 80 Punkte, ManUtd 74 Punkte

Spieltag 36

Manchester United - Tottenham Hotspur  3:0

Spurs-Trainer Harry Redknapp schreibt vor dem Match den vierten Platz ab - "da kann man nichts machen" - und fordert neue Gelder für Verstärkungen. Befreundete Agenten haben ihm den einen oder anderen obskuren Ausländer empfohlen.

Binnen 20 Minuten steht es dank Treffer von Nani (12.), Park (15.) und Rooney (19.) 3:0. Dann der Schock: Rooney verdreht sich bei der Jagd nach einem längst verlorenen Ball an der Eckfahne auch den linken Knöchel. Er will zunächst weiterspielen, muss aber vom Platz getragen werden. United lässt nichts mehr anbrennen.

"Eine gute Leistung, wenn man bedenkt, dass der Schiedsrichter heute sicher nicht für uns war", sagt Ferguson.

FC Chelsea - Stoke City 1:1

An der Stamford Bridge macht sich Nervosität breit. Einwurfmaschine Rory "Uwe" Delap terrorisiert die Londoner mit seinen Geschossen so lange, bis der von den Chelsea-Fans mit freundlichen "Huuf, Huuf"-Rufen begrüßte Robert Huth den Ball zusammen mit vier Chelsea-Verteidigern und Cech ins Leder bugsiert.

Carlo Ancelotti lässt sich von Assistenztrainer Ray Wilkins die Einwechslung von Ersatztorwart Hilario als dritten Stürmer aufschwatzen. Der überraschende Trick funktioniert: Nach einem Freistoß von Lampard ist die Verwirrung im Strafraum von City so groß, dass Michael Ballack den Ball ins Kreuzeck hämmert.

Von Besitzer Roman Abramowitsch wird der Deutsche zum Dank daraufhin auf seine Yacht eingeladen. Neben Dom Perignon und Kaviar wird dort auch ein neuer Vertrag für den 33-Jährigen serviert: Ballack unterschreibt für 17 Millionen Euro im Jahr einen neuen Sechs-Jahres-Deal, da er sich unter Bundestrainer Matthias Sammer noch gute Chancen für die EM 2016 in der Türkei ausrechnet.

Tabelle: Chelsea 81 Punkte, ManUtd 77 Punkte

Spieltag 37

FC Liverpool - FC Chelsea 1:1

Rafael Benitez hat für die kommende Saison bei Juventus Turin unterschrieben - unter der Bedingung, dass er Alberto Aquilani und Philipp Degen mit nach Italien nehmen darf. Bei seinem Abschiedsspiel an der Anfield Road lässt der Spanier Steven Gerrard und Fernando Torres draußen, um sie für das Europa-League-Endspiel gegen den Hamburger SV zu schonen.

Dirk Kuyt läuft bis zum Umfallen. Und David Ngog erzielt ein Phantomtor: Der Ball ist nicht voll über der Linie, doch der Schiedsrichter gibt den Treffer. Die Liverpooler-Fans wissen nicht, ob sie sich wirklich freuen sollen; man will ja den Erzrivalen von United hier nicht die 19. Meisterschaft ermöglichen. Zum Glück trifft Nicolas Anelka nach dem einzigen überzeugenden Angriff der Londoner noch zum 1:1. Damit können beide Seiten leben. "In drei, vier Jahren hätte ich die Liga hier gewonnen, das garantiere ich", sagt Benitez.

FC Sunderland - Manchester United 0:1

Steve Bruce verspricht, wie alle früheren United-Spieler in der Liga, gegen Ferguson alles, wirklich alles zu geben - inklusive dreier Punkte für die Gäste. Paul Scholes, Gary Neville und Ryan Giggs stehen Sir Alex wegen des zeitgleich im Wembley-Stadion stattfindenden AH-Pokalfinales gegen Kevin Keegans Liverpool der späten 70er Jahre leider nicht zur Verfügung; auch Rooney ist nicht ganz fit.

Die Sunderland-Spieler sind nach einem Ausflug nach Malaga unter der Woche noch nicht wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte. Stürmer Darren Bent wurde nach einer Indiskretion mit einem Zimmermädchen fürs Erste in Spanien festgehalten, ohne ihn kommen die Hausherren kaum zu Chancen. Ein Tor von Nani reicht United letztlich für den Sieg. Das Titelrennen ist wieder offen. "Wir hätten höher gewinnen müssen, leider hat der Schiedsrichter 53 klare Elfmeter für uns nicht gegeben", sagt Ferguson.

Tabelle: Chelsea 82 Punkte, ManUtd 80 Punkte

Spieltag 38

FC Chelsea - Wigan 5:0

Mit einem Sieg kann Chelsea heute alles klar machen. Aus Mailand ist Jose Mourinho eingeflogen. "Ich will nicht mit den Medien reden, es geht heute nicht um mich", sagt er den zahlreichen Fernsehreportern vor dem Anpfiff.

"Ich bin auch nicht hier, um Carlo das Rampenlicht zu stehlen. Ich freue mich nur, dass Chelsea, das Team, das  ich über die Jahre zusammengestellt und taktisch ausgerichtet habe, endlich wieder Meister wird. Ich wusste, dass die Niederlage gegen mein Inter den Jungs  helfen würde, sich auf die Liga zu konzentrieren. Nein, ich reklamiere den Erfolg nicht für mich, natürlich nicht. Ich bin einfach nur froh, dass ich meinen kleinen, bescheidenen Teil dazu leisten konnte."

Die "Sun" berichtet, dass im Vorfeld unbekannte Männer in Lederjacken den Wigan-Spielern im Teamhotel Adidas-Taschen mit gebündelten Rubel-Noten angeboten hätten, doch den Gästen ist nichts anzumerken. Sie spielen ihr normales Spiel; nach zehn Minuten sind sie 3:0 hinten. Drogba, Anelka und Terry (nach einem Eckball) markieren die Treffer für die Blues, die es in der zweiten Hälfte locker angehen lassen.

Der eingewechselte Gael Kakuta, ein Mann aus der eigenen Jugend, trifft, applaudiert von Sepp Blatter im Publikum, noch zwei Mal. Ancelotti muss nach Abpfiff eine eiskalte Wodka-Dusche über sich ergehen lassen. Eigentümer Roman Abramowitsch macht es derweil Oprah Winfrey nach und schenkt jedem der 41489 Zuschauer einen blauen Maybach. "You chet Automobilsk, kameradsk", sagt der Russe den begeisterten Fans.

Manchester United - Stoke 1:0

"Wayne Rooney hat nicht die geringste Chance zu spielen", sagt Ferguson vor der Partie. Ein Psychotrick: Rooney kommt, geschoben von Gary Neville, im Old Trafford im Rollstuhl auf den Platz. Der englische Fußballverband hat dem 24-Jährigen eine Sondergenehmigung erteilt. Das Risiko zahlt sich in der 26. Minute voll aus. Antonio Valencia setzt sich am Flügel durch und flankt scharf nach innen;  Rooney muss nur noch das linke Rad hinhalten.

Bald ist jedoch die Luft raus: Huth hat hinter dem Rücken des Schiedsrichters den Reifen aufgebissen. Ferguson lässt seinen Stürmerstar genau wie gegen Bayern noch 20 Minuten auf dem Platz stehen, reagiert dann aber: Berbatow darf vor seinem vorab verkündeten Wechsel zu Manchester City ein letztes Mal für die Red Devils auf den Platz.

Die Ballbehandlung des Bulgaren ist wie immer ein Augenschmaus. Doch er lässt sich tiefer und tiefer fallen, bis er aus Versehen vor Lou Macaris "Fish & Chips"-Shop an der Chester Road landet.

United rettet den Vorsprung trotz der Unterzahl über die Zeit. Aber es hilft nichts mehr. "Kompliment an die Mannschaft", sagt Sir Alex. "Dafür, dass wir die ganze Saison über systematisch von den Schiedsrichtern benachteiligt wurden, ist der zweite Platz ein sehr großer Erfolg."

Tabelle: Chelsea 85 Punkte, Man Utd 83 Punkte

Alles zur Premier League

Raphael Honigstein lebt und arbeitet seit 16 Jahren in London. Für die "Süddeutsche Zeitung" berichtet er über den englischen Fußball und ist Kolumnist für die britische Tageszeitung "The Guardian". Beim früheren Premier-League-Rechteinhaber "Setanta Sports" fungierte Honigstein als Experte für den deutschen Fußball. In Deutschland wurde der 36-Jährige auch bekannt durch sein Buch "Harder, Better, Faster, Stronger - Die geheime Geschichte des englischen Fußballs". Zudem ist er als Blogger bei footbo.com tätig.