Arsenal: Die neue Macht der Premier League

SID
Dem FC Arsenal machen Spieler wie Ramsey, Eboue und Eduardo (v.l.) im Moment sehr viel Freude
© Getty

In seiner aktuellen Kolumne bei SPOX befasst sich Raphael Honigstein mit dem FC Arsenal. Was macht die Gunners zum Saisonstart so stark, und kann die Truppe von Arsene Wenger in diesem Jahr ernsthaft um Titel mitspielen? Am Wochenende wartet auf den FC Arsenal der erste große Prüfstein der Saison: Manchester United.

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Nachdem das leidige Thema der Eduardo-Schwalbe endlich erschöpft war, konnte sich Arsene Wenger einen dezenten Seitenhieb auf all die Zweifler und Spötter in den eigenen Reihen nicht verkneifen.

Hatten die singstarken Anhänger der Gäste die Zuschauer im Emirates Stadion mitgerissen, wollte ein schottischer Reporter im Anschluss an den 3:1-Sieg gegen Celtic wissen. "Ja, ich habe auch gehört, dass unsere Fans lauter als sonst waren", sagte der Franzose mit einem zufriedenen Lächeln, "ich glaube, sie verspüren wieder ein wenig Optimismus".

Pfeifkonzerte gehören der Vergangenheit an

Die gute Laune scheint bei den Gunners tatsächlich zurückgekehrt, kein Wunder nach vier Siegen in Folge und 15:3 Toren. In der Vorsaison, als Manchester United Arsenal im Halbfinale der Champions League deutlich die Grenzen aufgezeigt hatte, waren Buhrufe beinahe zur Tagesordnung geworden. Erst wurden nur Emmanuel Eboue, Nicklas Bendtner und Emmanuel Adebayor einzeln ausgepfiffen, dann hatte es das ganze Team getroffen.

Am Mittwochabend dagegen feierten die Fans Eboue, den Torschützen des 2:0, wie nie zuvor, und der zu ManCity abgewanderte Adebayor wurde mit "Adebayor, Adebayoooor.... fuck Adebayor, we've got Eduardo"-Sprechchören gegrüßt.

"Arsenal einer der Favoriten für die Champions League"

Arsenal ist mit seiner Techniker-Elf und dem Kurzpass-Spiel eine Mannschaft, die stärker als andere vom Momentum lebt, von den guten Vibes des Erfolges. Wenn die Kanoniere den Finger erstmal an den Abzug bekommen, hört das Ballern meist so schnell nicht mehr auf.

Wenger hat in den vergangenen Monaten immer wieder daran erinnert, dass man auch in der als verkorkst empfundenen Vorsaison 21 Ligaspiele in Folge ohne Niederlage absolviert hatte. Und im Moment sieht alles nach einem neuen Lauf aus.

Gegen die braven Schotten konnte Wenger eine B-Mannschaft im Durchschnittsalter von unter 24 Jahren aufstellen, ohne dass dies dem Spielfluss Abbruch tat. "Wir werden in dieser Saison ganz sicher nicht mehr gegen eine so starke Mannschaft spielen", sagte Celtic-Trainer Tony Mowbray, "Arsenal ist für mich einer der Favoriten für die Champions League".

Arsenals erster Prüfstein gegen ManUnited

Die (fehlende) Qualität der bisherigen Gegner  - Everton, Portsmouth, Celtic - macht eine genaue Einschätzung des Londoner Potenzials schwierig. Aber es besteht kein Zweifel, dass Arsenal  sich in bestechender Frühform präsentiert.

"Das Spitzenspiel gegen Manchester United am Samstag kommt genau richtig für uns", sagt Wenger, "der gelungene Saisonstart hat uns Zuversicht und Selbstbewusstsein gegeben. Aber es wird der erste große Test. Danach wissen wir, wo wir wirklich stehen."

Neuling Vermaelen sehr souverän

Auf den ersten Blick mutet die Leistungsstärke des Teams überraschend an, denn Arsenal konnte wegen der Schulden des Stadionneubaus im Sommer weniger Geld ausgeben, als man selbst einnahm. Mit Adebayor und Kolo Toure hat man zwei Stammspieler verloren und dafür nur einen neuen Mann, Verteidiger Thomas Vermaelen (Ajax), verpflichtet.

Der 23-Jährige Belgier erwies sich trotz seiner von vielen Experten auf der Insel als "zu klein für die Innenverteidigung" eingeschätzten Köpergröße von 1,80m bisher als sehr souverän. "Die Innenverteidiger spielen wunderbar zusammen", freute sich Wenger, der mit dem Verkauf der beiden Afrikaner auch der Cliquenwirtschaft in der Kabine entgegen gewirkt hat.

Viele "interne Transfers" bei Arsenal

Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Elsässer nach dem Einzug in die Gruppenphase noch einmal aktiv wird; wahrscheinlich wird er es aber nicht für nötig halten. Der Kader ist trotz des selben Personals merklich besser als im Vorjahr besetzt, weil viele "interne Transfers" das Niveau gehoben haben.

Andrej Arschawin zum Beispiel steht nach einem halben Jahr Eingewöhnungszeit nun von Anfang an zur Verfügung. Mit Eduardo kehrt einer der schnellsten und technisch besten Stürmer in Europa zurück, auch er ist praktisch eine Neuverpflichtung.

Zudem haben die hochtalentierten Nachwuchsdribbler Aaron Ramsey, 18,  und Jack Wilshere,17, einen deutlichen Sprung in ihrer Entwicklung gemacht. Beide sind echte Alternativen geworden. Selbst Alex Song, 22, spielt in der Mittelfeldzentrale mit viel mehr Ruhe und Sicherheit als im Vorjahr.

Arsenal der Beste der "Big Four"?

Im Vergleich zu den anderen Mitgliedern der "Big Four" hat so kurioserweise ausgerechnet das finanzschwache Arsenal die meisten Fortschritte gemacht. Chelsea hat sein Potenzial nur leicht verbessert, Manchester United und Liverpool muss man nach den Abgängen von Cristiano Ronaldo und Xabi Alonso leicht schwächer einschätzen.

Arsenal wird, falls die Rivalen nicht doch noch entscheidend auf dem Transfermarkt aktiv werden, wohl bis zum Ende um die Meisterschaft mitspielen, weil Wenger auch seine Taktik intelligent modifiziert hat.

Das klassische 4-4-2, das in der Champions League meist zu einem 4-5-1 geworden war, gibt es nicht mehr. Die Gunners spielen diese Saison ein lupenreines 4-3-3. Wenger hat sich ein Beispiel an Barcelona genommen, das, wenn man so will, zuletzt das bessere Arsenal war. Die Vorzüge des Systems liegen auf der Hand.

In der Offensive kann Wenger Arshawin, seinen besten Angreifer, als echten Außenstürmer näher am gegnerischen Tor platzieren als in einem 4-4-2-Mittelfeld. Wie bei Barca können die drei Spitzen darüber hinaus ständig rochieren und die Verteidiger beschäftigen.

Defensive der Gunners entlastet

Der mit Abstand wichtigste Effekt der Umstellung aber ist eine Entlastung der eigenen Defensive. Gegen Celtic konnte man im Stadion gut erkennen, dass Nicklas Bendtner und Eduardo auf den Außenpositionen tief stehen blieben, und so die Außenverteidiger an Vorstößen hinderten.

Die Gegner müssen zwangsläufig durch die Mitte spielen, wo jedoch drei Arsenal-Spieler vor der Abwehr "sitzen" und eine ständige Überzahlsituation kreieren. Kein Wunder, dass die Defensive, jahrelang das Glaskinn der Gunners, in diesem Jahr so viel robuster  wirkt.

Wenger erzählte am Mittwoch, dass sein 4-3-3-System zum ersten Mal beim 0:0 im Old Trafford im Mai richtig funktioniert habe. "Wir werden sehen, ob es uns auch am Samstag hilft", sagte er. Wenger sah dabei unheimlich glücklich aus. Wie jemand, der drauf und dran ist, es allen mal wieder zu zeigen.

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Raphael Honigstein lebt und arbeitet seit 15 Jahren in London. Für die "Süddeutsche Zeitung" berichtet er über den englischen Fußball und ist Kolumnist für die britische Tageszeitung "The Guardian". Beim Premier-League-Rechteinhaber "Setanta Sports" fungiert Honigstein als Experte für den deutschen Fußball. In Deutschland wurde der 35-Jährige auch bekannt durch sein Buch "Harder, Better, Faster, Stronger - Die geheime Geschichte des englischen Fußballs". Zudem ist er als Blogger bei footbo.com tätig.