Ruhig auch mal grätschen

SID
Die Blackburn Rovers wissen: Abstiegskampf ist kein Baumarkt. Darum haben sie Jermaine Jones (l.)
© Getty

Der schöne, glitzernde Premier-League-Wolkenkratzer sieht in dieser Saison eher wie eine etwas größer geratene Altbauwohnung aus. Oben, in der Beletage, streiten sich fünf Klubs um die Sonnenplätze. Die gutbürgerliche Mitte ist auf den Ebenen Sechs bis Zehn vertreten,  danach aber wird es schon düster: Der Abstiegskeller ist so voluminös, dass er gleich elf (größtenteils) unterirdische Stockwerke umfasst.

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Zeit, Licht ins Dunkel der überbevölkerten Relegation-Zone zu bringen. Wer macht den Stich, bei wem fehlt es unterm Strich? Premier League Inside fasst Nieten und Trümpfe im großen Absteiger-Quartett zusammen.

Stoke City

Modell: John Deere Feldhäcksler 7000

PS (Potenzielle Spielstärke): 17 (von 100 möglichen Punkten)

Stärken: Tony Pulis' heimstarke, hoch spezialisierte Weitwurf-Standards-Grätscher-Truppe hat mit 37 Punkten die beste Ausgangsposition und zeigt dieses Jahr wieder eindrucksvoll, dass man in der besten Fußballliga der Welt auch ohne Fußball ganz gut über die Runden kommen kann. In 106 Premier-League-Spielen hatte man kein einziges Mal den Ball öfter als der Gegner, beim 4:0 über Newcastle lag der eigene Ballbesitz sogar nur bei 38 Prozent. Außerdem konkurrenzlos, was die Größe des Huuuuuth-Raums betrifft.

Schwächen: City ist enorm vom Einwurf-Monster Rory Delap abhängig, eine Verletzung des menschlichen Katapults hätte fatale Folgen. In den verbleibenden acht Spielen muss man noch gegen Chelsea, Tottenham, Arsenal und Manchester City ran, außerdem könnte der FA-Pokal (Halbfinale gegen Bolton, ein Leckerbissen für Feinschmecker) ablenken: Stoke versucht schon seit 128 Jahren vergeblich, den Cup zu gewinnen.

Prognose: Ballonseiden-Grantler Pulis und seine rot-weißen Schergen dürfen auch im nächsten Jahr Felder und Gegner umpflügen.

Newcastle United

Modell: Aston Martin Vantage Volante, Baujahr 1987. Kraft und Eleganz, zehrt aber enorm vom Glanz der Vergangenheit.

PS: 32

Stärken: Ein Joey Barton geht immer gern dahin, wo es anderen wehtut; zusammen mit Kapitän Kevin Nolan und dem Ivorer Cheik Ismael Tiote bildet der äußerst sympathische 28-Jährige ein formidables Trio im Mittelfeld, an dem man nicht so leicht vorbei kommt. Insgesamt hat der Kader auf jeden Fall Erstligatauglichkeit.

Schwächen: Mit Oldie Sol Campbell in der Abwehr ist immer was los - im negativen Sinn. Seit Andy "Avatar" Carroll im Januar für 40 Millionen Euro an den FC Liverpool verscherbelt wurde, fehlt vorne die Klasse. Die Elstern haben nach dem Abschied des trinkfesten Pferdeschwanzes nur drei von zwölf Liga-Spielen gewonnen. War vielleicht doch keine gute Idee, Carroll durch Shefki Kuqi, 34,  zu ersetzen - der zuvor arbeitslose Kosovo-Finne und Ex-Koblenzer erwies sich völlig überraschend noch nicht als die gewünschte Verstärkung (3 Spiele, null Tore).

Prognose: Newcastle bleibt drinnen - falls Campbell öfters draußen bleibt.

FC Fulham

Modell: VW Polo. Klein und stört niemand.

PS: 32

Stärken: Mit Mark Hughes haben die Cottagers einen absoluten Spitzencoach, der vor zehn Tagen sogar bei den Bayern als Nachfolger von Louis van Gaal gehandelt wurde - sagt zumindest Hughes' Berater, der für seine Seriosität geschätzte Kia Joorabchian. Nachdem der 47-Jährige das imaginäre Angebot der Münchner dankend ablehnte ("fühle mich bei Fulham wohl", etc etc), kann sich der Waliser wieder in Ruhe mit den Niederungen der Tabelle beschäftigen. Dazu kommt der  belgische Mittelfeldspieler Moussa Dembele, vor seinem Beinbruch im Herbst einer der Stars der Saison,  langsam wieder in Fahrt.

Schwächen: Der FC Fulham kann sich nicht so recht entscheiden, ob er einen gepflegten Ball oder doch lieber die bewährte Defensivtaktik von Ex-Coach Roy Hodgson spielen will; es fehlt die Stringenz. Klub-Besitzer Mohamed Al Fayed hat außerdem dafür gesorgt, dass in Zukunft jedes Heimspiel zur Horror-Show verkommt: vor dem Stadion wird demnächst eine Michael-Jackson-Statue aufgestellt.

Prognose: Es wird ein Thriller, aber die Weißen wurschteln sich irgendwie durch.

Blackburn Rovers

Modell: Hoch frisierter Opel Manta. Provinz-Kiste.

PS: 19

Stärken: Die Abwehr vor Torhüter Paul Robinson (Michel Salgado, Ryan Nelsen, Christopher Samba) kann sich durchaus sehen lassen. Sturm-Pöbel El Hadji Diouf ("so wie Tupac den Gangsta-Rap erfunden hat, habe ich einen neuen Fußball-Stil gebracht") ist nicht mehr dabei (an die Rangers ausgeliehen), dafür aber ein hessischer "Playa": Kampfschwein Jermaine Jones hat im Ewood Park exakt sein Niveau gefunden. Die indischen Eigentümer vom Geflügelkonzern Venky's wollen für viel Geld viele tolle Stars verpflichten. Für den sofortigen Wiederaufstieg, wahrscheinlich.

Schwächen: Trainer Steve Kean wirkt durch die ständigen Gerüchte um seine Ablösung zunehmend verunsichert. Und seinen im kreativen Bereich äußerst bescheiden aufgestellten Rovers - Ideen hat, wenn überhaupt, nur der latent übergewichtige David Dunn - fehlt ein echter Torjäger. Jedes Team, das seine Hoffnungen in Roque Santa Cruz setzt, ist in dieser Beziehung aber durchaus selbst schuld.

Prognose: Gegrillte Poularde á la Championship.

Seite 2: Aston Villa, Blackpool, Bromwich, West Ham

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