Wie die "Class of 92" einen Amateurklub nach oben kauft: Alles aus Liebe

Von Falko Blöding
Salford City wurde von der "Class of '92" gekauft.
© spox

Ein Klub wie Salford interessiert in der Regel die breite Öffentlichkeit nicht. Das ändert sich, wenn die Besitzer ehemalige Weltstars sind. Neuester Anteilseigner: Englands Glamour-Boy David Beckham. Er investierte als letztes Mitglied der "Class of 92" in den Fünftligisten, der nach Vorstellung seiner Besitzer in 15 Jahren in der Championship spielen soll.



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Am 19. Juli 2018 war der Aufschrei in England groß. Ein fetter Transfer war eingetütet worden, die Fans der Konkurrenten ätzten via Twitter, was das Zeug hielt.

Von Wettbewerbsverzerrung war die Rede und davon, wie das große Geld den Sport ruiniere. Der Titel sei praktisch vergeben, mutmaßten einige Anhänger, andere wünschten sich, dass der reiche Klub ihre Liga doch bitte möglichst schnell verlassen solle.

Nun ist aber nicht vom 62,5-Millionen-Transfer, den der FC Liverpool an jenem Tag tätigte und der den Brasilianer Alisson zum zwischenzeitlich teuersten Keeper aller Zeiten machte, die Rede.

Der Wechsel, der die Fanseele auf der Insel zum Kochen brachte, fand ein paar Spielklassen unterhalb der Premier League statt.

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Salford City verdoppelte Adam Rooneys Gehalt

Salford City, Aufsteiger in die English National League, die fünfthöchste Liga Englands, hatte Adam Rooney unter Vertrag genommen. Einen 30 Jahre alten Stürmer, der zuvor beim FC Aberdeen gekickt und dort 87 Tore in vier Jahren erzielt hatte. Einen Spieler, der einst im Dunstkreis der irischen Nationalmannschaft zu finden war, und der mit Schottlands Vize-Meister in der vergangenen Saison Europapokalluft geschnuppert hatte.

Dieser Adam Rooney entschied sich gegen die Aussicht, in wenigen Tagen in der Europa League gegen Burnley anzutreten und in der Scottish Premier League Celtic zu jagen. Stattdessen also fünfte englische Liga mit Salford City. Zur Einordnung: Das wäre in etwa so, als würde in Deutschland ein gestandener Zweitliga-Profi freiwillig den Abstieg in die Oberliga in Kauf nehmen.

Gelockt wurde Rooney, der mit bisher 16 Saisontoren großen Anteil daran hat, dass Salford im Aufstiegskampf mitmischt, angeblich mit einem Dreijahresvertrag und einem Salär von umgerechnet 230.000 Euro pro Jahr. Das entspräche etwa einer Verdopplung seines Aberdeen-Gehalts. Die Konkurrenz schäumte. Zumal Salford bereits andere höherklassige Spieler wie Danny Lloyd (Peterborough United), Nathan Pond (Fleetwood Town) und Rory Gaffney (Bristol Rovers) letzten Sommer unter Vertrag genommen hatte.

Salford City, das kann man ohne Übertreibung sagen, wird von der Konkurrenz mit Argusaugen beobachtet. Denn den kleinen Klub aus der 245.000-Einwohner-Stadt in einem gleichnamigen Regierungsbezirk im Großraum Manchester halten nicht wenige für das spannendste Projekt im englischen Fußball. Das liegt vor allem an den ebenso prominenten wie ehrgeizigen Besitzern des Vereins.

Auch David Beckham erwirbt Anteile an Salford City

Seit Sommer 2014 gehört Salford City der legendären "Class of 92". Jenem außergewöhnlichen Jahrgang, der das Rückgrat für Manchester Uniteds spätere Dominanz im englischen Fußball bildete und half, den Klub zur Nummer eins auf der Insel zu machen. Youngster, die Sir Alex Ferguson zu außergewöhnlichen Profis formte und die heute noch Freunde sind. Ryan Giggs, Gary Neville, Phil Neville, Paul Scholes und Nicky Butt entschieden sich vor vier Jahren, Salford zu übernehmen. Jeder von ihnen hält seitdem zehn Prozent der Klubanteile, am Mittwoch verkündete Salford nun, dass auch David Beckham eingestiegen ist. 60 Prozent des Vereins gehören damit der "Class of 92".

Die anderen 40 Prozent gehören Peter Lim, einem Milliardär aus Singapur, der außerdem Besitzer des FC Valencia ist, und der exzellente Kontakte zu den Neville-Brüdern pflegt. So kam unter anderem Gary Nevilles verkorkstes Trainer-Engagement bei Valencia zustande, aber das ist ein anderes Thema.

Als also die "Class of 92" Salford übernommen hatte, spielte der Klub in der Northern Premier League, der siebten Liga Englands, und hatte dort in der Endabrechnung den zwölften Platz belegt. Giggs und Co. betonten, sie sähen ihr Engagement als Bonbon für die Fans, täten es "aus Liebe zu unserer Stadt". Ziel sei es, Salford binnen 15 Jahren in die Championship zu führen.

Was das angeht, ist der Klub auf einem guten Weg. Mittlerweile sind die "Ammies" in der English National League angekommen, stehen aktuell auf Platz drei und dürfen vom Durchmarsch in die League Two träumen. Der Rückstand auf Tabellenführer Leyton Orient beträgt nur einen Punkt.

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Scholes und Neville waren Interimstrainer bei Salford City

Die Ex-Stars haben den Klub spürbar professionalisiert. Im Januar 2015 zum Beispiel drohte Salford mit nur vier Siegen aus elf Spielen, die Saisonziele zu verpassen. Trainer Phil Power wurde kurzerhand gefeuert und bis das neue Trainerteam Anthony Johnson und Bernard Morley übernahm, betreuten Scholes und Phil Neville die Mannschaft. Im Juli 2017 teilte der Klub offiziell mit, dass künftig alle Spieler im Kader Profistatus hätten.

Während niemand an der Liebe der namhaften Geldgeber zur Region Manchester zweifelt, sind die hohen Investitionen in Verein, eine neues Stadion und die Mannschaft doch fragwürdig. Schließlich geht es um einen Verein, der nie höher gespielt hat, als er es aktuell tut und dessen größter Erfolg der zweimalige Gewinn des Manchester Premier Cup Ende der 1970er Jahre war. Nicht zu vergessen der Dreifachtriumph im Lancashire Amateur Cup, ebenfalls in den 70ern.

Es ist also in England längst eine Diskussion entbrannt, die man aus Deutschland gut kennt, wenn es um RB Leipzig und den von Red Bull finanzierten sportlichen Aufstieg geht. Nur tut sich das Lager der Traditionalisten schwer, weil es eben kein Konzern ist, der hinter Salford City steht, sondern sechs extrem beliebte Ex-Stars.

Gary Neville, der auf Twitter immer für unterhaltsame Diskussionen zu haben ist, zoffte sich nach der Verkündung des Rooney-Deals länger mit Andy Holt, dem Besitzer des Drittligisten Accrington Stanley. Holt warf ihm vor, man "raube" anderen Vereinen einen Platz in der National League und kaufe sich munter nach oben.

Neville entgegnete damals: "Fünf Ex-Profis haben die Investitionen gemeinsam mit unserem Mitbesitzer alleine gestemmt. Wir haben ein neues Stadion gebaut, eine erfolgreiche Mannschaft zusammengestellt und das in einer Stadt, die wir lieben. Wir haben Millionen investiert." Darauf sei man stolz. Und er legte nach: "Wollt Ihr eine Liga, in der man die etablierten Klubs nicht herausfordern darf?" Es fällt schwer, dagegen zu argumentieren. Vor allem, wenn es ein Satz ist, der die legendäre Class of 92 repräsentiert.