Manchester City 2007: Das irre Jahr, in dem der Grundstein für den Einzug ins Finale der Champions League gelegt wurde

Von Falko Blöding
2008: ManCity-Besitzer Thaksin Shinawatra (.) und die Mannschaft, angeführt von Dietmar Hamann.
© getty
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Shinatrawa forderte den Gewinn der Premier League

Sein besonderer Liebling war Stephen Ireland. Der junge irische Mittelfeldspieler unterzog sich während der Saison einer Haartransplantation, erfand den Tod zweier Großmütter, um nicht zur Nationalmannschaft reisen zu müssen und fragte einen Klubverantwortlichen, ob dieser jemanden finden könnte, der für ihn die Führerscheinprüfung absolvierte. Ein Insider sagte der Sportsmail: "Sven liebte Stephen. Diese Großmutter-Geschichte fand er irrwitzig. Er weinte Tränen vor Lachen darüber."

City gewann die ersten drei Saisonspiele, unter anderem das Nachbarschaftsduell mit Erzrivale United. Shinatrawa verkündete auf einem Event in Thailand: "Im nächsten Jahr wird City genauso sein wie Manchester United." Während United 2008 in Moskau die Champions League gewann, beendete City die Saison auf Rang neun.

Shinawatra hatte Eriksson den Auftrag gegeben, die Premier League zu gewinnen. Und vor den Spielern gab er den Motivator, als er vor einer Begegnung meinte: "Ihr müsst es angehen wie das Finale der Weltmeisterschaft."

City kassierte in der Folge unter anderem eine 0:6-Pleite gegen Chelsea und nistete sich im Tabellen-Mittelfeld ein. Im Februar gelang der zweite Derby-Sieg der Saison gegen United. Das hatte es seit 1970 nicht mehr gegeben! Es geschah zudem am 50. Jahrestag der Flugzeugkatastrophe von München. Eriksson hatte zuvor an die eigenen Fans appelliert, sich respektvoll zu verhalten. Das taten die Anhänger und beide Klubs liefen ohne Sponsoren auf den Trikots auf. Manchester präsentierte sich von seiner besten Seite, für City war der 2:1-Auswärtssieg der Höhepunkt der Saison.

Der finanzielle Kollaps bahnte sich an

Hinter den Kulissen allerdings rumorte es. Shinatrawa hatte große Hoffnungen in die Wahlen in Thailand gesetzt. Seine favorisierte Partei triumphierte in der Tat vor Weihnachten. Doch sein Vermögen von 800 Millionen Pfund blieb eingefroren. Der extrovertierte Boss war nicht mehr flüssig und musste sich insgesamt dreimal Geld vom Ex-City-Vorstand John Wardle leihen, um die Gehälter bezahlen zu können.

Der finanzielle Kollaps bahnte sich an. Zwar wussten bei City nur eine Handvoll Mitarbeiter davon, aber auch die Mannschaft schlitterte in eine Krise. Nach dem Erfolg im Derby gewann City nur noch eine von sieben Partien und im März beschloss Shinawatra kurzerhand, dass er nicht mehr mit Coach Eriksson sprechen wollte. Nach einer 2:3-Heimniederlage gegen Fulham am 26. April folgte Eriksson seinem Chef ins Hotel, um ihn zur Rede zu stellen. Er klopfte vergeblich an die Zimmertür, rief dann einen Mitarbeiter an und sagte: "Dieser A**** redet nicht mit mir."

In all dem Trubel gab es immer wieder Momente, wie sie eigentlich nur der Feder eines Autoren für Comedyserien entsprungen sein können: Nachwuchskeeper Kasper Schmeichel wurde zum Beispiel nach Bangkok geflogen, um der verstorbenen Schwester des thailändischen Königs die letzte Ehre zu erweisen. Abends erlebte Schmeichel Shinawatra beim Karaokesingen. Mit Backgroundsängerinnen, die dessen schiefen Gesang absorbierten, versteht sich.

Immer häufiger war in den englischen Zeitungen von der anstehenden Entlassung Erikssons zu lesen und mittlerweile ging ein Riss durch den Verein. Auf der einen Seite Shinawatra und seine thailändische Administration, die von London aus operierte. Und auf der anderen Eriksson, die Mannschaft und die Fans, welche die Eskapaden ihre Besitzers längst nicht mehr amüsant fanden.

2008: ManCity-Besitzer Thaksin Shinawatra (.) und die Mannschaft, angeführt von Dietmar Hamann.
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2008: ManCity-Besitzer Thaksin Shinawatra (.) und die Mannschaft, angeführt von Dietmar Hamann.

1:8 am letzten Spieltag in Middlesbrough

Berater Pini Zahavi eröffnete Eriksson schließlich vor dem 37. Spieltag, dass dessen Entlassung bevorstand und beim Auswärtsspiel in Liverpool sangen die City-Fans zur Melodie von Pink Floyds "Another Brick in the Wall" "Oy Thaksin, leave our Sven alone" ("Oh, Thaksin, lass unsere Sven in Ruhe"). Ein Protest, der aber nichts mehr brachte.

Vor dem letzten Spieltag suchte Kapitän Richard Dunne das Gespräch mit seinem Noch-Trainer und verkündete, die Mannschaft weigere sich, gegen Middlesbrough anzutreten. Eriksson redete ihm dieses Vorhaben aus. Dunne flog schließlich nach 15 Minuten vom Platz, City bezog beim Tabellen-14. mit 1:8 Prügel und Ireland weigerte sich anschließend, mit dem Mannschaftsbus zurückzufahren. "Es war der schlimmste Moment meiner Karriere", sagte er der Sportsmail später.

Doch damit nicht genug, die Scharade ging weiter. Eriksson und seine Spieler wurden nach dem Ende der Saison auf eine Tour durch Asien geschickt. Klublegende Mike Summerbee bezeichnete dies als "Schande". Eriksson wurde auf dieser Reise mit Shinawatra fotografiert, ohne dass die beiden noch einmal ein Wort miteinander wechselten. Klubdirektor Alistair Mackintosh hatte schließlich die Aufgabe, den Schweden zu entlassen.

Shinatrawa verkaufte Manchester City an Scheich Mansour

Eriksson kümmerte das nicht mehr sonderlich. Bereits in der Kabine nach dem Middlesbrough-Spiel hatte er seinen Spielern erklärt, man werde diese Reise genießen. So begab es sich, dass Stürmer Valeri Bojinov während des zweiten Spiels in Thailand auf der Ersatzbank ein Menü von Kentucky Fried Chicken aß. Hamann kam eines Morgens erst ins Hotel zurück und schlief am Pool ein. Wie er in seiner Autobiographie The Didi Man enthüllte, weckte ihn Eriksson mit zwei Gläsern Champagner in den Händen. Hamann fragte: "Boss, was feiern wir?" Eriksson antwortet: "Das Leben, Kaiser. Wir feiern das Leben." Er ergänzte: "Weißt Du, Kaiser: Ich mag es hier. Ich glaube, ich werde hierher zurückkehren und mit zwei Frauen zusammenleben. Ja, ich glaube, ich brauche zwei wunderschöne Frauen."

Das Ende war nah, kurz nach Eriksson verabschiedete sich auch Shinawatra. Er hatte kein Geld mehr und einer seiner engsten Berater, Pairoj Piempongsant, stand längst in Kontakt mit Scheich Mansour von Abu Dhabi. Dieser kaufte den Klub und zur Saison 2008/09 war ManCity auf einen Schlag der reichste Verein der Welt.

Um Thaksin Shinawatra ist es derweil ruhig geworden. Er ist mittlerweile auch montenegrinischer Staatsbürger, hat in einem halben Dutzend Länder Wohnsitze - und verdiente mit dem Verkauf Citys rund 100 Millionen Euro.

Dieser Artikel wurde erstmals im Dezember 2018 veröffentlicht.

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