Arsenals höchster Feiertag in Gefahr

Von Sebastian Schuch
Die Fans von Tottenham und Arsenal können sich absolut nicht leiden
© getty

Der FC Arsenal spielt eine durchwachsene Saison und hat erneut keine Chance auf die Meisterschaft. Für die Anhänger dürfte es nun aber noch schlimmer kommen: Erstmals in der Ära Wenger verpassen die Gunners mit großer Wahrscheinlichkeit den St. Totteringham's Day. Ausgerechnet im North London Derby (So., 17.30 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) können die Tottenham Hotspur dies perfekt machen.

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An eine Saison ohne Titel hat man sich in Holloway im Nordlondoner Bezirk Islington in den vergangenen zehn Jahren beinahe gewöhnt. Vorbei sind die Zeiten der Invincibles, als der FC Arsenal ohne Niederlage durch das Spieljahr marschierte und die Gunners sowohl den besten Sturm als auch die beste Abwehr stellten.

Seit der Meisterschaft von 2004 sind sowohl Verein als auch Fans genügsam geworden. Mit der Qualifikation für die Champions League, dem mittlerweile fast schon gebuchten Aus im Achtelfinale sowie dem einen oder anderen Pokalsieg war alles gut. Am 27. Mai bietet sich in dieser Saison immerhin noch die Chance auf einen Titel, den Sieg im FA Cup.

Es wäre nach 2014 und 2015 der dritte Sieg im ältesten Pokalwettbewerb der Welt in den vergangenen vier Jahren. Gleichzeitig wäre es insgesamt der 13. Triumph, womit die Gunners wieder alleiniger Rekord-Titelträger wären. Aktuell steht auch Manchester United bei zwölf Pokalsiegen.

Trotz des Finaleinzugs rumort es aber schon länger gewaltig im Umfeld des Emirates Stadiums. Trainer Arsene Wenger spaltet die Fangemeinde, die Qualifikation zur Champions League ist stark gefährdet. Noch schlimmer ist für die Gunners, die Fans des FC Arsenal, aber was anderes: der St. Totteringham's Day fällt wahrscheinlich aus - erstmals unter Wenger.

Der St. Totteringham's Day ist der Zeitpunkt in einer Saison, an dem Tottenham rechnerisch nicht mehr an Arsenal vorbeiziehen kann. 14 Punkte trennen derzeit beide Teams - zu Gunsten der Spurs.

Londons größter Zwist

Bei aktuell sechs Londoner Vereinen in der Premier League sind sich keine zwei Klubs derart spinnefeind wie die Gunners und die Spurs. Bei nur vier Kilometern Luftlinie zwischen dem Emirates Stadium und der White Hart Lane könnte man das rein auf geographische Begebenheiten reduzieren, dem ist aber nicht (nur) so.

Der wahre Grund für die intensiv gelebte Abneigung liegt fast 100 Jahre zurück. 1919 wurde Englands First Division auf 22 Teams aufgestockt, als Tabellenletzter wären die Spurs in der Liga geblieben. Wären, wenn nicht der Fünfte der zweiten Liga, der FC Arsenal, den Vorzug bekommen hätte - auch vor dem Dritten FC Barnsley.

Bis heute hält sich, vor allem bei denen, die es mit Tottenham halten, ein Gerücht: Sir Henry Norris, damaliger Arsenal-Vorsitzender und einflussreicher Politiker, habe den Aufstieg der Gunners und den Abstieg der Spurs erkauft. Dass die Lilywhites elf Jahre zuvor gar als Siebter aufstiegen? Geschenkt.

21 Jahre in Folge vor Tottenham

Dieses Ereignis zementiert den Grundstein des Hasses zwischen beiden Fanlagern. Gemäß dem Credo: "Once you pick a side, you can never really change it". Dementsprechend wichtig ist die Platzierung am Ende einer Saison. Seit der Einführung der Premier League 1992 ließ Tottenham die Gunners nur zweimal in der Tabelle hinter sich. In der Premierensaison als Achter und 1994/95 als Siebter. Arsenal wurde Zehnter beziehungsweise Zwölfter.

Seitdem, man könnte fast sagen, seit Arsene Wenger das Ruder übernommen hat, mussten die Gunners keine solche Schmach mehr hinnehmen. 21 Spielzeiten in Folge stand Arsenal schlussendlich vor Tottenham, manchmal auch erst in letzter Sekunde.

"It's happened again"

Knapper als in der vergangenen Saison geht es nicht mehr. Vom 24. bis 37. Spieltag standen die Spurs ununterbrochen vor den Gunners, acht Punkte betrug der Vorsprung zwischenzeitlich. Selbst vor dem abschließenden Spieltag hatte Tottenham noch zwei Zähler mehr auf dem Konto.

Dann schoss Arsenal Aston Villa mit 4:0 aus dem Emirates, während Tottenham von Absteiger Newcastle eine 1:5-Ohrfeige kassierte. Der St. Totteringham's Day, der Begriff tauchte erstmals 2002 auf einer Fan-Seite auf, war gerettet. "It's happened again", schallte es von den Rängen. Die Gunners durften den inoffiziellen Song zum St. Totteringham's Day anstimmen.

Erst einmal zuvor gelang Arsenal das Kunststück, am letzten Spieltag noch am Rivalen vorbeizuziehen (2005/06). Zweimal konnte der höchste Fan-Feiertag erst mit Saisonende besungen werden (2011/12 und 2012/13).

Der schönste Tag im Leben eines Arsenal-Fans

So knapp wie in den vergangenen Jahren war es dabei vor allem zu Beginn des Jahrtausends bei weitem nicht. Im Jahr der Invicibles waren es am Saisonende satte 45 Punkte Unterschied. Arsenal holte souverän den Titel, Tottenham wurde nur 14.

Schöner als der St. Totteringham's Day, der damals bereits nach dem 28. Spieltag und somit zum frühsten Zeitpunkt gefeiert werden durfte, war der Tag des Titelgewinns. Nicht nur holte Arsenal die bis heute letzte Meisterschaft, nein, die Gunners holten den Titel gegen Tottenham. An der White Hart Lane.

Die Spurs holten zwar ein 0:2 auf, verhindert werden konnte die Schmach aber nicht. "Let them have their two minutes of fame. We just won the Championship", war von den Arsenal-Fans zu hören. Ein Schlag ins Gesicht eines jeden Tottenham-Supporters. Der 25. April 2004 ist wohl der schönste Tag im Leben vieler Gunners.

Das Denkmal wackelt

2012 arbeitete Wenger weiter an seinem Denkmal bei den Gunners, holte nach 23 Spieltagen einen Zwölf-Punkte-Rückstand auf und schob sich noch auf Rang drei vor. Für Arsenal bedeutete das die Teilnahme an der Champions League, während der Vierte Tottenham durch den Champions-League-Triumph des FC Chelsea gegen den FC Bayern in die Europa League musste.

Seitdem bekam Wengers Bildnis in Holloway aber mehr und mehr Risse. Schuldig daran sind auch die Spurs. Nur drei der vergangenen neun Aufeinandertreffen in der Premier League entschieden die Gunners für sich, den letzten Sieg gab es im März 2014.

Zwar verlor Arsenal auch nur eines der vergangenen fünf Duelle, doch für die Gunners ist das zu wenig. Es droht die dritte Saison in Folge ohne Sieg gegen den Lokalrivalen - den 2:1-Sieg im League Cup 2015/16 ausgenommen.

Europa in Gefahr

Die Duelle der vergangenen Jahre spiegeln dabei auch den Trend im Norden Londons wider. Während sich Tottenham allmählich in der absoluten Spitze der Premier League etabliert, sind die Gunners dabei, diese Phalanx zu verlassen.

Vier Punkte Rückstand sind es derzeit auf Platz vier, der für die Champions-League-Qualifikation berechtigt, selbst die Europa League ist nicht gesichert. Vier Siege stehen in den vergangenen zehn Spielen fünf Niederlagen und einem Remis gegenüber.

Im gleichen Zeitraum kommt Tottenham auf acht Siege, davon aktuell sieben in Folge, sowie je ein Unentschieden und eine Niederlage. Zuhause sind es gar zwölf Siege in Folge, während Arsenal vier der zurückliegenden fünf Auswärtsspiele verlor.

Die Vorzeichen sind bei 14 Punkten Unterschied sowie einem Spurs-Heimspiel also klar: Arsenal muss siegen, um die Mini-Chance auf den St. Totteringham's Day am leben zu erhalten. Sonst singen die Spurs-Fans erstmals den Anti-St.-Totteringham's-Day-Song. Im Spiel gegen Arsenal. An der White Hart Lane.

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