"Man kann uns mit dem BVB vergleichen"

Von Interview: Daniel Herzog
Ralph Krueger gehört seit 2014 dem Management-Team des FC Southampton an
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SPOX: Die Saints gelten entsprechend als einer der besten Ausbildungsvereine der Premier League. Vor allem auf dem Flügel haben Sie mit Gareth Bale, Theo Walcott oder Alex Oxlade-Chamberlain große Talente herangezogen. Wird das also auch künftig der Weg sein?

Krueger: Ganz sicherlich nicht. Wir mussten in den letzten Jahren auch einen Adam Lallana oder Sadio Mane verkaufen. Mittlerweile haben wir eine viel größere finanzielle Kraft. Der Verein hat sich auch in diese Richtung groß entwickelt. In Sachen Umsatz waren wir vor fünf Jahren noch auf Platz 70 im Weltvergleich, jetzt sind wir schon in den Top 20. Das hat natürlich auch mit dem englischen Fernsehen zu tun. Wir haben aber nicht mehr vor, künftig so viele Spieler ziehen zu lassen. Der Großteil der Spieler hat Verträge, die noch drei bis fünf Jahre gültig sind. Mit dieser Truppe wollen wir in den nächsten Jahren etwas aufbauen. Unser Ziel ist es, einen Weg in die Champions League zu finden. Das ist schwer, mit der Zeit kann man aber auch in die Top 4 reinbrechen. Im letzten Jahr haben wir Chelsea und Liverpool ja auch hinter uns gelassen.

SPOX: Wie gelingt es Ihnen, diese Masse an Talenten anzuziehen? Haben Sie eine besonders große Scouting-Abteilung oder einfach nur äußerst kompetente Mitarbeiter?

Krueger: Wir haben weltweit über 50 Scouts, die für uns in verschiedenen Rollen unterwegs sind. Es ist ein sehr großes Team, angeführt von Ross Wilson. Spieler wollen zu uns, weil sie einen Weg in die Top 10 der Welt sehen. Sie wittern die Chance, über Southampton zu Bayern oder Barcelona zu kommen. Pierre-Emile Hoijbjerg hätte zum Beispiel zu sechs oder sieben Vereinen wechseln können. Endlos viele Agenten kontaktieren uns permanent, weil sie die Hoffnung haben, dass ihre Spieler bei uns diese Entwicklung nehmen. Es gibt also viele gute Gründe, warum wir Spieler vor ihrer Prime-Time zu uns holen können.

SPOX: Warum schafft United das nicht, obwohl die finanziellen Mittel auf jeden Fall vorhanden sind?

Krueger: Da müsste man viel tiefer in die Materie blicken. Ich rede aber nicht gerne über andere Klubs - vor allem dann nicht, wenn ich die genauen Hintergründe nicht kenne. Einen Trainer lernt man auch erst kennen, wenn man mal bei ihm in der Kabine gesessen hat. Ich kann nur sagen, dass ich froh bin, dass unsere Idee hier in Southampton so gut funktioniert. Würde ich bei einem großen Klub arbeiten, würde ich es genauso machen. Ich weiß nicht, wie man bei United darüber denkt.

SPOX: Trotz der durchaus hohen Einnahmen durch Transfers der Spieler in den vergangenen Jahren agierte Southampton im Anschluss eher zurückhaltend auf dem Markt. Was ist mit dem Überschuss geschehen?

Krueger: Viele sehen nur die Ablösesummen und verstehen es nicht. Dabei sind die Gehälter, die wir zahlen müssen, in der Premier League in den letzten zwölf bis 14 Monaten extrem gestiegen. Wir mussten und wollten ja auch in langfristige Verträge investieren, um über Jahre ein Team aufzubauen. Wir haben eine klare Philosophie und leben innerhalb unserer Möglichkeiten. Verkaufen wir Spieler, wird das Geld wieder in die Mannschaft investiert.

SPOX: Wie hat sich das Vorgehen auf dem Transfermarkt vergangenen Jahren aus Ihrer Sicht verändert? Sprengt eine Verpflichtung wie die von Paul Pogba im vergangenen Sommer nicht ein ganzes Mannschaftsgefüge?

Krueger: Dass für Spieler so viel Geld ausgegeben wird, ist auch für uns bei Southampton neu. Pogba ist aber natürlich eine ganz andere Geschichte. Wichtig ist aber - egal, wie teuer ein Spieler war oder ist -, dass er eine klare Rolle im Team und vom Trainer und den Mitspielern die Unterstützung erhält. Unser Motto lautet: "Turning potential into excellence". Um das zu erreichen, muss jeder Spieler zuerst an die Mannschaft denken und sich fragen, was das Beste für den Southampton Football Club ist. Da dürfen Gehalt und Ablöse keine Rolle spielen. Jeder wird hier gleich behandelt, nur so geht es.

SPOX: Seit ihrem Amtsantritt 2014 hat sich auch auf der Trainerbank eine gewisse Kontinuität eingestellt. Haben Sie Angst, dass Claude Puel von der Konkurrenz abgeworben wird, wie es bei Mauricio Pochettino oder Ronald Koeman der Fall war?

Krueger: Wir haben überhaupt keine Angst davor, dass Leute abgeworben werden. Wir sehen das als Kompliment, wenn wir Mitarbeiter oder Spieler verlieren. Es ist eine Bestätigung unserer guten Arbeit. Natürlich wollen wir, dass sich die Leute bei uns so lange und so gut wie möglich entwickeln können. Wenn sie das Gefühl haben, dass es woanders besser für sie ist, werden wir wieder neues Personal rekrutieren. Claude Puel hat noch zweieinhalb Jahre Vertrag bei uns. So langsam drückt er dem Team seinen Stempel auf. Beim 4:0 in Sunderland hat man wirklich seinen Fußball gesehen. Zum richtigen Zeitpunkt, jetzt vor dem League-Cup-Finale, wirkt die Mannschaft sehr harmonisch. Wir sind sehr zufrieden mit unserem Trainer und hatten noch nie lange mit einzelnen Personalien zu kämpfen. Auch dann nicht, wenn uns jemand verlassen hat.

SPOX: Bei United ist das seit dem Rücktritt von Sir Alex Ferguson anders. Können Sie sich vorstellen, warum seine Nachfolger solche Probleme haben?

Krueger: Jeder Coach bringt eine andere Kultur mit sich. Die passt nicht allen Spielern. Es gilt die Faustregel: Etwa ein Drittel der Spieler liebt dich, ein Drittel sagt nichts dazu und das letzte Drittel mag dich nicht. Letztere sind eher die, die nicht spielen. Wie die gesamte Mannschaft aber auf den Trainer wirkt und umgekehrt, hängt von vielen Faktoren ab: Wie plant der Trainer die Reisen? Wie werden Teammeetings abgehalten? Wie und was wird gegessen? Das Zusammenspiel braucht Zeit.

SPOX: Sind Sie aber überrascht, dass United unter Jose Mourinho den Erwartungen bislang so stark hinterherhinkt?

Krueger: Mourinho ist einer der Trainer, ähnlich wie Pep Guardiola, die einen großen Trainerstab mitbringen, wenn sie zu einem neuen Verein kommen. So viele Mitarbeiter zu integrieren, dauert einfach.

SPOX: Wie haben Sie Mourinhos Umgang mit Bastian Schweinsteiger erlebt?

Krueger: Ich bin ein großer Fan der deutschen Nationalmannschaft und natürlich auch von Bastian Schweinsteiger. Wir wissen aber zu wenig, um uns ein Urteil zu erlauben. Was die Medien über interne Abläufe bei United wissen, ist niemals hundertprozentig das, was wirklich passiert ist. Ich hoffe einfach, dass Bastian in den nächsten Monaten einen erfolgreichen Weg findet.

SPOX: Mit Jose Fonte hat Sie im Winter ein erfahrener Spieler verlassen. Wieso ist die Situation nicht mit der von Schweinsteiger vergleichbar?

Krueger: Jose war bei uns Kapitän und es war sein Wunsch, zu West Ham zu wechseln. Wir sind diesem Wunsch nachgekommen, da es immer wieder zu Veränderungen kommt und kommen wird, wenn Spieler älter werden. Man muss dann aber immer sehr gut miteinander kommunizieren und die Thematik abfangen, bevor sie zum Problem wird. Wenn die Erwartungen beider Parteien zu weit auseinander gehen, sollte man sich trennen. Es hat alles mit der Kommunikation zu tun.

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