"Zeljko Buvac ist der beste Trainer der Welt"

Seit 14 Monaten an der Seitenlinie beim FC Liverpool: Jürgen Klopp
© getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: Was macht ihn für Sie so besonders?

Klopp: Er schaut mehr Fußball als jeder andere Mensch, den ich kenne und hat das schon immer so getan. Dadurch sind wir bei allem Alltag eigentlich nie in unserer Entwicklung stehen geblieben. Zeljko brachte von Beginn an den internationalen Ansatz ein und war auf dieser Ebene top-informiert, während ich mich in den Alltag und die deutschen Profiligen gebissen habe. Wir wussten natürlich nicht, ob wir all dieses Wissen auch tatsächlich einmal benötigen würden. Uns hat es dennoch brennend interessiert, was Mannschaften tun, die richtig kicken können. (lacht) Es war sozusagen eine unbewusste Vorbereitung auf all das, was später auf uns zukam.

SPOX: Woran haben Sie sich damals orientiert?

Klopp: Nicht nur damals, auch heute: Wir orientieren uns daran, was die Spieler können. Wir wollen sie nicht überfordern, sondern versuchen, ihnen ein Gerüst mitzugeben, um auf unterschiedliche Spielsituationen mit intuitiven Abläufen reagieren zu können. Fußball ist kein Hexenwerk. Es geht nicht darum, was man macht, sondern wie oft und konsequent man es durchzieht. In Mainz habe ich das am Anfang auch per Video aufgezeigt und einfach mit den Spielern darüber gesprochen.

SPOX: Die Videoanalyse hat sich über die Jahre enorm modernisiert und gehört mittlerweile zu den wichtigsten Coaching-Elementen. Wie schwierig war sie Anfang des Jahrhunderts an einem Standort wie Mainz?

Klopp: Sehr schwierig. Es war zunächst nicht daran zu denken, der Mannschaft selbst geschnittene Videos zu präsentieren. Ich habe mir irgendwann meinen ersten DVD-Player gekauft, damit zumindest das Spulen schneller geht. Die Spieler waren damals zwar sehr wissbegierig, aber man muss immer auch darauf achten, dass die Sitzung nicht zu lange dauert. Dank des DVD-Players konnte ich mir endlich Timecodes herausschreiben und zur entsprechenden Stelle spulen. Das war nervig ohne Ende, aber eine erhebliche Verbesserung.

SPOX: Wie haben Sie sich Bilder von den Spielen der kommenden Gegner besorgt?

Klopp: Das war beinahe genauso unmöglich wie welche von unseren eigenen Partien zu bekommen. Ich weiß noch, dass ich immer die Montagsspiele der 2. Liga aufgenommen habe. Aber eben so, wie sie im Fernsehen gezeigt wurden. Also mit den Einblendungen der Trainer oder zu Gewinnspielen.

SPOX: Unvorstellbar, wenn man sich vor Augen führt, wie Sie ab 2005 nur ein paar Jahre später mit einem professionellen Analyse-Tool als Experte für das ZDF gearbeitet haben.

Klopp: Wir haben damals mit der Firma Swiss Timing zusammengearbeitet. Diese Jungs haben mich anschließend gefragt, ob wir nicht gemeinsam eine Laptopversion dieses Analyse-Tools entwickeln wollen. Das habe ich sofort bejaht. Wir haben dann definiert, auf was ich bei der Analyse Wert lege und das Ding zusammengebastelt. Ich habe das Tool in Mainz umsonst zur Verfügung gestellt bekommen. Das war ganz praktisch, denn gekauft hätte es der Verein nicht. (lacht)

SPOX: Das dürfte in Ihrem Kerngeschäft vieles vereinfacht haben.

Klopp: Es war eine richtige Offenbarung und hat sehr viel Spaß gemacht. CD rein, Spiel schneiden, speichern und dann der Mannschaft zeigen. Damals habe ich das noch alles komplett alleine gemacht. Ich hatte mir vorgenommen, immer die drei letzten Spiele des nächsten Gegners zu analysieren und dazu noch den letzten eigenen Auftritt. Das war sehr intensiv und manches Mal schwierig, dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Daher habe ich jemanden gesucht, der das seriös erledigen kann. Peter Krawietz war die einzig logische Wahl. Das Trainerteam war somit auch komplett, und mit diesen Voraussetzungen und Aufgabenverteilungen sind wir dann 2008 in Dortmund eingestiegen. Dort hat Peter relativ schnell die Videositzungen selbst geleitet.

SPOX: Wie läuft das jetzt beim FC Liverpool ab?

Klopp: Hier leite und spreche ich wieder. Wir haben ein Team aus mehreren Videoanalysten. Diese Jungs schneiden in Zusammenarbeit mit Peter das Material vom kommenden Gegner auf rund 40 Szenen zusammen. Anschließend gucken sich Peter, Zeljko und ich alles an. Dann wird nochmal gekürzt, und danach wird es der Mannschaft gezeigt.

SPOX: In welcher Hinsicht haben Sie denn Ihre Trainingsgestaltung umstellen müssen, seitdem Sie in Dortmund und nun vor allem in England diese deutlich größere Masse an Spielen zu bewältigen haben?

Klopp: In Liverpool haben wir über Trainingsgestaltung anfangs nur wenig nachdenken müssen. Der Rhythmus bestand lange Zeit nur aus Spiel, Regeneration und Abschlusstraining. Wir haben versucht, viele unserer Inhalte per Video und über Gespräche zu erklären. In den ersten Spielen sind wir vor allem auch über den Willen und die Bereitschaft gekommen.

SPOX: Waren Sie zufrieden mit der anfänglichen Entwicklung bei den Reds?

Klopp: Ja, sie war unserer Ansicht nach ordentlich. Wir glauben weiterhin an Training. Das ist für mich alternativlos, denn Zeljko ist der beste Trainer der Welt. Er liebt es, unterschiedliche Trainingsformen zu entwickeln. Das erstaunt mich bis heute: Wir sitzen zusammen im Büro, besprechen Herangehensweise und Schwerpunkte für das nächste Spiel, und später im Training überträgt Zeljko diese Ideen dann herausragend gut in einzelne Spielformen.

SPOX: Wie sah das wenige Training in dieser zunächst schier endlosen Abfolge von Spielen in der ersten Liverpool-Saison aus?

Klopp: Wir haben teilweise an einem Tag zwei Einheiten mit zwei verschiedenen Mannschaften gemacht. Ein Team hat regeneriert, die andere, meist aus jungen Spielern bestehende Truppe eine normale Einheit absolviert - und dann wieder umgekehrt. Bis zum Saisonende haben wir 38 Spieler eingesetzt. Das war eine neue Herausforderung für uns, wir mussten kreativ sein.

SPOX: In der laufenden Spielzeit sind die internationalen Partien weggefallen. Was ist dadurch anders geworden?

Klopp: Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Obwohl wir sehr gerne europäisch spielen würden, kommt es uns auch entgegen. Das sind letztlich zwei verschiedene Jobs, wenn man in einer Saison praktisch nur trainieren kann und in der vorherigen viele auch internationale Spiele zu bewältigen hat. Du musst den einen gemacht haben, um für den anderen bereit zu sein.

SPOX: Macht dieser andere Job denn genauso viel Spaß wie der in der aktuellen Saison?

Klopp: Vieles macht genauso viel Spaß. Man vermisst nur ein bisschen etwas, wenn das Training aufgrund der hohen Anzahl der Spiele auf der Strecke bleibt. Man sieht zwar Notwendigkeiten, kann diese jedoch nicht über Training, sondern muss sie vielmehr über Visualisierungen und Gespräche versuchen zu lösen.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema