In die große, weite Fußballwelt

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47 Bundesligaspiele und 151 Minuten im DFB-Trikot reichten Leroy Sane, um Manchester City davon zu überzeugen, ihn zum teuersten deutschen Fußballer aller Zeiten zu machen. Seine Unbekümmertheit und Unberechenbarkeit sind ein rares Gut, das City-Trainer Pep Guardiola unbedingt in seiner Mannschaft haben möchte. Sane ist ein teures Versprechen, das einen steinigen Weg vor sich hat.

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Leroy Sane wird ja gemeinhin als reines Schalker Eigengewächs bezeichnet. Ganz so stimmt das aber nicht. Klar, Sane ist mit neun Jahren zu Schalke gekommen, wurde mit den Königsblauen deutscher A-Jugend-Meister, hat den Durchbruch bei den Profis geschafft und ist in Gelsenkirchen schließlich auch zum europaweit begehrten Top-Talent aufgestiegen - zwischendurch kickte der junge Leroy aber auch drei Jahre lang in der Jugend von Bayer Leverkusen.

Das war auch insgesamt ganz nett dort, wie Sane mal in einem SZ-Interview berichtete, nur die sprachlichen Barrieren machten ihm zu schaffen. Manche Mitspieler hätten Kölsch gesprochen, sagte Sane, "das war ein bisschen komisch". 2011 kehrte Sane wieder zu Schalke zurück und durfte dann fünf Jahre lang seinen gewohnten Dialekt genießen. Außer vielleicht, wenn der dritte Tormann Michael Gspurning den Mund geöffnet hat. Er kommt aus dem österreichischen Graz und spricht perfektes Steirisch.

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Über diese linguistischen Sprachtupfer konnte Sane hinwegschauen, von nun an hat er es aber wieder durchgängig mit einer fremden, "komischen" Sprache zu tun: Englisch. Für kolportierte 50 Millionen Euro wechselt Sane von Schalke zu Manchester City, durch Boni kann die Summe Berichten zufolge sogar noch steigen. Leroy Sane wird zum teuersten deutschen Fußballer aller Zeiten. Im Alter von 20 Jahren.

Manchester statt Mittersill

Den Weg zu diesem Titel legte Sane in Rekordzeit hin. 47 Bundesligaspiele mit elf Toren und sieben Assists sowie exakt 151 Minuten im Nationaltrikot reichten dem Flügelspieler, um City davon zu überzeugen, diese enorme Summe in ihn zu investieren. Dass der Wechsel stattfinden würde, war schon länger klar. Die Frage zuletzt lediglich nur mehr, wann genau.

So zog sich das hin, ehe Schalkes Sportvorstand Christian Heidel endlich eine Antwort auf diese offene Frage wollte. Er stellte ein Ultimatum: Wenn Sane mit ins Schalker Trainingslager fliegt, bleibt er. Punkt. Schalke hob am Montag ohne Sane nach Mittersill ab, einen Tag später war der Transfer perfekt. Manchester statt Mittersill.

Heldt sei Dank

Die Vorarbeit für diesen Rekord-Deal leistete einst Heidels Vorgänger Horst Heldt. Vor knapp einem Jahr setzte er eine seiner lukrativsten Unterschriften im Namen des FC Schalke 04. Es war der 25. Juli 2015, Heldt verlängerte Sanes Vertrag bis 2019. Doch der Kontrakt war weniger ein Vier-Jahre-Zusammenarbeits-Vertrag als vielmehr ein Irgendwann-Garantierter-Geldregen-Vertrag.

Denn dass Sane seinen neuen Kontrakt vermutlich nicht erfülle würde, war Heldt schon damals klar: "Wenn seine Entwicklung so weiterläuft wie zuletzt, wird er irgendwann gehen - unabhängig von dem, was im Vertrag steht." Im Vertrag steht unter anderem eine Ausstiegsklausel für das Jahr 2017, für kolportierte 37 Millionen Euro hätte Sane dann aus seinem Kontrakt aussteigen können. Nun ist es also ein Jahr früher soweit. Und es sind auch ein paar Millionen mehr im Spiel.

Die öffentlichen Meriten für diesen Geldregen auf Gelsenkirchen streicht weitestgehend Christian Heidel ein, der den Transfer nun ausverhandelte. In einer ruhigen Minute sollte Heidel seinem Vorgänger als Dank vielleicht ein Veltins ausgeben, oder auch zwei. Der Vertrag, den Heldt einst abschloss, ermöglichte Heidel den jetzigen Rekord-Deal.

Unberechenbarkeit als Trumpf

Und dieser Rekord-Deal wurde erstaunlich sauber ausverhandelt; der Poker größtenteils mit offenen Karten ausgetragen. Geheuchelte Dementis ersparten alle Beteiligten der Öffentlichkeit. Am 19. Juli offenbarte Heidel: "Fakt ist, dass er sich klar geäußert hat, dass er gerne wechseln möchte."

Vier Tage später meldete sich City-Trainer Pep Guardiola zu Wort: "Er ist noch Spieler von Schalke. Wir haben mit ihm gesprochen, Schalke weiß von unserem Interesse." Dann passierte erstmal nichts, ehe Guardiola etwas bestimmter wurde: "Wir wollen ihn haben. Wenn es klappt, wäre ich sehr glücklich."

Jetzt hat es also geklappt, jetzt darf Guardiola glücklich sein. Wahrscheinlich sogar super, super glücklich. Denn er bekommt einen Spieler, der eine Fähigkeit hat, die in einer von perfekt choreografierten taktischen Abläufen geprägten Fußballwelt rar gesät ist: Unberechenbarkeit. Sane ist ein Spieler für besondere Momente. Mit seinem enormen Antritt, seiner Explosivität sucht er oft und gerne das Eins-gegen-eins. Und noch viel wichtiger: Oft entscheidet er diese Situationen auch für sich.

Seine speziellen Fähigkeiten weiß auch Bundestrainer Joachim Löw zu schätzen. Dass er Sane in den EM-Kader nominierte, war letztlich keine allzu große Überraschung mehr. "Leroy hat eine besondere Gabe, eine besondere Raffinesse", sagte Löw. Eingesetzt hat der Bundestrainer diese Raffinesse bei der EM jedoch fast gar nicht. Erst als das Halbfinale gegen Frankreich schon so gut wie verloren war, wechselte Löw Sane ein. Elf Minuten EM-Erfahrung waren die Konsequenz.

Einst im Bernabeu

Erfahrungen auf allerhöchster Bühne konnte Sane auch schon in der Champions League sammeln. 2015, in seiner ersten vollen Saison bei den Schalker Profis, wurde er im Achtelfinale gegen Real Madrid im Estadio Santiago Bernabeu eingewechselt. In der 29. Minute kam er ins Spiel, in der 57. traf er zum 3:3. Erstmals machte Sane international auf sich aufmerksam.

Highlightspiele wie dieses warten künftig öfter auf Sane. Die Leistungsdichte der englischen Premier League ist höher als die der deutschen Bundesliga. Und das in doppelter Hinsicht: Sowohl zwischen, als auch innerhalb der Teams. Ein halbes Dutzend Klubs kämpft um den Titel. Auch in den Kadern selbst herrscht ein gewaltiger Konkurrenzkampf.

Natürlich auch bei City. Alleine im vergangenen Sommer holte City mit Kevin de Bruyne und Raheem Sterling zwei Spieler, die noch teurer waren als jetzt Sane. In Manchester ist der 20-Jährige einer von vielen. Er wird sich akklimatisieren müssen. Auch an die lokale Fußballkultur, die vom furchteinflößenden Prädikat "englische Härte" geprägt ist. Sane erwarten Duelle mit Ryan Shawcross im stets windigen und unwirtlichen Britannia Stadium. Es gilt sich zu beweisen.

Sprung ins Ungewisse

Viele Spieler scheiterten am Schritt von der gewohnten Heimat auf die ruppige Insel. Andre Schürrle oder auch Shinji Kagawa wechselten einst mit großen Erwartungen zu englischen Topklubs, nur um bald darauf in die Bundesliga zurückzukehren. Sane macht den Schritt noch früher als dieses Duo. Statt sich bei seinem Heimatverein weiter zu entwickeln, wagt er den Sprung ins Ungewisse.

Der Wechsel des zwölfjährigen Sane von Schalke zu Leverkusen war einst auch ein großer Entwicklungsschritt. "Eine neue Umgebung, mal was anderes", wollte Sane sehen, wie er der SZ erzählte. Damals jedoch nur in kleinen Portionen. Nach der Schule hat ihn der vom Verein organisierte Fahrdienst zum Training nach Leverkusen gebracht, am Abend wieder heim zu den Eltern.

Manchester City wird wohl keine täglichen Charter-Flüge organisieren. Sane bricht auf in die große, weite Fußballwelt.

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