You'll never press alone

Jürgen Klopp hat beim FC Liverpool einige Dinge verändert
© getty
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Dennoch zeigt das aktive Verteidigen Wirkung. Viele Gegner beschränken sich inzwischen auf lange Bälle und erkämpfen anschließend die zweiten Bälle in der Hälfte Liverpools. Schon hier sieht Klopp das nächste Problem, mahnte er doch zuerst vor den englischen Winden, um inzwischen zu konstatieren: Die Reds sind nicht stark, wenn es um das Erobern von abgewehrten Bällen geht.

Der erste Ball, der lange Schlag eines Innenverteidigers etwa, wird von den in der Luft starken Verteidigern in aller Regelmäßigkeit abgewehrt, anschließend fehlt allerdings oft die richtige Staffelung. Nachdem das Pressing mit einem hohen Ball überwunden wurde, rückt Liverpool nur schwerfällig zurück, das Mittelfeld ist nicht richtig positioniert, um den Ball unter Kontrolle zu bringen.

Gerade offensiv spielt Liverpool hier dann allerdings einen Trumpf aus. Was defensiv nicht klappt, ist offensiv bereits zu einer Waffe geworden. Gegenpressing ist eines der wenigen Wörter aus der deutschen Taktik, die ohne Änderung in die englische Sprache übernommen wurden - unter anderem wegen Jürgen Klopp.

Balleroberung als Chancenerarbeitung

Hier hat das Team tatsächlich die größten Fortschritte gemacht. Wirkten die Spieler am Anfang zwar bemüht, aber noch etwas überfordert, wird die Konzentration inzwischen über 70-80 Minuten aufrecht erhalten, die Reaktionsschnelligkeit und Aggressivität stimmen, um verloren gegangene oder nur unzureichend abgewehrte Bälle direkt wieder unter Kontrolle zu bringen.

Meist üben die ballnächsten Spieler direkt wieder Druck aus, laufen ihre Gegner auf dem Spielfuß an und zeigen dabei die nötige Aggressivität, um den Ball selbst zu gewinnen oder zu einem Fehlpass zu verleiten. Die möglichen Passoptionen werden Mann zu Mann in Deckung genommen, womit die Balleroberung gut funktioniert.

Genau das muss allerdings auch funktionieren, denn, wie bereits in Dortmund, ist der Spielaufbau und die Chancenerarbeitung im Team von Klopp nicht auf höchstem Niveau. 'Balleroberung ist der beste Spielmacher' ist das Motto des Trainers und so scheint er in seinen ersten Monaten die Gewichtung vor allem auf die Arbeit gegen den Ball, nicht aber auf den eigenen Vortrag gelegt zu haben.

Die Krux mit dem Ballbesitz

Schon der Aufbau über die erste Reihe ist ungenügend. Mamadou Sakho und Dejan Lovren sind zwar noch etwas sicherer im Aufbau als Martin Skrtel und Kolo Toure, dennoch verzichtet Klopp größtenteils auf vorstoßende Verteidiger. Die Spieleröffnung ist einfach gestrickt, der Ball soll schnell auf den oder die Sechser und anschließend auf die Flügel verteilt werden.

Gelegentlich fallen Leiva oder Can neben die Verteidiger, selbst dann folgen allerdings im Normalfall flache Zuspiele auf die Außenverteidiger, die das Spiel entweder antreiben können oder zurück spielen. Weil der Ball so nur selten in das Zentrum gespielt werden kann, bewegt sich auch Liverpools Chancenerarbeitung zu einem Großteil über die Flügel.

Die Reds schaffen es besonders im letzten Drittel nicht, in die gegnerischen Formation hinein zu kombinieren, sich zwischen den Linien zu bewegen oder über schnelle Passabfolgen in Lücken vorzustoßen. Somit hängt viel an den Dribblings und Einzelaktionen der Zehner wie Adam Lallana, Coutinho oder Firmino.

Der Faktor Sturridge

Während auf dem linken Flügel oft nach innen gezogen wird, ist der rechte Flügel aufgrund der ohnehin zentrumsorientierten Besetzung durch Milner oder Henderson mehr auf Hereingaben ausgerichtet. Der überlaufende Clyne oder die ausweichenden Firmino/Divock Origi sind dort, in Ermangelung eines Linksfußes, erste Ziele.

Interessant wird der Einfluss des wieder fitten Daniel Sturridge auf die Entwicklung der Offensive zu beobachten sein. Der Engländer feierte gegen Aston Villa ein durchaus vielversprechendes Comeback, ist Linksfuß, durchaus kopfballstark, schnell und beweglicher als Konkurrent Christian Benteke. Somit konnte er gegen die Villans den flexiblen Angriff komplettieren.

Für mobile Nutzer: Liverpools gute Staffelung im Angriff mit Sturridge

Gute Staffelung Liverpools im Angriff. Firmino (11) leitet den Angriff ein, Coutinho (10) zieht von links nach innen und wird vom brasilianischen Landsmann hinterlaufen. Moreno (18) ist dabei und baut mit einem Sprint Breite auf. Milner (7) ist aus dem Zentrum nach links ausgewichen und steht auf letzter Linie, Sturridge (15) besetzt die ballferne Seite. Can (23) ist erste sichere Anspielstation, Henderson (14) könnte bei einem Rückpass mit einem seiner starken Diagonalbälle verlagern.

Schon ohne Sturridge setzte Klopp, besonders auswärts, gerne auf Lallana, Coutinho, Firmino und Milner im Angriff. Diese bewegten sich zwar engagiert, waren viel unterwegs und versuchten, ihre Bewegungen gegenseitig auszugleichen, scheiterten dann aber daran, ihre Fähigkeiten in ungewohnten Felder einzubringen.

Alles wartet auf den Sommer

Im schnellen Umschaltspiel enorm gut, mussten sie doch bei längeren Ballbesitzzeiten nachlassen, die Folge waren viele Versuche aus der Distanz und kaum Präsenz im gegnerischen Strafraum. Vielleicht gerade ein Grund, warum man sich im Winter intensiv um Alex Teixeira bemühte.

Der Brasilianer wechselte jedoch nach China und so entging den Reds ein beidfüßiger, sehr starker Abschlussspieler, der gerade einige Meter vor dem Strafraum durch seinen enormen Zug zum Tor kombiniert mit großer Bissigkeit und Schnelligkeit aushelfen hätte können. Hätte können, denn Fußball ist, wie Klopp weiß "not a wish concert".

Auch wenn gegen Manchester City die erste Chance auf einen Titel mit dem FC Liverpool wartet, wird es doch im Sommer einige Änderungen geben. Mit Joel Matip ist ein Schritt gemacht, es werden viele folgen. Dann wird Klopp zumindest in Stücken sein Wunschkonzert erhalten, bis dahin muss er eben mit dem arbeiten, was er hat. Und das ist beileibe nicht so schlecht.

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