Vom Wunsch- zum Ist-Zustand

Kevin De Bruyne wechselte im Sommer für rund 74 Millionen Euro zu Manchester City
© getty

Kevin De Bruyne hat sich bei Manchester City bereits in der ersten Elf festgesetzt, auch im Champions-League-Rückspiel gegen Juventus Turin (Mi., 20.45 Uhr im LIVETICKER) hofft man auf der Insel auf seine überragende Quote. Englische Altlasten hat er längst abgelegt. Dabei ist das Erfolgsrezept ein einfaches - und Jose Mourinho kannte es bereits vor Jahren.

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"Es war gar nicht absehbar, dass irgendein Verein eine Ablösesumme in der Höhe bezahlen würde. Für mich war es utopisch, dass ein Klub unsere Forderungen tatsächlich erfüllt, um Kevin De Bruyne zu verpflichten."

Es ist nur ein paar Wochen her, dass Dieter Hecking diese Aussage im SPOX-Interview traf. Und auch wenn er sie heute wieder so träfe, würde er sich doch noch einmal fragen, wie utopisch die Transfersumme von rund 74 Millionen Euro für seinen ehemaligen Superstar wirklich ist - und auch vor wenigen Monaten war.

Denn während man in der VW-Stadt dem wichtigsten Leistungsträger der vergangenen Saison noch mindestens eine Träne nachweint, hat die Premier League all ihre Vorurteile gegenüber dem Belgier längst abgelegt und City feiert den neuen Hoffnungsträger.

Gekommen, um es allen zu zeigen

Neben dem sportlichen Bewerbungsschreiben brachte De Bruyne in diesem Sommer jedoch auch Altlasten aus Chelsea-Zeiten mit. Jose Mourinho sah in ihm zu der Zeit nur einen Schönwetter-Spieler. So kam es, dass der damals von Bremen zurückgekehrte Youngster bei den Blues in der Hinrunde der Saison 2013/14 nur auf drei Liga-Einsätze kam. Enttäuschung pur - für alle Beteiligten.

Als der Wechsel zu City bekannt wurde, packte Mourinho noch einmal eine Anekdote aus, die für De Bruyne eine erneut schwere Zeit in England vermuten ließ: "Er hat mir gesagt, es wäre nicht Teil seiner Persönlichkeit, um einen Platz in seinem Team zu kämpfen. Er bräuchte ein Team, bei dem er wisse, dass er in jedem Spiel spiele. Er muss das Gefühl haben, dass er wichtig ist", schilderte der Chelsea-Coach.

Doch auch bei den Citizens war für De Bruyne anfangs kein Stammplatz reserviert. Beim VfL hatte der Offensivspieler seine besten Leistungen auf der linken Außenbahn oder im Zentrum hinter der Spitze erbracht - Positionen, auf denen die Skyblues mit dem zweiten Star-Einkauf Raheem Sterling und David Silva aber schon prominent besetzt waren.

Zudem war klar: Auch wenn er in Manchester mehr Freiheiten als unter Mourinho erwarten konnte, würde das Spiel in keinem Fall so auf ihn zugeschnitten sein, wie er es aus Wolfsburg kannte. Dieses Risiko nahm der 24-Jährige bei seinem Wechsel in Kauf. Mit dem Selbstbewusstsein der Vorsaison ist er trotzdem zurück auf die Insel gekommen, um es allen zu zeigen.

Plötzlich Fan-Liebling

Den Kampf mit seinem Image hat der Offensiv-Allrounder bei den Citizens tatsächlich früh gewonnen. Neun Scorerpunkte in neun Spielen (vier Tore, fünf Vorlagen) lautete die Ausbeute des Neuzugangs Mitte Oktober. Mittlerweile sind es 13 in 15 Pflichtspielen (sechs Tore, sieben Vorlagen) für die Citizens.

Dabei war es im Sommer vielen Fans schwer gefallen, sich auf den Neuzugang zu freuen. Wegen Mourinhos Schilderungen. Wegen der millionenschweren Ablöse. Wegen De Bruynes lustlosem und gleichgültigem Auftreten vor zwei Jahren. Jetzt ist er schon ein Fan-Liebling auf der Insel.

Es dauerte nicht lange, da bezeichnete ihn auch sein neuer Coach Manuel Pellegrini als "perfekten Transfer". Wenige Minuten zuvor hatte De Bruyne die Skyblues in der Champions League mit seinem Last-Minute-Treffer zum 2:1-Sieg über den FC Sevilla geschossen - das bisher wohl wichtigste Tor, das ihm für City gelang.

"Der rothaarige Pele"

Das wichtigste und auch wegweisendste Spiel, das der Belgier seit seinem Wechsel bestritten hat, war jedoch sein Heim-Debüt im Etihad Stadium im September. City unterlag West Ham zuhause mit 1:2. Dennoch fiel die empfindliche Niederlage für den Favoriten nicht sonderlich stark ins Gewicht - dank Kevin De Bruyne.

Dem war gleich sein Premieren-Treffer gelungen. Doch nicht nur deshalb feierten ihn die englischen Medien. Der "rothaarige Pele", wie er in der Zwischenzeit mitunter getauft wurde, gefiel mit einer "gebieterischen Kontrolle des Gegners", befand die Daily Mail. Der deutlichste Unterschied zu seiner ersten Station auf der Insel war schnell ausgemacht: die Reife.

Schnell fiel De Bruyne nicht mehr nur durch seine pink leuchtenden Schuhe auf, er hob sich vom durchschnittlich spielenden Rest des Teams ab, indem er Spielwitz, Laufbereitschaft und vor allem Motivation versprühte. "Get it, give it, move", beschrieben englische Medien sein Spiel in den ersten Wochen.

Vom Wunsch- zum Ist-Zustand

"Aus rein sportlicher Sicht hätten wir Kevin trotzdem gerne bei uns gesehen", sagte Hecking kürzlich. De Bruyne war im letzten Jahr die große Konstante der Wölfe - jetzt fehlt sie. Hecking war sich auch sicher, dass es "für Kevin sicher gut gewesen wäre, noch ein, zwei Jahre in Wolfsburg zu bleiben, wo er der zentrale Schlüsselspieler war."

Doch der Mittelfeldmann liefert beste Argumente dafür, diese Rolle binnen kürzester Zeit auch schon in Manchester einzunehmen. "Es sieht so aus, als ob er in der Mannschaft bereits gut angekommen ist", musste auch sein Ex-Coach zugeben. Manchmal braucht es einfach einen zweiten Anlauf.

Im Team der Citizens und auch bei den Gegnern hat sich der Fußballer des Jahres schon reichlich Respekt erarbeitet. Aus dem einstigen Wunsch-Zustand zu Chelsea-Zeiten ist mittlerweile Realität geworden: De Bruyne hat nicht nur das Gefühl, dass er wichtig ist. Er ist es auch.

Kevin De Bruyne im Steckbrief