Tiger sucht Biss

Von Thorben Rybarczik
Radamel Falcaos Zeit bei Manchester United war sportlich ein einziger Reinfall
© getty

Radamel Falcao galt vor zwei Jahren als einer der besten Stürmer der Welt. Dann wechselte er unter rätselhaften Umständen zum AS Monaco, riss sich dort das Kreuzband und ist seitdem nur noch ein Schatten seiner selbst. Jose Mourinho holte ihn trotzdem zu Chelsea - findet El Tigre dort endlich wieder zu seiner Bestform?

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Sommer 2013: Auf der letzten Pressekonferenz von Radamel Falcao bei Atletico Madrid flossen die Tränen. Der Kolumbianer stand kurz vor seinem Wechsel zum AS Monaco, nur glücklich schien er darüber ganz und gar nicht zu sein. Schließlich hatte er für die Rojiblancos in 90 Pflichtspielen 70 Tore erzielt, holte den spanischen Pokal und gewann die Europa League. Er war der Star des Teams und Liebling von Trainer Diego Simeone.

Klar, ein Wechsel zu einem Klub mit noch größerem Namen schien die logische Konsequenz daraus zu sein. Als es dann aber tatsächlich der AS Monaco wurde, herrschte erst einmal Verwirrung im internationalen Fußball. Wieso wechselt einer der besten Stürmer der Welt in der Blüte seiner Fußball-Zeit zu einem Klub, der zwar einen russischen Milliardär als Besitzer hat, dafür aber kaum sportliche Perspektiven?

Schnell wurde das liebe Geld als ausschlaggebender Faktor ausgemacht. Doch im Hintergrund agierte noch eine dritte Partei, die Transferrechte an dem Kolumbianer hielt und damit auch den Zielort von "El Tigre" maßgeblich mitbestimmen konnte: Die Agentur Doyen Sports. Sie ist eines von vielen ominösen Unternehmen, die sich Anteile an noch jungen, meist südamerikanischen Spielern sichern, um bei späteren Transfers ihrer Schützlinge ordentlich Asche zu machen.

Falcao-Kauf nur durch Dritte möglich

Das war auch schon so, als Falcao von Porto nach Madrid wechselte. Medienberichten zufolge besaß die Doyen Sports Group damals noch 55 Prozent der Transferrechte am Stürmer. Im Umkehrschluss bedeutete das, dass Atletico nur die Hälfte der als Ablösesumme kolportierten 40 Millionen Euro an die Portugiesen zahlte, während Doyen auf Geld verzichtete, dafür aber eben die Anteile behielt. Anders hätte das verschuldete Atletico sich diesen Spieler niemals leisten können.

Mit der Zeit deutete die FIFA an, dass sie solche Praktiken verbieten wolle, um Spieler zu schützen. Inzwischen ist das Verbot für dritte Parteien, Transferrechte an Spielern zu halten, auch umgesetzt. Allerdings erst seit Anfang dieses Jahres.

Beim Falcao-Verkauf an Monaco im Sommer 2013 war das also noch nicht der Fall, sodass Atletico die Ablösesumme unverhältnismäßig hoch ansetzen musste, um überhaupt etwas am Verkauf zu verdienen. So kam es, dass nur der neureiche AS Monaco willens war, die 60 Millionen Euro zu stemmen. Zum Leidwesen Falcaos, der Gerüchten zu Folge viel lieber woanders hingewechselt wäre.

Ein Land bricht in Tränen aus

Mit dem Transfer ins Fürstentum endete auch das "Engagement" der Doyen Group, denn in Frankreich war das Halten von Transferrechten dritter Parteien schon damals verboten - allerdings kein Problem für die Monegassen, die auch die Anteile Falcaos von dem Unternehmen kaufte. Dieses Kapitel endete für den Tiger somit immerhin, trotzdem erwies sich der Wechsel in die Ligue 1 als Karriere-Knackpunkt - im negativen Sinne.

Dabei begann seine dortige Zeit alles andere als schlecht. In seinen 22 Spielen für das Fürstentum erzielte er 13 Tore und meldete berechtigte Ansprüche an, Zlatan Ibrahimovic als besten Stürmer der Liga in Frage zu stellen. Dann kam allerdings der 21. Januar 2014 und das Pokalspiel gegen Azergues. Nach dem frühen Führungstor Falcaos wurde er böse gefoult - das Kreuzband riss. Ausgerechnet im WM-Jahr, in dem Falcaos Kolumbien als Geheimfavorit ins Turnier gehen sollte.

El Tigre gab sich kämpferisch, hoffte auf ein Wunder, um rechtzeitig zum Turnier wieder fit zu sein. Eine absolute Utopie, wie sich auch kurz vor dem WM-Start herausstellte. Die finale Pressekonferenz eröffnete Nationaloach Nestor Pekerman mit den Worten "es ist ein trauriger Abend". Kolumbien brach in Tränen aus, Falcaos Knie war nicht schnell genug geheilt.

Das United-Missverständnis

Dabei war es durchaus knapp gewesen. Falcao hatte es in Kolumbiens 30-Mann-Kader geschafft, indem er wie ein Besessener schuftete und sich mit einem schier unmenschlichen Fitnessprogramm peinigte. Es reichte dennoch nicht. Falcao fiel daraufhin in ein Loch, sah die WM nur von der Tribüne und bekam aus Monaco gleichzeitig Signale, dass er im Fürstentum keine Zukunft mehr haben würde - der russische Eigentümer drehte plötzlich den Geldhahn zu.

Während und nach der WM hatte Falcao also keinen Grund, weiter und professionell an seiner Fitness zu arbeiten. Und das sah man auch, als er im August 2014 auf Leihbasis zu Manchester United wechselte. Louis van Gaal beschwerte sich nicht nur einmal über den katastrophalen Zustand des Kolumbianers, der sich in Folge dessen mehrere kleinere Muskelverletzungen zuzog und zwischenzeitlich sogar in die U21 abgeschoben wurde. Ein Absturz sondergleichen.

Kein Wunder also, dass der englische Rekordmeister die Kaufoption verstreichen ließ. In 29 Spielen erzielte der einstige Topstürmer gerade einmal vier Tore. Ein unterirdischer Wert, wenn man bedenkt, dass United mindestens 30 Millionen Euro ausgegeben hatte, zusammengesetzt aus der Rekord-Leihgebühr und Falcaos nach wie vor fürstlichem Gehalt.

Mourinho und das große Herz

Nun also der Wechsel zu Chelsea und die Frage: Begehen die Blues den gleichen Fehler wie die Konkurrenz? Die Statuten des Leihgeschäfts sind ähnlich und das Salär von Falcao nach wie vor astronomisch. Wer auf jeden Fall davon profitiert, ist der AS Monaco. Der CL-Viertelfinalist spart im zweiten Jahr in Folge das Gehalt ein und kassiert erneut eine hohe Leihgebühr. Sollte sich Falcao in London etablieren und tritt die Kaufoption in Kraft, dann hätten die Monegassen unterm Strich dreifach kassiert. Ihr Motiv für eine erneute Leihe dürfte damit geklärt sein.

Für Chelsea-Trainer José Mourinho ist die Falcao-Verpflichtung derweil eine Herzensangelegenheit, er will dem Kolumbianer seine Würde zurückgeben. "Für einen Spieler seiner Qualität ist es eine echte Schande, dass die Leute in England denken, Falcao ist der Spieler, der er bei Manchester United war", so der Portugiese.

Fakt ist: Falcao ist ein Stürmer, der von seinem Antritt lebt, von seiner Explosivität und von seiner Athletik. Mangelt es ihm an Fitness, ist er seiner größten Stärke beraubt. Auf den Coaching-Stab von Chelsea wartet jede Menge Arbeit. Denn auch bei der diesjährigen Copa America war Falcao nicht immer auf der Höhe, war schnell aus der Puste und erzielte kein einziges Tor.

Falcao und Costa: Harmonie oder Streit?

In London erwartet er ihn aber eine andere Situation. Mit Diego Costa ist die Sturmspitze bereits prominent besetzt und Mou lässt eher ungerne mit zwei Spitzen spielen. El Tigre darf dahinter erst einmal nach seiner Form suchen und muss nicht den Alleinunterhalter geben. Wenn er richtig fit ist, kann er zu alter Form zurückfinden, denn sein Torriecher und seine Technik sind nach wie vor einzigartig. Bleibt nur die Frage: Was passiert, wenn wir den alten Falcao bei Chelsea wiedersehen? Weder er noch Costa werden sich auf Dauer mit der Rolle als Backup zufrieden geben.

Aus Sicht der Blues ist die Verpflichtung das Risiko auf jeden Fall wert. Nach dem Abgang von Drogba wurde ein weiterer Stürmer benötigt und mit Falcao war ein Spieler auf dem Markt, der in Topform zu den besten seiner Zunft gehört. Er hat über den Sommer genügend Zeit, um diese Topform zu finden. Und wenn ihm das nicht gelingt? Dann geht er in einem Jahr zurück nach Monaco und Roman Abramowitsch hat etwas von seinem Kleingeld verloren.

Radamel Falcao im Steckbrief

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