"Mein Problem? Werde immer besser"

Von Adrian Franke
Ist von sich selbst überzeugt: José Mourinho
© getty

Jose Mourinho hat in einem ausführlichen Interview nicht nur seine Trainer-Prioritäten, sondern auch einige der Probleme im modernen Fußball thematisiert. Der Coach des FC Chelsea kennt die Schule des Lebens auch aus einer anderen Perspektive - bewahrte sich trotz allem aber sein schon fast typisches Maß an Arroganz.

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"Mein Problem ist, dass ich bei allem, was mit meinem Job zu tun hat, seit ich angefangen habe immer besser werde", erklärte Mourinho im Telegraph: "Es gab eine Weiterentwicklung in vielen Bereichen - die Art, wie ich Spiele lese, die Art, wie ich Spiele vorbereite, die Art, wie ich trainiere. Ich fühle mich immer besser. Aber es gibt einen Punkt, in dem ich mich nicht ändern kann: Wenn ich mit den Medien zu tun habe. Ich bin kein Heuchler."

Dabei schöpft er aus einem großen Erfahrungsschatz: "In Fußball-Jahren bin ich nicht so alt. Als 52-Jähriger habe ich vielleicht noch 20 Jahre als Trainer vor mir. Aber ich fühle mich schon etwas wie ein alter Fuchs. Nichts bereitet mir wirklich Sorgen, es scheint, als hätte ich alles erlebt. Ich brauche Zeit, um nachzudenken. Aber ich wache nicht mitten in der Nacht auf, um mir über eine Verletzung oder die nächste Taktik Gedanken zu machen."

Ohnehin sei der Trainer nicht die wichtigste Figur im Klub, sondern die Fans, "dann kommen die Eigentümer, die Spieler und dann erst ich. Aber jeder schaut auf den Trainer, jeder analysiert dich. Auch die Fans wollen, dass du nach einer großen Niederlage oder einem großen Sieg bereit für die nächste Aufgabe bist. Ich denke ich bin gut darin, diese Situationen zu kontrollieren. Zuhause bin ich nicht gut darin, weil sie mich zu gut kennen. Da kann ich mich nicht verstecken."

"Die Gemeinschaft gewinnt große Titel"

Immerhin kennt der Portugiese, der ein gläubiger Christ ist und "jeden Tag" betet, auch andere Seiten des Lebens: In seinem ersten Job unterrichtete er Kinder mit Down-Syndrom und geistigen Behinderungen: "Das war eine große Herausforderung. Technisch gesehen war ich nicht dazu bereit, diesen Kindern zu helfen. Ich hatte nur Erfolg, weil ich eine emotionale Beziehung zu ihnen aufgebaut hatte. Deshalb gelangen mir kleine Wunder."

Danach übernahm er eine Jugendmannschaft, "jetzt trainiere ich die besten Spieler der Welt. Der wichtigste Aspekt ist nicht, dass du technisch vorbereitet bist, sondern dass du Beziehungen zu den Leuten aufbaust. Natürlich brauchst du das Wissen und die Fähigkeit, Dinge zu analysieren. Aber das Zentrum von allem ist die Beziehung und die Empathie, nicht nur mit dem Einzelnen, sondern im ganzen Team."

Allerdings müsse dafür "jeder etwas opfern. Es geht nicht darum, die perfekte Beziehung zwischen mir und dir zu erreichen. Es geht darum, innerhalb der Gruppe ein perfektes Zusammenspiel zu entwickeln, denn die Gemeinschaft gewinnt große Titel - nicht der Einzelspieler." Die individuellen Stars seien vielmehr dazu da, dem Team zu helfen und nicht umgekehrt.

Mou stimmt Wenger zu

Dieser Gedanke ist Mourinho so wichtig, dass er sogar Arsenal-Coach Arsene Wenger zustimmte: "Ich finde, Wenger hat etwas gesagt, das sehr interessant ist. Er ist gegen den Ballon d'Or, und ich denke, er hat Recht, denn der Fußball ist dabei, den Teamgedanken ein wenig zu verlieren und den Einzelnen mehr in den Mittelpunkt zu rücken."

So stehen heutzutage immer mehr die Daten der Einzelspieler im Fokus, "aber hast du automatisch bessere Arbeit abgeliefert als ich, weil du elf Kilometer in einem Spiel gelaufen bist und ich nur neun? Vielleicht nicht. Vielleicht waren meine neun Kilometer wichtiger als deine elf."

Darüber hinaus seien viele Spieler schon in jungen Jahren viel zu sehr auf sich selbst fokussiert: "Früher wollten die Spieler Profis werden und erwarteten, dass sie am Ende ihrer Karriere reich sein würden. Heutzutage erwarten sie, dass sie reich sind, bevor sie auch nur ein einziges Spiel gemacht haben."

"Es ist eine komplizierte Welt"

Dabei nahm der Portugiese auch die Eltern in die Pflicht: "Ich hatte etwa mal einen jungen Spieler und gab ihm die Chance, im ersten Team zu spielen. Zwei Wochen später hatten seine Eltern ihre Jobs aufgegeben, wohnten bei ihm und trafen Entscheidungen für ihn. Es ist sehr schwierig. Sie müssen Glück mit den Eltern und den Beratern haben."

Als Mourinho selbst seinen ersten hochdotierten Vertrag erhielt, war er bereits über 30 Jahre alt, "ich war bereit. Diese Jungs sind 16, 17, 18, 19, 20. Sie wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Bei Chelsea haben wir eine tolle Abteilung, die Spielern mit allem hilft und ihnen erklärt, wie sie mit Geld umgehen oder ein Haus kaufen. Junge Spieler müssen sich kein Auto kaufen, wir werden von Audi gesponsert. Die Spieler brauchen das. Es ist eine komplizierte Welt."

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