Manager-Fresser als Hoffnungsträger

Von Michael Graßl
Massimo Cellino ist der Besitzer von Leeds United - die englische Liga hält dies für nicht rechtens
© getty

Rio Ferdinand, Harry Kewell, Robbie Keane - die Tage solch großer Namen sind bei Leeds United vorbei. Der dreimalige Meister verschwindet im Abstiegskampf der zweiten englischen Liga. Ein Italiener will den großen Retter spielen - trotz Rassismus- und Abhörskandal. Doch die Liga sperrt Massimo Cellino aus. Immerhin: Ein altes Erfolgsrezept könnte helfen.

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Zeiten ändern sich. Die Fans von Leeds United wissen das. Sie können es mit einem einfachen Vergleich beweisen. Ein Vergleich, der auch Nicht-Leeds-United-Fans zeigt: Früher war alles besser. Man nehme Spieler wie Rio Ferdinand, Ian Harte oder Jonathan Woodgate und stelle sie in die Verteidigung.

Im Mittelfeld lassen sich Stars wie Lee David Bowyer, Harry Kewell oder Aaron Lennon aufbieten. Dazu ein Sturm aus Robbie Keane, Alan Smith und Mark Viduka. Und schon hat man die Generation von Spielern, dank der Leeds sogar das Halbfinale der Champions League erreichte. Glorreiche Zeiten, an die man sich an der Elland Road mit leuchtenden Augen erinnert.

Um den Vergleich abzuschließen, die Mannschaft von heute: Ein Sam Byram und ein Giuseppe Bellusci für die Defensive, ein Alex Mowatt und ein Lewis Cook für das Mittelfeld und für den Angriff ein Mirco Antenucci und Billy Sharp. Spieler, die höchstens Experten der zweiten englischen Liga ein Name sind. Denn genau dort dümpelt der Traditionsverein und dreifache englische Meister derzeit vor sich hin.

Neue Hoffnung aus Italien

Doch jetzt soll es Hoffnung für die Fans der Peacocks geben - aus Italien. Massimo Cellino ist der Mann, der Leeds wieder zurück in die Premier League führen will. Dabei verlief Cellinos Start an der Elland Road denkbar schlecht.

Cellino ist in seiner Heimat ein bekannter Mann. Von seinem Vater übernahm er eine profitable Firma, die in der Landwirtschaft tätig ist. Mittlerweile hat sich der 58-Jährige ein kleines Imperium aufgebaut. Der Mann ist also mit dem nötigen Kleingeld ausgestattet. Noch dazu hat er reichlich Erfahrung im Fußballgeschäft. 22 Jahre lang war er Boss von Cagliari Calcio, bei den Fans in Sizilien ist er bis heute beliebt. 2010 wollte er West Ham United übernehmen, der Deal platzte.

Am 7. Februar 2014 gelang der Einstieg ins englische Fußballgeschäft. An diesem Tag gab Leeds United offiziell die Übernahme durch Eleonora Sport Ltd., welche im Besitz der Cellino-Familie ist, bekannt. 75 Prozent am Klub sind nun im Besitz der Cellinos, 25 Prozent hält eine Investmentbank auf Bahrain. Massimo Cellino wurde neuer Präsident der Whites.

Magath bringt Millionenspritze

Weil Massimo aber nicht mehr so lange warten konnte, führte er seine erste Amtshandlung schon sieben Tage früher aus: Manager Brian McDermott sollte entlassen werden, Gianluca Festa sollte der Nachfolger werden. Ein Tag später meldete sich die Gulf Finance House, Anteilseigner von den Cellinos, und stutzte Cellino zurecht. Er habe dafür keine Befugnisse. McDermott war beim nächsten Spiel wieder eingesetzt.

Es war nicht der einzige Vorfall, der die Scheinwerfer rund um die Elland Road auf die Geschehnisse abseits des Platzes richtete. Am 24. März vergangenen Jahres beschloss die Liga kurzerhand, Cellino habe den sogenannten Owner's Test nicht bestanden. Eine Übernahme sei nicht rechtens. Cellino müsse gehen. Doch der Italiener zog vor Gericht und gewann. Er blieb Präsident.

Im Sommer, endlich, sorgten die Spieler wieder für Schlagzeilen. Allerdings nicht so, wie man sich bei den Fans erhofft hatte. Ausgerechnet Leistungsträger und Torschützenkönig Ross McCormack verließ den Verein, der eigentlich raus aus dem Mittelmaß wollte. Immerhin zog man Felix Magath und dem FC Fulham die Geldscheine aus der Tasche und sahnte 11,83 Millionen Euro für den Angreifer mit einem Marktwert von damals 2,8 Millionen Euro ab.

Passend investieren konnte man die Magath-Millionen beim Blick auf die Tabelle nicht, die Mannschaft von Trainer Neil Redfearn bewegt sich im tief im Abstiegskampf der englischen Zweitklassigkeit.

Die Tabelle der 2. englischen Liga

Dass die Mannschaft noch nicht zu sich gefunden hat, ist nicht verwunderlich. Redfearns Vorgänger in dieser Spielzeit flogen jeweils nach sechs Spielen im Amt. Der Trainerstuhl in Leeds scheint zum Schleudersitz zu verkommen - mit Massimo Cellino als Boss dürfte das nicht besser werden.

"Il mangia-allenatori"

36 Manager in 22 Jahren. Das ist die stolze Bilanz Cellinos in Cagliari. Verwunderlich, wie ein Trainer, dessen Boss derart mit seinem Personal hantiert, zu folgender Aussage gelangt: "Er ist fantastisch für diesen Klub", so Redfearn über Cellino. Der neue Trainer glaubt scheinbar fest an den Italiener: "Alles was er getan hat, hat er im Interesse des Fußballklubs Leeds United getan", so Redfearn weiter.

Ob diese Worte einmal helfen werden, wenn es eng für ihn wird, ist fraglich. Dazu braucht er sich nur bei Vorgänger Darko Milanic erkundigen. "Ich habe einen Fehler gemacht mit diesem Typen. Er ist negativ, er hat eine Loser-Mentalität", fand Cellino eine simple Erklärung für Milanic' Absetzung. Diese geringe Hemmschwelle, seine Trainer und Manager zu entlassen, brachte ihm in Italien den Spitznamen "Il mangia-allenatori", der Manager-Fresser, ein.

Für die Anhänger der Peacocks lassen diese Fakten eine Rückkehr in ruhmreiche Zeiten in weite Ferne rücken. Oft ist Konstanz auf der Trainerposition entscheidend für langfristigen Erfolg. Die Fans wissen das. Vier Jahre betreute David O'Leary einst United. Von 1998 bis 2002, der Zeit von Ferdinand, Keane und Co. Die Zeit, in der man Stammgast unter den Top fünf der Premier League war.

Rassismus- und Abhörskandal

Jetzt sorgen die "Stars" auf dem Platz mehr für negative, als für positive Schlagzeilen. Giuseppe Bellusci zum Beispiel. Ihm steht Ärger von der FA ins Haus. Grund ist eine angebliche rassistische Beleidigung seines Gegenspielers Cameron Jerome.

"Wenn irgendein Spieler von Leeds united ein Rassist sein sollte, dann wäre er raus. Das ist meine Philosophie und ein Versprechen", sammelte Cellino in dieser Angelegenheit Pluspunkte bei den Fans.

Als heimlicher Sieger ging der Präsident auch aus dem Abhörskandal hervor, der zwei Monate nach seinem Amtsantritt durch die Medien ging. Denn in diesem Fall war Cellino eher Opfer als Täter. Der Italiener fand versteckte Kameras und Abhörwanzen in seinem Büro.

Wie sich herausstellte stammten diese von David Haigh, damaliger Generaldirektor bei Leeds. Polizeiliche Hinweise auf Drogenkonsum in der Geschäftsstelle haben ihn zu diesem Schritt gezwungen, so Haigh, der unmittelbar danach seinen Platz räumen musste.

"Ich verkaufe den Klub nicht"

Den vorläufigen Höhepunkt stellte der 1. Dezember 2014 dar, als die Liga einen erneuten Ausschluss Cellinos verkündete. Der Grund: Cellino wurde in Italien wegen eines Steuervergehens schuldig gesprochen, da er für eine Yacht keine Importsteuer an den italienischen Fiskus abgeführt hatte. Wieder war er durch den Owners' und Directors' Test der Liga gefallen.

Dem Italiener passte das ganz und gar nicht. Cellino ließ seinem Frust freien Lauf. "Sie haben einen großen Fehler gemacht. Ich verkaufe den Klub nicht. Das muss ein Scherz sein. Ich habe den Verein gerade erst gekauft und ich werde die Fans schützen", lautete die verärgerte Antwort des wankenden Präsidenten.

In Leeds fand man für das Urteil der Liga kein Verständnis, weder bei den Fans, die eine Petition gegen die Entscheidung in die Wege leiteten, noch von offizieller Seite des Vereins. "Dieser Schritt der Liga wird sich destabilisierend auf den Klub, seine Fans und die Sponsoren auswirken und kann nicht im Interesse irgendeiner der beteiligten Partein sein", so aus dem Statement von Leeds. Cellino ging siegesgewiss in Berufung.

Doch am 19. Januar verkündete die Liga das Ergebnis der Anhörung. Das Urteil bleibt bestehen - Cellino ist raus. Zumindest vorerst. Am 10. April darf der Italiener wieder die Leitung über den Klub übernehmen. Doch bis dahin regiert in Leeds die Unsicherheit, wie es weitergeht. Verliert Cellino die Lust an Leeds United, jetzt nach der Entscheidung der FA? Noch dazu darf Leeds in dieser Transferperiode keine Transfers tätigen. Dringend benötigte personelle Verstärkungen bleiben also aus. Gar ein Abstieg in die dritte Liga droht dem Verein.

Der Nachwuchs als Chance

Einzig sportliche Erfolge können den Traditionsverein vor einem endgültigen Verschwinden in den Niederungen des englischen Fußballs retten. Die Frage ist nur, wo diese plötzlich herkommen sollen - kein Sieg aus den letzten sieben Spielen verdeutlichen diese Tatsache.

Doch ausgerechnet die erfolgreiche Vergangenheit könnte der Anstoß für die Zukunft sein. Denn Spieler wie Jonathan Woodgate oder Alan Smith - sie alle stammten einst aus der eigenen Jugend. Ein Erfolgsrezept, das auch in der zweiten Liga funktionieren kann.

Mit dem 17-jährigen Lewis Cook und dem 21-jährigen Sam Byram, dem wertvollsten Spieler der Mannschaft, stehen zwei prädestinierte Hoffnungsträger parat. Cook wurde von Redfearn unlängst als einer der wichtigsten Spieler des Teams bezeichnet. Und das mit 17 Jahren.

Es wäre ein Weg zurück zu alten Wurzeln. Ein Schritt zurück in die Zukunft. Und ein Schritt, der den Fokus bei United endlich wieder dahin rücken würde, wo er hingehört: Auf den Fußballplatz. Und wer weiß, ob Spieler wie Cook und Byram in zukünftigen Vergleichen dann immer noch so schlecht da stehen werden.

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