Ein Sommer mit Stallone

Von Carsten Germann
Paul Mariner (l.) und John Wark feiern den UEFA-Cup-Sieg 1981 mit Ipswich Town
© imago
Cookie-Einstellungen

Doch der Tiefpunkt ist noch nicht erreicht. Im Frühjahr 2006 ist der Besuch einer bunten Reisegruppe aus Deutschland, 90 Fans von Fortuna Düsseldorf und vom FC St. Pauli haben eine 36-stündige Nonsens-Busfahrt von Hamburg nach Ipswich auf sich genommen, um das FA-Cup-Spiel der "Tractor Boys" gegen Leeds United (0:1) zu sehen, für die regionalen Medien wichtiger als die Leistung von Town.

Doch auch der Blitz-Besuch der deutschen Fans kann Ipswich nicht aus dem Stimmungstief holen. Am Saisonende steht - wie auch 2010 und 2013 - mit Rang 15 in der Championship Division die schlechteste Platzierung für Ipswich in dieser Liga in der abgelaufenen Dekade. Ein Meister im Mittelmaß.

Der englische Titelträger von 1962 hat sich von dem tiefen Sturz Anfang der 2000er nie wirklich erholt. Der Einstieg des Investors Marcus Evans im Jahr 2007 hilft dem Verein zwar, finanziell zu überleben, aber sportlich hängt der Klub in der Bedeutungslosigkeit fest.

Roy Keane nur ein Stohfeuer

"Es ist schwierig, die Euphorie nach dem Einstieg von Evans zu beschreiben", sagt der Autor und Ipswich-Fan Terry Hunt zu SPOX, "wir sahen ihn als Retter und in Jim Magilton einen Trainer, der in der Lage schien, das Team in die Premier League zurück zu führen. So kann man sich irren."

Anstatt die Rückkehr in die englische Fußball-Eliteliga zu meistern, trat Ipswich auf der Stelle. Vor allem an der Schaffenszeit des einstigen irischen Weltklassespielers Roy Keane, 2009 bis 2011 Trainer in Ipswich, scheiden sich die Geister.

"Wir Fans waren begeistert, als Keane von Evans verpflichtet wurde", erzählt Terry, "aber auch diese Begeisterung war nur von kurzer Dauer. Keane verkaufte verdiente Spieler wie etwa den hoch talentierten, schottischen Nationalspieler Jordan Rhodes (24), und verdarb es sich relativ schnell im Verein."

Abstieg als Alheilmittel?

Doch die Trainerposition - seit 2012 regiert in Ipswich der bodenständige und bei den Fans immens beliebte Ire Mick McCarthy - ist für Insider wie Hunt nicht ausschlaggebend. Viel mehr fehlt dem Verein wohl der "Hollywood-Faktor", den man 1981, auf dem Höhepunkt der Klubgeschichte, hatte. Zumindest vorübergehend.

"Die größte Frage ist für mich: Warum kann dieser einst so große Verein keine guten Spieler mehr anlocken?", so Hunt, "ich weiß nicht, ob es nur am Geld liegt oder an der Lage - Suffolk ist schließlich nicht London."

Ein Patentrezept scheint Terry, seit mehr als 45 Jahren Ipswich-Fan, nicht zu haben. Er weiß aber, wie es Town wohl definitiv nicht schaffen wird: "Man darf nicht auf die Leute hören, die sagen, dass ein Abstieg in die Drittklassigkeit das Allheilmittel wäre und eine reinigende Wirkung für den ganzen Verein hätte. Das ist absoluter Quatsch!"

75 Millionen Verbindlichkeiten

Auch in der abgelaufenen Saison 2013/2014 kämpfte Town in der Championship Division mit mäßigem Erfolg gegen sein "Graue Maus"-Image.

Coach McCarthy, WM-Teilnehmer mit Irland im Jahr 1990, musste sich ausschließlich auf die Verpflichtung von Leihspielern und ablösefreien Profis beschränken. Die Verbindlichkeiten, die Ipswich gegenüber Evans hat, lagen im August 2013 immer noch bei mehr als 75 Millionen Euro.

"In der vergangenen Saison sind wir eindeutig unter Wert geschlagen worden", sagt Ipswich-Verteidiger Christophe Berra (29) im Rückblick, "wir hatten eindeutig die Ambition, um unter die ersten Sechs zu kommen und um den Premier-League-Aufstieg zu spielen."

"Wir glauben daran"

Obwohl die Rückkehr des klammen Ipswich in die Premier League eine Herkulesaufgabe bleibt, gilt McCarthy vor seinem dritten Jahr an der Portman Road als Hoffnungsträger.

"Der Trainer hat mit einem kleinen Budget einen guten Job gemacht", erklärt der Schotte Berra.

McCarthy selbst hat das Ziel Premier League längst nicht abgeschrieben. "Es ist immer leicht zu sagen, dass man unter die ersten Sechs will", sagt McCarthy, "wir packen es nächste Saison wieder an, haben einen langen Weg vor uns, aber wir glauben daran, trotz aller finanzieller Abhängigkeiten wieder Premier-League-Fußball spielen zu können."

Klingt fast nach einer neuen, filmreifen Geschichte. Nur auf Stallone können sie in Ipswich sicherlich verzichten.

Seite 1: Der Ruf aus Hollywood

Seite 2: Goldene Ära und der Sturz ins Bodenlose

Seite 3: Der endgültige Tiefpunkt und neue Hoffnung dank McCarthy

Artikel und Videos zum Thema