Butt: "Ich bin Kumpel, keine Legende"

Nicky Butt (r.) bestritt insgesamt 269 Spiele für Manchester United und schoss dabei 21 Tore
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Nicky Butt spielte ab 1991 insgesamt dreizehn Jahre lang für Manchester United. Der Mittelfeldspieler ist Mitglied der "Class of '92", der die Red-Devils-Legenden David Beckham, Ryan Giggs, Paul Scholes sowie die Brüder Gary und Phil Neville angehören. Mit ihnen gewann Butt in den 1990er Jahren zahlreiche Tropäen. Im Interview spricht der heutige U-19-Coach ManUniteds über einen Erfolgsfilm mit seinen ehemaligen Teamkameraden, den Einstieg als Jugendtrainer und eines der Probleme der Premier League.

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SPOX: Herr Butt, zusammen mit David Beckham, Ryan Giggs, Paul Scholes und den Brüdern Gary und Phil Neville gehörten Sie in den 1990er Jahren zum Herz von Manchester United und gewannen die Champions League, fünf Meisterschaften und drei Mal den Pokal. Diese Generation ging als die "Class of '92" in die Geschichte ein. Am 1. Dezember letzten Jahres ist eine Film-Dokumentation unter diesem Titel erschienen. Wie kam es dazu?

Nicky Butt: Leute von "Universal" kamen auf uns zu und fragten uns, wie wir die Idee finden. Wir hörten uns deren Vorstellungen an und sahen uns eine Dokumentation über Ayrton Senna an, die sie bereits gemacht hatten an. Die war schon sehr beeindruckend. Dennoch war nicht jeder von uns von Beginn an hellauf begeistert von der Sache. Gary Neville überzeugte uns letztlich alle. Das Ding lief sehr gut an und war schnell die Nummer 1 der englischen DVD-Charts.

SPOX: Welche Botschaft möchten Sie mit dieser Dokumentation vordergründig transportiert sehen?

Butt: Es geht darum, an seine eigenen Ziele zu glauben und sie zu verwirklichen. Unabhängig davon, ob man Fußballer, Journalist oder etwas anderes werden möchte. Wir dienen dazu als eines von natürlich zahlreichen Beispielen auf der Welt. Wir waren zunächst ja lediglich ein paar normale Jungs aus der Gegend um Manchester. Am Ende gewannen wir Trophäen für den größten Klub der Welt und spielten zusammen in der Nationalmannschaft.

SPOX: Wie sehr kam es Ihnen denn damals entgegen, dass sie sich alle schon so lange kannten?

Butt: Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte es auch keine "Class of '92" gegeben. Wir haben uns gegenseitig gepusht, keiner wollte schlechter sein als der andere. Daraus entwickelte sich neben einem gesunden Ehrgeiz auch ein blindes Verständnis auf dem Feld. Jeder wusste intuitiv, was der andere macht, wenn er an den Ball kommt.

SPOX: In dieser Zeit, nämlich als Sie 24 Jahre alt waren, begannen Sie zusammen mit Scholes, Giggs, Roy Keane sowie den Neville-Brüdern mit Ihrer Trainerlizenz. Wie kam es denn dazu?

Butt: Wir waren jung und hatten noch keine eigenen Familien. Nach dem Training am Morgen hatten wir viel Freizeit. Uns war ehrlich gesagt langweilig und als junger Fußballer kann man auch auf blöde Ideen kommen. Wir wollten damit die Zeit töten und bekamen seitens des Vereins das Angebot, damit anzufangen. Dann hatten wir drei, vier Monate lang auch etwas am Nachmittag zu tun (lacht).

SPOX: Damals war also noch nicht klar, dass Sie mit dem Trainerjob auch nach der aktiven Karriere zu tun haben könnten?

Butt: Nein, da steckte kein größerer Gedanke dahinter. Wir fanden, dass es einfach eine gute Idee war. Auch wenn natürlich damals schon viele ehemalige Fußballer später Trainer geworden sind. Die FA hat uns toll unterstützt, wir konnten das meiste am Trainingsgelände von Manchester United absolvieren.

SPOX: Gerade in England starten auch viele Ex-Profis eine Karriere in den Medien, beispielsweise als TV-Kommentator oder -experte. War das nichts für Sie?

Butt: Nein, das wäre nicht mein Ding gewesen. Es gab nach dem Karriereende ein paar Optionen, die ich mir überlegt hatte. Ich bin letztlich im Oktober 2012 zu United zurückgekehrt, um mich als Trainer zu verwirklichen. Mittlerweile habe ich alle nötigen Lizenzen in der Tasche.

SPOX: Zwischen Ihrem Karriereende und dem Re-Start bei ManUnited lag mehr als ein Jahr. Wie haben Sie diese Zeit verbracht?

Butt: Ich habe mir eine Auszeit genommen und war viel mit meiner Familie unterwegs. Das war unheimlich wichtig für mich, da ich endlich mal Winterpause hatte. Wir waren beim Skifahren, haben die Ferien miteinander verbracht oder Dinge unternommen, für die während des Profidaseins keine Zeit blieb. Damit war erst Schluss, als mich Sir Alex Ferguson anrief. Er wollte, dass ich zum Klub zurückkehre.

SPOX: Was haben Sie dann zu Beginn bei United genau gemacht?

Butt: Ferguson wollte mich schon in erster Linie als Trainer haben. Es ging aber damit los, dass ich mich in vielen Bereichen des Klubs umgesehen habe. Ich war gewisse Phasen lang beim Training der ersten Mannschaft dabei, dann beim Reserveteam, bei den Jugendmannschaften und auch in der Akademie. Letztlich bin ich bei der U 19 hängen geblieben. Die Anfangsphase war sehr gut, um einfach umfangreich zu beobachten und zu lernen.

SPOX: In der letzten Saison waren Sie noch bei der U 21. War es nun David Moyes' Idee, Sie die U 19 coachen zu lassen?

Butt: Nein. Es ging vielmehr darum, dass wir in der letzten Saison noch gar keine U 19 hatten. Nun startete jedoch die UEFA Youth League und United war als eines der Teams, das an der Champions-League-Gruppenphase der Profis teilnahm, deshalb auch dort spielberechtigt. Das Problem war: Anders als in Deutschland, wo der Stichtag für die Einteilung in die Altersklassen von Januar bis Januar reicht, läuft dies in England von September bis September. Daher riefen wir eine neue U 19 ins Leben, die sich aus Spielern der U 21 und der U 18 speist.

SPOX: Sie haben nun ein wenig Erfahrung im Umgang mit jugendlichen Fußballspielern hinzugewonnen. Wie sehr ähnelt diese Job der Erziehung der eigenen Kinder?

Butt: Ich glaube, es ist einfacher, seine eigenen Kinder zu erziehen (lacht). Mir macht es grundsätzlich einfach Spaß, den Jungs bei ihrer Entwicklung zuzuschauen und zu helfen. Es fällt mir vom Typ her nicht schwer, mit ihnen zu arbeiten, auch wenn es hin und wieder auch strenger zur Sache gehen muss. Ich war sieben Jahre von United weg, für den absoluten Großteil der Jungs bin ich also Kumpel und keine Legende. Sie arbeiten alle wirklich hart, um eines Tages ihren großen Traum zu verwirklichen. Das erinnert mich natürlich auch an meine eigene Jugend und macht für mich auch den Reiz aus.

SPOX: Welche Ambitionen haben Sie denn als Coach?

Butt: Ich möchte einmal Profi-Trainer werden, befinde mich aber jetzt noch voll in der Lernphase. Ich habe auch keinen Zeitrahmen, in dem meine Entwicklung als Trainer voranschreiten muss. Ich gehe das ganz in Ruhe an. Was die Zukunft in dieser Hinsicht bringen wird, ist für mich im Moment noch nicht so wichtig.

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SPOX: Wie gravierend sind denn die Unterschiede zwischen Ihrer Zeit als Jugendspieler und heutzutage?

Butt: Was die grundsätzliche Philosophie von Manchester United angeht, hat sich in meinen Augen nichts verändert. Die Umgebung, in der die Spieler ausgebildet werden, ist nun jedoch eine vollkommen andere. Das Trainingsgelände ist riesig. Wir haben uns früher fast schon einen Platz mit den Profis teilen müssen. Das hatte jedoch auch den Vorteil, dass wir uns mit ihnen zusammen umgezogen haben. Da hat man dann schon immer hochgeschaut und hatte sein Ziel quasi täglich vor Augen. Heute ist das Gelände auch aufgrund der eigenen Jugendakademie deutlich weitläufiger angelegt. United ist einfach extrem gewachsen.

SPOX: Dieses Wachstum, das in den letzten Jahren auch an anderen Standorten im englischen Profifußball zu beobachten war, bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Durchlässigkeit nach oben für Spieler aus der eigenen Jugend gestiegen ist. Wo liegt da das Problem?

Butt: In der Premier League ist eine Menge Geld im Umlauf, der Druck auf die Vereine und die Anforderungen an die Trainer sind teilweise riesig. Das geht leider auf Kosten der Geduld, die es aber nun einmal braucht, um eigene Jugendspieler für das Top-Niveau zu entwickeln. Die durchschnittliche Zeit, die sich ein Trainer in England hält, beträgt ja nicht einmal ein Jahr. Es geht immer um sofortigen Erfolg, alles muss hier und jetzt passieren. Die Vereine, bei denen die Durchlässigkeit am größten ist, sind gleichzeitig auch diejenigen, die wirtschaftlich am schwächsten auf der Brust sind.

SPOX: Wird sich das denn jemals ändern?

Butt: Nein. Der Stand der Dinge, wie ich ihn gerade beschrieben habe, wird sich immer weiter nach oben ausweiten. Es muss sich aber etwas ändern, definitiv.

SPOX: Wie? Machen Sie einen Vorschlag.

Butt: Es sollte eine Regel werden, dass in jedem Mannschaftskader vier oder fünf selbst ausgebildete Spieler stehen müssen. Und diese vier oder fünf Spieler müssen dann auch eine bestimmte Anzahl an Spielen, sagen wir 15 bis 20, innerhalb einer Saison absolviert haben.

Nicky Butt im Steckbrief

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