"CL-Finale hat Eindruck hinterlassen"

Sascha Riether ist bei Fulham unumstrittener Stammspieler
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SPOX: Was hat Sie bisher in der Premier League am meisten beeindruckt?

Riether: Auf Liverpool und die Anfield Road war ich schon immer gespannt. Es war ein beeindruckender Moment, als Spieler rauszugehen und You'll never walk alone zu hören. Noch mehr hat mich aber der gegenseitige Respekt zwischen Fans und Spielern beeindruckt, der ist viel höher als in Deutschland. In Liverpool sind wir als erste Mannschaft zum Aufwärmen rausgekommen und das ganze Stadion hat applaudiert. Ich habe gedacht, ich bin im falschen Film. Für 90 Minuten bist du als Gegner der Feind. Aber davor und danach zollen sie dir Respekt. Die Fans honorieren den Einsatz, auch wenn du am Ende verlierst.

SPOX: Das kommt Ihrer Spielweise entgegen.

Riether: Die Fans mögen mich, weil ich immer 100 Prozent gebe. Das kommt ganz gut an.

SPOX: Wie gefällt Ihnen die Atmosphäre im altehrwürdigen Craven Cottage?

Riether: Spiele im Craven Cottage sind ein Erlebnis. Man kann es nicht mit den Stadien in Deutschland vergleichen, wo alles neu und hightech ist. Hier sind viele Stadien etwas älter, kleiner und traditioneller. Das bringt ein besonderes Flair.

SPOX: Der Trend in der Premier League geht zum Deutschen. Was schätzen die Engländer an deutschen Spielern?

Riether: Die Engländer haben großen Respekt vor dem deutschen Fußball. Die Spieler, die in der Premier League spielen, machen einen guten Job und das Champions-League-Finale zwischen Bayern und Dortmund hat auch Eindruck hinterlassen. Ich denke, dass bald noch ein paar Deutsche auf der Insel hinzukommen werden. Ich kann allen nur sagen: In England geht es nicht immer so streng zu wie in Deutschland.

SPOX: Es geht nicht immer so streng zu?

Riether: In Deutschland ist alles strikter, in England ist mehr Easy Going. Sei es jetzt auf dem Platz oder in der Kabine. Wenn du in Deutschland in der Kabine das Handy angefasst hast, gab es gleich eine Strafe, hier telefoniert jeder. In Deutschland muss jeder pünktlich sein, hier kommt der eine drei Minuten später, der andere fünf und es interessiert keinen. Manchmal kommt einem das schon komisch vor, weil man noch im deutschen Denken drin ist. Aber es funktioniert trotzdem alles und wenn der Schiri pfeift, geben alle Vollgas.

SPOX: In England soll es ja auch bei Teamabenden etwas lockerer zugehen...

Riether: Insgesamt wird mit dem Team in Deutschland mehr unternommen, da gibt es öfter mal einen Mannschaftsabend. Zumindest in Fulham ist alles etwas distanzierter. Wir gehen immer zur Weihnachtszeit gemeinsam raus, aber dann richtig...(lacht)

SPOX: Es gibt ja auch dieses Harlem-Shake-Video, in dem Sie mit Schwimmreifen und Badekappe zu sehen sind. Wie kam das zustande?

Riether: Das war eine super witzige Aktion. Nach einem Tag hatten wir zwei Millionen Klicks, den Leuten hat's offensichtlich auch gefallen. Die Engländer im Team haben die ganzen Sachen mitgebracht und wir haben uns dann etwas herausgepickt. Es hat richtig Spaß gemacht, die Kollegen in den Kostümen zu sehen.

SPOX: Wo Sie auch in ungewöhnlichem Outfit zu sehen sind, ist das berühmte Bild von Mesut Özil mit Kanzlerin Angela Merkel nach dem Länderspiel gegen die Türkei 2010.

Riether: Wir waren in der Dusche und dann hieß es: die Kanzlerin kommt. Wir haben uns dann alle noch schnell ein Handtuch umgeworfen und gehofft, dass es nicht rutscht. Die Kanzlerin hat sich dann mit jedem kurz unterhalten und uns beglückwünscht. War nett.

SPOX: Ihr letztes Länderspiel haben Sie 2010 gemacht. Deutschland hat aber keinen klassischen Rechtsverteidiger außer Philipp Lahm, der zuletzt immer häufiger im Mittelfeld eingesetzt wurde. Hoffen Sie noch auf eine Berufung?

Riether: Es gab seit meinem letzten Länderspiel keinen Kontakt mit dem Bundestrainer. Ich habe mich damals leider verletzt und andere Spieler sind in dieser Zeit aufgekommen. Ich mache mir aber auch keine Gedanken und keinen Druck. Ich bin immer gut damit gefahren, im Verein Gas zu geben und dann zu schauen, was passiert. Bisher hat das in Fulham ganz gut geklappt. Die Fans haben mich zum Spieler der Saison gewählt und ich war in allen möglichen Top-11-Auswahlen. Ich habe mir hier in England einen guten Namen gemacht. Man muss aber auch dazusagen, dass die Qualität der deutschen Nationalmannschaft schon enorm ist und ich nicht mehr der Jüngste bin.

SPOX: Eine Rückkehr nach Deutschland hätte Ihre Chancen vielleicht erhöht. Vor der Saison war ein Wechsel nach Schalke im Gespräch, Sie haben schließlich in Fulham verlängert.

Riether: Wir hatten Gespräche mit Schalke, die Champions League wäre auch nicht übel gewesen, aber es hat dann nicht geklappt. Ich fühle mich auch sehr wohl in Fulham, deshalb habe ich meinen Vertrag verlängert. Den Fußball in der Premier League mag ich, es macht Spaß.

SPOX: Eine Rückkehr nach Deutschland ist aber nach wie vor vorstellbar?

Riether: Klar. Ich bin jetzt zwölf Jahre dabei und will solange spielen, wie es der Körper zulässt. Aber aktuell bin ich zufrieden in Fulham.

SPOX: Wie oft sind Sie noch in Deutschland?

Riether: Ich bin ab und zu in Köln oder in der Heimat bei meinen Eltern. Die Entfernung ist ja nicht so tragisch. Der Weg zum Flughafen dauert meistens länger, als der eigentliche Flug. Auch den deutschen Fußball verfolge ich genau, vor allem meine ehemaligen Vereine.

SPOX: Da ist ja in dieser Saison alles dabei.

Riether: Das stimmt. Köln wird wohl aufsteigen. Wolfsburg hat sich gemacht, das internationale Geschäft ist drin. Freiburg hat einen Durchhänger, aber es war klar, dass es eine schwere Saison wird.

SPOX: Freiburg hat insgesamt unter Christian Streich eine erstaunliche Entwicklung genommen. Er war auch Ihr Jugendtrainer, was ist er für ein Typ?

Riether: Er ist sehr bodenständig, typisch für Freiburg, aber ein akribischer Arbeiter. Er arbeitet 24 Stunden, er ist so fokussiert auf den Erfolg und will immer das Beste aus jedem herausholen. Auch die Jugendspieler, die es nicht in den Profifußball geschafft haben, sagen alle, dass er einer der besten Trainer ist, den sie je hatten. Ich habe noch sehr guten Kontakt zu ihm, wir treffen uns auch immer nach der Saison. Und wenn ich in Freiburg bin, gehe ich zum Training und wir trinken danach einen Kaffee zusammen und tauschen uns aus.

SPOX: Haben Sie ihm den Sprung in den Profifußball zugetraut?

Riether: Ich habe ihm das immer zugetraut und war überrascht, dass der SC das nicht früher probiert hat. Er hat riesiges Potential. Die Frage, ob er die Umstellung von Nachwuchs- auf Profifußball packt, hat er bravourös beantwortet. Er kommt mit seiner Art gut an und bleibt sich treu. Das Wichtigste aber ist, dass er eine super Arbeit leistet. Wenn man sieht, wie viele junge Spieler er immer rausbringt, diese Leistung ist angesichts der Möglichkeiten bemerkenswert.

Sascha Riether im Steckbrief

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