The Teilzeit-Happy-One

Von Raphael Honigstein
Jose Mourinhos Rückkehr erweist sich bisher noch nicht als Traumbeziehung
© getty

Jose Mourinho wurde bei seiner Rückkehr an die alte Wirkungsstätte frenetisch gefeiert. Doch der Einstand an der Stamford Bridge verlief holprig. Sowohl mit seinen Spielern als auch mit den Medien scheint der Portugiese nicht immer auf einer Wellenlänge zu sein. Könnte das Traumverhältnis bald schon wieder beendet sein?

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Am Mittwochabend machte Chelsea-Coach José Mourinho seinem neuen Spitznamen endlich einmal alle Ehre. Der Portugiese vollzog zwar nach dem 4:3-Sieg beim FC Sunderland keine Freudensprünge, wirkte aber dennoch tief zufrieden und ja: richtiggehend happy über die Leistung der eigenen Elf. "Wir haben phänomenal gespielt, das war das beste Spiel überhaupt von uns auswärts", sagte der 50-Jährige im Stadium of Light.

"Wir waren kreativ und dynamisch und wir hatten einen besonders guten Hazard", fuhr Mourinho fort, "Eden war von der ersten bis zur letzten Minute fantastisch." Zu Beginn der Saison hatte der Coach von seinem belgischen Flügelspieler noch mehr Konstanz und Laufbereitschaft eingefordert, das seltene Lob wird sich in den Ohren des doppelten Torschützen umso schöner angehört haben.

Mourinho war so begeistert von dem Sieg seiner Blues, dass er sogar die drei Gegentore nach Standards mit einem Schmunzeln im Mundwinkel als Banalität abtat. "Wir haben heute hervorragend verteidigt und alles unter Kontrolle gehabt, bis auf die drei Standardsituationen", sagte er milde, "das geht natürlich nicht. Wenn Sunderland noch zwei Ecken mehr gehabt hätte, hätten sie wahrscheinlich 5:4 gewonnen."

Lustlos und griesgrämig statt happy

Mourinho mit Sinn für Humor und Ironie - diesen Tag strichen sich die englischen Reporter rot im Kalender an. Bisher war der Rückkehrer an die Stamford Bridge eher mit ausgemachter Griesgrämigkeit aufgefallen - jener "Sternenstaub", den Liga-Chef Richard Scudamore dem Trainer aus Setúbal vor Saisonbeginn attestiert hatte, hatte man vergeblich gesucht.

Mourinho wirkte bis zum Sieg in Sunderland bis auf ein paar wenige lichte Momente tatsächlich genauso übellaunig und paranoid, wie vor seiner Entlassung im September 2007. Das Leichte, das Charmante - wichtige Qualitäten, die ihm zusammen mit der obsessiven Arbeit und dem unbedingten Siegeswillen Kultstatus an der Themse verschafft hatten, schien er während der unglücklichen Zeit bei Real Madrid verloren zu haben. Zu den lustlosen Auftritten passten die modischen Outfits. Ein dunkler Mantel verströmte früher Weltläufigkeit und Eleganz; heute sieht die Kombination aus Stoppelbart, Do-it-yourself-Haarschnitt, Trainingsanzug und Mini-Plauze doch eher nach Hausmeister aus.

Kleinkrieg mit Kollegen

Typisch für seine Unentspanntheit war die Reaktion nach dem überaus glücklichen 2:2 gegen West Bromwich Albion vor zwei Wochen. Als es im Anschluss an das Heimspiel einen Streit im Spielertunnel gab, beleidigte Mourinho den WBA-Kicker Jonas Olsson als "Mickey-Mouse-Spieler". In den Tagen danach beschwerte er sich, dass Schiedsrichter-Obmann Mike Riley sich in einem Telefonat bei West-Brom-Trainer Steve Clarke für den falschen Pfiff des Kollegen in jener kontroversen Partie entschuldigt hatte.

Referee Andre Marriner hatte Chelsea in der Nachspielzeit einen Witzelfmeter zugestanden, den niemand lustig fand. "Vielleicht ruft Mr Riley in Zukunft alle Trainer an..." sagte Mourinho verärgert, und schickte die nächste Verunglimpfung hinterher. "Riesenspieler, Riesentrainer und Riesenvereine reden nicht darüber, was im Spielertunnel passiert", giftete er, anscheinend mit leichtem Gedächtnisschwund. Im Frühjahr 2005 hatte er als Chelsea-Trainer fälschlicherweise von einer Unterhaltung von Schiedsrichter Anders Frisk mit Barcelona-Trainer Frank Rijkaard berichtet und war darauf von der UEFA gesperrt worden.

Kader passt nicht zur Philosophie

Es ist schwer zu sagen, warum Mourinho bis vor kurzem alles andere als "The Happy One" war. Wahrscheinlich war er einfach nur unzufrieden mit den langsamen Fortschritten seines Teams. Anders als bei seiner ersten Amtsperiode, als Chelsea 2004/05 im Herbst die Tabellenführung übernahm und die Liga fortan fast nach Belieben dominierte, hecheln die Blues konstant dem FC Arsenal hinterher.

Chelsea gab viele Punkte leichtfertig ab, verlor mit schläfrigen Auftritten zwei Mal gegen Basel in der Champions League und insgesamt hatte man den Eindruck, dass der um maximale Kontrolle und ein defensives Bollwerk bemühte Trainer und sein mit vielen Technikern und Ballkünstlern bestückter Kader nicht so recht zusammen fanden. Mourinho kündigte zwar an, nicht mehr mit langen Bällen spielen zu wollen - es gibt ja keinen Didier Drogba mehr - aber der große, neue Ansatz war noch nicht zu erkennen. Im Sturm fehlt die absolute Top-Qualität und im zentralen Mittelfeld die Power, um Mannschaften zu überrennen.

So hängt vieles von den Launen und Leistungsschwankungen der Flügelspieler oder Zehnern ab - von Granden wie Oscar, Juan Mata oder Hazard, die sich vom Typ her nicht zu jener fußballerischen Fronarbeit eignen, die Mourinho von seinen Spielern am liebsten sieht. Kein Wunder, dass David Luiz mit seiner sorglosen, verspielten Art überhaupt nicht ins Konzept passt. Der Trainer ließ vor zehn Tagen verbreiten, dass er den Brasilianer zu verkaufen gedenke. Mit dem Spanier Mata, so der Verdacht, wird er auch nicht warm.

Kein Frieden bei Chelsea

Die nächsten Spiele und vor allem der große Showdown gegen Tabellenführer Arsenal am 23. Dezember werden zeigen, ob seine Hochstimmung mehr als eine Momentaufnahme war. Den Chelsea-Fans ist es zwar vollkommen egal, wie sich "Mou" verhält - gemocht zu werden war noch nie eine Priorität im Westen der Hauptstadt - aber wenn er nicht dauerhaft zur alten Souveränität zurückfindet, kann man sich ein längerfristiges Wirken am Hofe von Roman Abramowitsch schwerlich vorstellen.

Vielleicht ist sich der Portugiese nach all den sommerlichen Versprechen, zukünftig für "Nachhaltigkeit" und "Stabilität" einzustehen, mittlerweile selbst auf die Schliche gekommen. "Ich brauche Zeit zum Arbeiten", sagte er neulich, "aber ich will nicht sagen, dass ich Frieden brauche. Denn wenn einer nicht gerne friedlich arbeitet, dann bin ich das."

Jose Mourinho im Steckbrief