Der Ingenieur

Von Fatih Demireli
Manuel Pellegrini hat bei Manchester City für drei Jahre unterschrieben
© getty

Manuel Pellegrini tourt mit Manchester City derzeit in Südafrika, um sich auf die Saison vorzubereiten. Es ist die Vorbereitung auf eine Saison, für die es einen klaren Auftrag gibt. Der lautet: Champions-League-Sieg. Der frühere Trainer von Real Madrid hat viele Argumente auf seiner Seite - und prominente Fürsprecher.

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Irgendwann muss auch mal Schluss sein, dachte sich Manuel Pellegrini und ergriff die Initiative an einem Tag, als er die Zeichen sah, dass seine Zeit gekommen war. Er war nun schon 14 Jahre lang Defensivstratege von Universidad Chile, lange 14 Jahre Quarterback des bedeutendsten Klubs des Landes.

Es war im Pokalspiel gegen Cobreandino. Universidads Torhüter wehrte einen Ball unglücklich ab, Pellegrini musste per Kopf klären. Eine Übung, die Manuel schon unzählige Male vollbracht hatte. Ein Kinderspiel also. Nur diesmal misslang die Aktion, weil im Hintergrund ein 17-jähriger Jungspund einen halben Meter höher sprang und den Ball ins Tor köpfte.

Der Aufbauhelfer

"In dem Moment war für mich klar, dass ich aufhöre. Ich dachte: Jetzt spiele ich nicht mehr", erinnert sich Pellegrini. Kurze Zeit später beendete er seine Karriere. Der besagte 17-Jährige machte dieses Höherspringen später zu seinem Markenzeichen und verkam zu einem der besten Stürmer der Welt. Es war kein anderer als Ivan Zamorano, später unterwegs bei Real Madrid und Inter. "Hätte ich das gewusst, dass der Junge so viel drauf hat, hätte ich noch ein bisschen weitergemacht", sagt Pellegrini.

Während Zamorano weiter wild herumköpfte, war Pellegrini längst schon aufgebrochen, neue Welten kennen zu lernen. Er machte seinen Abschluss als Diplom-Bauingenieur, half als solcher mit beim Wiederaufbau Algarrobos: Eine Hafenstadt in Chile, die ein Erdbeben der Stärke 8 verwüstet hatte.

Als es in Algarrobo nichts mehr zu tun gab, traf Pellegrini eine Entscheidung, die für damalige Verhältnisse nicht üblich war. Er machte sich nach England auf, um einen Trainerlehrgang der englischen Football Association zu absolvieren. Die südamerikanische Trainerschule ist selbst eine Weltmarke, die heute noch internationale Anerkennung erfährt. Viele erachteten es damals als unnötig, von den Europäern lernen zu wollen. Pellegrini sah es anders, er wollte etwas Neues kennenlernen, neue Erfahrungen machen.

Hospitanz bei Sir Alex

Die FA schickte ihre Kursteilnehmer durch das Land, um die Praxis vor Ort zu erlernen. So landete Pellegrini unter anderem auch bei Alex Ferguson, der bei Manchester United in den späten 1980ern bei weitem nicht den Status späterer Jahre innehatte und um seinen Job kämpfen musste. Dennoch war es eine gute Erfahrung für den Südamerikaner. Bei einem UEFA-Trainerlehrgang vor wenigen Jahren erinnerte er Ferguson an seine Hospitanz. "Er kann sich an die Zeit erinnern", sagt Pellegrini mit einem Lächeln, "aber ich weiß nicht, ob er sich wirklich an mich erinnert hat."

Pellegrinis und Fergusons Weg hätte sich nun ein drittes Mal kreuzen können. Das Duell auf dem Platz fällt jedoch aus. Ferguson hat nach Jahrzehnten als Trainer von Manchester United aufgehört, während Pellegrinis Zeit in der Premier League erst jetzt beginnt. Manchester Citys neuer Trainer soll seine Fähigkeiten als Ingenieur bei den Citizens einsetzen, damit sich der Erfolg einstellt, den man sich dort wünscht.

Die Klub-Bosse dachten bei der Trainerauswahl äußerst pragmatisch. Sie suchten einen Trainer, der nachweislich Erfolg in der Champions League hatte und noch haben kann. Da Josep Guardiola früh absagte und auch Jose Mourinho nicht zu haben war, fiel die Wahl auf Pellegrini. Der Chilene nahm als Trainer bisher zwei Mal an der "Königklasse" teil, führte den FC Villarreal 2006 ins Halbfinale und den FC Malaga 2013 ins Viertelfinale. Grund genug, den erfahrenen Coach zu verpflichten.

Gruß an Mancini

Der Auftrag ist unmissverständlich: Pellegrini soll möglichst in absehbarer Zeit die Champions League gewinnen. "Der Klub braucht diesen Titel", sagt der neue Mann. "Aber zunächst ist es mal wichtig, die Gruppenphase zu überstehen." Zwei Mal in Folge hat Manchester City die Vorrunde trotz horrender Investitionen in den Spielerkader nicht überstanden.

Ein kleiner Affront Pellegrinis gegen seinen Vorgänger Roberto Mancini, der City jüngst die Qualität absprach, die Champions League zu gewinnen. "Manchester City ist ein bisschen wie Juventus. Sie wachsen, aber sind immer noch hinter den Top-Klubs in Europa", sagte der Italiener. Und: "Um die Champions League zu gewinnen, braucht man Erfahrung und den richtigen Kader."

Dass Mancini bei City dafür verantwortlich war, den "richtigen Kader" zusammenzustellen, verschweigt er. "Ich war total überrascht, dass City letztes Jahr die Gruppenphase nicht überstanden hat", sagt Pellegrini. "Der Kader hatte absolut die Qualität dazu." Und wieder ein Nadelstich gegen seinen Vorgänger.

"Nie Zweifel an seine Qualität"

Der ruhige Pellegrini feilt seit seinem Einstand bei City an seinem Profil. Nicht wenige hegten Zweifel an der Entscheidung des Klubs, einen Trainer zu verpflichten, der bei seinem bisher einzigen Versuch, einen europäischen Großklub zu managen, nach einem Jahr entlassen wurde. 2009 übernahm er die Nachfolge von Juande Ramos bei Real Madrid, wurde aber wie zahlreiche andere Trainer der unruhigen Post-Del-Bosque-Ära schnell wieder gefeuert. Ausgerechnet der Mann, der ihn damals zu den Königlichen holte und später wieder entließ, schwärmt jetzt aber in den höchsten Tönen.

"Er hat bei Real eine ideale Art und Weise der Führungskraft an den Tag gelegt", sagt Real Madrids früherer Sportdirektor Jorge Valdano. "Es gab bei uns nie Zweifel an seiner Qualität und er wird bei City erfolgreich sein, wenn man ihm die Zeit und die Mittel gibt."

Es dürfte an beiden Faktoren nicht scheitern. Zwar will Geldgeber Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan nicht mehr ganz so viel in Transfers investieren wie in den letzten Jahren, aber die ersten Neuzugänge suggerieren, dass sich Pellegrini weiter bedienen darf. Dass Mancini trotz vieler Widerstände vier Jahre im Amt blieb, zeigt, dass der Klub einem Konzept Glauben schenken und den Trainer verhältnismäßig in Ruhe arbeiten lassen kann.

Die Ansage des City-Geschäftsführers Ferran Soriano, wonach Pellegrini fünf Titel in den nächsten Jahren gewinnen müsse, lässt Pellegrini kalt. "Ferran wollte damit zum Ausdruck bringen, dass wir um jeden Titel kämpfen müssen. Und das werden wir versuchen. Ich spüre da keinen Druck."

Erfolge in Argentinien

Letzteres ist ihm ohnehin ein Fremdwort. "Wenn du in Argentinien trainieren kannst, kannst du überall trainieren", sagt Pellegrini und verweist auf seine Zeit in San Lorenzo, aber vor allem bei River Plate, wo er Meister wurde und den Klub ins Finale der Copa Sudamericana führte. Sie danken ihm heute noch für die Erfolge. Spätestens seither ist er eine große Nummer in der spanisch sprechenden Fußball-Welt. Der Sprung nach Europa glückte direkt im Anschluss, als ihn der FC Villarreal holte.

Der sehr südamerikanisch angehauchte Fußball funktionierte in der Primera Division und erfreulicher Weise auch in der Champions League. So war Pellegrini womöglich der einzige Trainer, der den in Europa als gescheitert geltenden Juan Ramon Riquelme glänzen ließ.

Der offensiven Fußball-Philosophie hat der ehemalige Defensivmann Pellegrini immer die Treue gehalten. Beim FC Malaga hatte er nach anfänglichen Finanzspritzen und einem späteren Kollaps unter völlig unterschiedlichen Voraussetzungen zu arbeiten, doch eine Konstante blieb: die Ästhetik seines Spiels.

Ein wenig davon erhofft man sich in Manchester nach Jahren des eher schnöden Ergebnisfußballs unter Mancini. "Eigentlich ist es nicht wichtig, wie wir taktisch spielen. Wichtig ist, dass wir spielen wie ein großes Team und nicht wie ein kleines Team", sagt Pellegrini.

Guter Umgang

Seine Devise: "Wir wollen in der gegnerischen Hälfte spielen. Unser Plan ist nicht, ein Tor zu schießen und uns dann zurückzuziehen und zu kontern. So machst du dich vom Gegner abhängig. Nein, wir wollen das zweite Tor schießen." Wieder ein Gruß an die Vergangenheit, wobei er gleich einlenkt: "Ich sage nicht, dass es vorher so war."

Pellegrinis großer Vorteil ist seit jeher, dass ihm seine Spieler Vertrauen schenken und taktische Belange schnell zum Einzelnen durchdringen. "Die Art, wie er mit seinen Spielern umgeht, ist sensationell", sagt Robert Pires. Der Franzose war Pellegrinis Spieler bei Villarreal. Er kommt aus dem Schwärmen noch heute nicht heraus: "Wir hatten die Freiheit, mit ihm über alles zu reden. Er ist nicht nur ein Trainer, sondern auch ein guter Zuhörer."

Wenn er in Manchester die Kommunikation nur halb so gut bewerkstelligt wie bei seinen bisherigen Klubs, hätte der Chilene schon eine Menge erreicht. Seinem Vorgänger sagte man Schwierigkeiten im Umgang mit eigenwilligen Stars nach. Mario Balotelli und Carlos Tevez haben Manchester in diesem Jahr verlassen. Dass Ingenieur Pellegrini die beiden gehalten hätte, ist nun aber wirklich reine Spekulation.

Manuel Pellegrini im Steckbrief