"Ich habe mich 40 Tage auf Gomez vorbereitet"

Von Interview: Thomas Gaber
Triumph in München: David Luiz wurde 2012 mit dem FC Chelsea Champions-League-Sieger
© Getty

Seit 2011 spiellt David Luiz für den FC Chelsea. In der letzten Saison gewann der Brasilianer den FA Cup und die Champions League. SPOX traf Luiz in Barcelona anlässlich von Nike The Chance 2012 und sprach mit ihm über seinen Werdegang zum Profi, das Final-Drama gegen den FC Bayern und die neuen Blues.

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SPOX: David, Sie haben die 100 Teilnehmer von The Chance besucht. Wann haben Sie für sich beschlossen, Profifußballer zu werden?

David Luiz: Seit ich denken kann, wollte ich Fußballer werden. Am Anfang lief es aber nicht wirklich gut für mich. Ich bin bei vielen Scoutings durchgefallen. Ich habe aber immer an mich geglaubt und auf die goldene Chance gewartet. Als ich im Januar 2007 von Benfica für ein halbes Jahr ausgeliehen wurde, habe ich gewusst: 'Jetzt hast du sechs Monate Zeit, es den Leuten und dir selbst zu beweisen. Das war meine goldene Chance - und ich habe sie genutzt. Ich habe es mit viel Fleiß, einem gewissen Talent und natürlich auch Glück geschafft. Ich kann allen jungen Fußballern, die es noch nicht geschafft haben, nur raten, es immer wieder zu versuchen. Arbeit zahlt sich irgendwann aus; wenn es hier nicht klappt, dann wird es dort klappen.

SPOX: Ein Jugendtrainer von Ihnen hat mal gesagt: 'Der Luiz war früher zerbrechlich.' Was meint er damit?

Luiz: Ich war damals 14, als mir mein damaliger Klub offeriert hat, ich würde es nicht zum Profifußballer schaffen, weil ich nicht genug Mumm hätte und Rückschläge nicht verkraften könne. Es war eine schwierige Zeit damals. Ich bin mit 14 zuhause ausgezogen. Meine Eltern hatten kein Geld, um mich zu unterstützen und mir die langen Reisen in Brasilien zu Fußballturnieren oder zu einem neuen Klub zu bezahlen. Ich bin öfters 16 Stunden im Bus gefahren von meiner Heimatstadt Bahia nach Sao Paolo. Einmal habe ich meine Mutter gefragt, ob sie mir ein Flugticket bezahlen könnte. Ich habe versprochen, ihr das Geld irgendwann zurückzuzahlen. Sie hat das Geld tatsächlich aufgetrieben und hat die Raten anschließend zurückgezahlt - 30 Monate lang.

SPOX: Inwieweit hat Ihnen der "Rauswurf" damals aus ihrer Jugendmannschaft in Ihrer weiteren Karriere geholfen?

Luiz: Bei aller Passion für den Fußball habe ich sehr früh erkannt, dass Fußball nicht alles ist im Leben und auch gar nicht sein kann. Und ich wusste, dass es im Fußball auch immer wieder Enttäuschungen geben kann. Ich habe Rückschläge auch immer positiv gesehen. Sie machen einen stärker. Meine Familie hat mir dabei sehr geholfen.

SPOX: Bevor Sie zu Chelsea kamen, haben Sie in Brasilien und Portugal gespielt.

Luiz: Was mir sehr geholfen hat. In Brasilien wird sehr viel Wert auf die individuelle Stärke gelegt; das Schöne am Fußball steht im Vordergrund. Die Spieler, die in Europa groß werden, werden sehr früh mit taktischen Dingen konfrontiert. Ich habe beides gelernt und das hilft enorm. Fußball ist eigentlich recht simpel: Im Prinzip sprechen alle die gleiche Sprache. Es geht darum, innerhalb der vier Linien auf dem Platz besser zu sein als der Rest.

SPOX: Was Chelsea in der letzten Saison nicht immer gelungen ist. Aber als es drauf ankam, schon. Wie ist das zu erklären?

Luiz: Wir kamen in der Liga irgendwie nicht in die Gänge und dies wurde unserem Trainer Andre Villas-Boas leider zum Verhängnis. Im März traute uns noch niemand zu, zwei Monate später einen Pokal in den Händen zu halten. Vor dem Halbfinale in der Champions League gegen Barcelona ging es ja nur darum, wie hoch wir in beiden Spielen verlieren würden. Aber wir sind durchgekommen mit viel Herz und Glauben. Wir hatten im Vergleich zu Barcelona natürlich nicht die individuellen Stärken. Aber wir haben als Mannschaft sehr gut funktioniert und gezeigt, was wir drauf haben. Das Finale in München war dann natürlich die Krönung.

SPOX: Obwohl Chelsea 120 Minuten unterlegen war...

Luiz: Wir hatten im Grunde ja ein Auswärtsspiel. Die Bayern haben in ihrem Stadion gespielt und hatten dort sehr lange nicht mehr verloren. Letztlich ist es aber auch egal, welche Mannschaft ein Spiel bestimmt; am Ende hatten wir den Pokal und darum geht es in Finals.

SPOX: Sieben Minuten vor Schluss schien dennoch alles gegen Chelsea zu laufen.

Luiz: Wir sind nach dem 1:0 der Bayern dennoch ruhig geblieben. Es gab in der Vergangenheit viele verrücke Dinge im Fußball und wir wussten, also ich wusste es zumindest, dass wir noch eine Chance kriegen würden, auszugleichen. Das hat ja dann dank Didier auch geklappt. Und im Elfmeterschießen hatten wir mehr Glück als die Bayern.

SPOX: Sie waren vor dem Finale länger verletzt. Stand für Sie immer fest, dass Sie dieses Champions-League-Finale spielen werden?

Luiz: Ich wollte es unbedingt. Es war natürlich eine schwierige Situation für mich. Ich wusste, dass mir die Spielpraxis fehlen würde. Das Champions-League-Finale ist das Größte, was es im Vereinsfußball gibt. In dieses Spiel zu gehen ohne die nötige Spielpraxis nach einer Verletzung ist nicht gerade ideal. Aber immerhin hatte ich genug Zeit, mich auf die Bayern vorzubereiten.

SPOX: Wie haben Sie das denn gemacht?

Luiz: Ich wusste ja, dass Mario Gomez Bayerns Stürmer Nummer eins war und er auch im Finale spielen würde, wenn er sich nicht verletzt. So habe ich mich knapp 40 Tage auf Mario vorbereitet. Ich habe ihn in vielen Videoanalysen studiert. Seine Laufwege, seine Stärken im Abschluss, sein Zusammenspiel mit Ribery und Robben. Es hat ganz gut funktioniert, immerhin hat Mario im Finale kein Tor geschossen. (schmunzelt)

SPOX: Abgesehen von der Niederlage gegen Manchester City im Community Shield hat die neue Saison für Chelsea so begonnen, wie die alte aufgehört hat: mit Erfolgen. Drei Premier-League-Spiele, drei Siege. Ist Chelsea in dieser Saison sogar stärker, trotz des Abgangs von Didier Drogba?

Luiz: Wir hatten schon letzte Saison eine sehr gute Mannschaft und haben noch sehr gute Spieler dazubekommen. Eden Hazard zum Beispiel hat in den ersten Spielen sehr gut gespielt. Wir haben natürlich nach dem Gewinn der Champions League sehr viel Selbstvertrauen mit in die neue Saison genommen. Wir haben uns in der Sommerpause gegenseitig richtig vermisst. Es war ein tolles Gefühl, die Jungs am ersten Trainingstag endlich wieder zu sehen.

SPOX: Was sagen Sie zu Ihrem Landsmann Oscar? Hat er sich auch gut eingefunden?

Luiz: Ja, er hatte nur ein bisschen Angst vor dem Song, den die neuen Spieler bei Chelsea ja traditionell in der Kabine singen müssen nach ihrer Ankunft. Ich habe ihm gesagt, er soll ein brasilianisches Lied singen, die meisten Spieler bei uns verstehen kein Portugiesisch. Das habe ich damals auch gemacht, als ich kam.

SPOX: Sie haben meine Frage, ob Chelsea in dieser Saison noch stärker ist, noch nicht beantwortet...

Luiz: Das wird sich zeigen. Der Start war schon mal sehr gut, aber das heißt noch gar nichts. Ich kann nur sagen, dass ich mich sehr wohl fühle in dieser Mannschaft, in diesem Klub. Für mich ist Chelsea der beste Verein der Welt.

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