"Ich würde gern gegen Per Mertesacker spielen"

Von Interview: Carsten Germann
Marcus Bent spielte von 2004 bis 2006 bei den Toffees: "Ich bin bis heute ein Fan des FC Everton"
© Getty
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SPOX: 15 Vereine in England und jede Menge Klassespieler haben Sie kennen gelernt. Welchen Spieler würden Sie besonders hervorheben?

Bent: Ich habe mit Leuten wie Mikel Arteta, Tim Cahill, Duncan Ferguson, Les Ferdinand, Thomas Gravesen, Mark Hughes oder Attilio Lombardo (bei Crystal Palace, d. Red.) gespielt. Sie alle hatten großen Einfluss auf mich und mein Spiel.

SPOX: Und wer war der Beste?

Bent: Das war Thomas Gravesen vom FC Everton, der später zu Real Madrid wechselte.

SPOX: Und der sich in Hamburg den Spitznamen ,"Humorbömbe" erwarb...

Bent: (lacht) Oh, ja! Tommy war immer für einen Lacher gut, er war ein echter Typ, eine großartige Persönlichkeit. Ich kann mich jetzt nicht an jeden Witz einzeln erinnern, das würde zu lange dauern. Aber er war immer gut drauf, immer lustig und hatte nie einen schlechten Tag.

SPOX: Welcher Trainer hat Sie am meisten beeinflusst?

Bent: Ich würde sagen, Graeme Souness bei den Blackburn Rovers. Er hat alles sehr einfach für mich gemacht, hat mich nie belogen und war immer offen und ehrlich. Das ist schwer zu erklären, aber ich habe viel von ihm gelernt.

SPOX: Welcher Klub hatte den größten Einfluss auf Sie?

Bent: Oh, Everton! Ich bin heute ein Fan des FC Everton, weil meine Zeit dort einfach fantastisch war. Es ist ein Weltklasse-Klub mit einer außergewöhnlichen Fangemeinde. Die Spieler werden bei den "Toffees" sehr gut behandelt. Wir spielten damals in der Champions-League-Qualifikation und im UEFA-Pokal, konnten in der Liga den FC Liverpool hinter uns lassen. Von daher habe ich eine Menge guter Erinnerungen an Everton.

SPOX: 1999 spielten Sie auch für Port Vale, dem erklärten Lieblingsklub von Popstar Robbie Williams. Haben Sie ihn einmal getroffen?

Bent: Ja! Wir hatten ein Spiel, das wegen Schneefalls abgesagt werden musste. Ich ging zurück ins Hotel und dort saßen plötzlich Robbie und seine Mutter. Wir nahmen einen Drink und als Robbies Mutter zurückkam, wirkte er etwas tapsig. Wir sind noch ein wenig geblieben und hatten ein tolles Gespräch. Er ist ein netter Kerl, sehr bodenständig. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich damals 20 oder 21 Jahre alt war und plötzlich stand dieser ausgemachte Superstar vor mir.

SPOX: Sie haben in der Premier League auch mit und gegen einige Spieler aus Deutschland gespielt. An welchen deutschen Spieler erinnern Sie sich am liebsten und glauben Sie, dass nach Per Mertesacker und Lukas Podolski bald wieder mehr deutsche Profis in England spielen werden?

Bent: Ich denke, Sie kennen den wichtigsten deutschen Spieler...

SPOX: Lassen Sie uns raten: Steffen Freund oder Jürgen Klinsmann?

Bent: (lacht) Jürgen Klinsmann war ein Weltklassestürmer, aber Steffen Freund ist wirklich ein verrückter Deutscher! Er ist sehr leidenschaftlich und er gab auf dem Platz immer alles. Ich erinnere mich an einen Zusammenstoß zwischen Duncan Ferguson (war 1994 der erste europäische Spieler, der nach einem Foul im Knast landete, d. Red.) und Steffen Freund in Leicester. Sie standen Kopf an Kopf und ich musste wie ein Ringrichter dazwischen gehen und die beiden Streithähne auseinanderhalten. Es freut mich, dass Steffen heute ein erfolgreicher Nachwuchstrainer beim Deutschen Fußball-Bund ist.

SPOX: Würden Sie lieber gegen Arsenals Per Mertesacker oder gemeinsam mit Lukas Podolski spielen?

Bent: Ich mag gute Verteidiger, deshalb würde ich lieber gegen Mertesacker spielen.

SPOX: Schnelle Autos, hohe Bar-Rechnungen und schöne Frauen - Die Premier League steht auch für viele Klischees von verwöhnten Profis. Wie können Sie mit diesen Stereotypen aufräumen?

Bent: Ich denke, das die Premier League über die besten Spieler der Welt verfügt und dass diese auch die beste Bezahlung bekommen. Das bedeutet, dass jeder auf sie schaut. Sie arbeiten hart an ihrer Karriere, die meistens zu schnell vorbei geht. Als Spieler realisierst du das anfangs nicht, von daher bin ich froh, dass ich meine Zeit in der Premier League hatte und dass ich diese genießen konnte. Ich habe in England Geschichte schreiben können, Titel gewonnen (u. a. "Spieler des Monats Januar 2002" bei Ipswich Town, d. Red.) und mit den Besten der Welt gespielt.

SPOX: In Ihrer Karriere kämpften Sie auch mehrfach gegen den Abstieg. Welche Anekdoten aus den Niederungen der Premier League haben Sie für unsere User parat?

Bent: Abstiegskampf ist nichts Gutes. Wenn du da unten drin stehst, dann ist es, als würdest du im Schlamm feststecken. Nichts scheint mehr zu gehen. Ich erinnere mich an ein denkwürdiges Spiel mit Leicester City bei den Wolverhampton Wanderers (in der Premier-League-Saison 2003/2004, d. Red.). Zur Halbzeit führten wir im Molineux Stadium mit 3:0 und verloren noch mit 3:4 - das Stadion hat gebebt und wir waren absolut am Boden zerstört. Ein sehr enttäuschendes Spiel. Ich will damit sagen, dass der Abstiegskampf purer Stress ist. Die Leute verstehen das nicht immer, aber du spielst Fußball und manchmal kannst du bestimmte Dinge nicht ausblenden. Du nimmst die Abstiegsangst mit nach Hause und machst dir große Sorgen um die Situation. Das ist ziemlich tückisch.

SPOX: Sie hatten auch verschiedene Engagements als Leihspieler, unter anderem in Wigan, Middlesbrough, Wolverhampton und zuletzt bei Sheffield United. Hatten Sie es manchmal satt, im Hotel und aus dem Koffer zu leben?

Bent: Ja, denn das ist das Schlimmste. Und die Leute sehen diese Dinge nicht. Sie sehen nur das Geld, das du als Spieler verdienst, sie sehen die schönen Frauen und die schicken Autos. Ich muss sagen: Ich habe ein Haus in England, aber ich habe kaum Zeit darin verbracht. Ich habe sehr oft und sehr lange in Hotels gelebt und ich habe genug davon.

SPOX: Blicken wir auf die EURO 2012. Wie es scheint, soll Harry Redknapp die "Three Lions" als Trainer führen und im Idealfall den ersten Titel seit 46 Jahren holen. Trauen Sie ihm das zu?

Bent: Es ist in den letzten Jahren oft darüber gesprochen worden, Harry Redknapp zum englischen Nationaltrainer zu machen. Er ist ein großartiger Trainer, ich kenne viele Spieler, die mit ihm gearbeitet haben und die von ihm schwärmen. Von daher können wir nur hoffen. Wir haben eine neue Generation von Spielern, die nun mehr und mehr nachrückt. Sind sie zu jung? Haben sie genügend Erfahrung? Wir werden sehen?

SPOX: England hatte immer individuelle Klasse, aber nach 1966 nie mehr ein richtiges Team. Woran liegt das?

Bent: Ich denke, dass es an der langen Saison liegt, die wir in England spielen. Wir Spieler reden viel miteinander, auch über eine eventuelle Winterpause. Aber es ist eine große Tradition in Großbritannien, rund um Weihnachten zu spielen. Außerdem gibt es viele große Pokalwettbewerbe und einige Klubs spielen auch in der Champions League. Das ist ermüdend. Eine solche Saison kann sehr lang werden, aber dafür gilt die Premier League ja gerade als beste und als härteste Liga der Welt.

SPOX: Also lag es nicht an Fabio Capello?

Bent: Wer würde Fabio Capello die Schuld geben? Er hat als England-Trainer einen guten Job gemacht. Die Leute auf der Insel sind eben immer sehr kritisch.

SPOX: Was kann England bei der EURO in Polen und der Ukraine erreichen? Die Gruppe mit Frankreich, Schweden und dem Co-Gastgeber Ukraine hat es in sich und in den ersten beiden Spielen werden sie auf den gesperrten Wayne Rooney verzichten müssen.

Bent: Die Ukraine hat eine gute Mannschaft, aber England ist auch ohne Wayne Rooney nicht chancenlos. Jermain Defoe beispielsweise ist auch ein guter Torjäger, ist aber nicht mit Wayne vergleichbar. Mit Jungs wie Gary Cahill, der neu beim FC Chelsea ist, haben wir mehr Erfahrung im Team. Es ist eine interessante Mischung aus Talenten und erfahrenen Spielern. Ich hoffe, dass sie es gut machen.

SPOX: Welche Erfahrungen haben Sie selbst mit Wayne Rooney gemacht?

Bent: Ich erinnere mich an den Sommer 2004, als Wayne gerade seinen Fußbruch auskurierte. Sein Wechsel von Everton zu Manchester United war noch nicht vollzogen und ich konnte ihn in der Stadt treffen, in einer Gegend, wo viele Spieler von United, vom FC Liverpool, Everton oder Bolton leben. Wayne ist ein echter Hund. Deswegen nennen wir ihn auf der Insel ja den "Bulldog", weil er so ein kraftvoller Spieler ist.

Marcus Bent im Steckbrief

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