"Wir können von Deutschland lernen"

Von Interview: Haruka Gruber
Das Ziel der Akadamie-Absolventen der Citizens: Das City of Manchester Stadium:
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SPOX: Sie sagen, dass Citys Mannschaft aus selbst ausgebildeten Spielern bestehen soll. Schwer zu glauben angesichts der Einkaufswut Ihres Vereins.

Allen: Sie sollten nicht den gleichen Fehler machen wie so viele. Man muss differenzieren: Zwischen der kurzfristigen Strategie auf der einen Seite sowie die mittel- und langfristige Strategie auf der anderen Seite. Kurzfristig wollen wir unseren Business-Plan beschleunigen und unsere Ziele in der Champions League und in der Premier League so schnell wie möglich erreichen. Daher auch die Transfers: Carlos Tevez, David Silva, Edin Dzeko, Sergio Agüero.

SPOX: Und was ist mittel- und langfristig geplant?

Allen: Mittelfristig soll so vielen Talenten wie möglich, die wir vielleicht erst mit 15, 16, 17 Jahren für die Akademie verpflichtet haben, der Sprung in die Premier League gelingen. Langfristig wollen wir eine eigene City-Generation - mit Leistungsträgern im Profiteam, die schon mit neun, zehn Jahren bei uns angefangen haben.

SPOX: Und Chefcoach Roberto Mancini steht auch hinter dieser mittel- und langfristigen Strategie?

Allen: Im Verein steht jeder hinter der Strategie - einfach, weil sie logisch ist. Fußball ist Business, und aus Geschäftsmannsicht muss man eigene Spieler formen, um finanziell überleben zu können oder mit Verkäufen sogar einen Profit zu machen. Nur Einkaufen funktioniert nicht ewig, alleine schon wegen des Financial Fair Plays. Daher ist es klar mit der Führung und Roberto Mancini abgesprochen, dass der Nachwuchsförderung eine entscheidende Bedeutung für City zukommt.

SPOX: Es ist beinahe untergegangen, dass vergangenes Jahr sieben Eigengewächse in der ersten Mannschaft eingesetzt wurden - wenn auch häufig nach Einwechslungen.

Allen: Viele Klubs erzählen, wie groß doch die Chance bei ihnen ist, die Premier League zu erreichen. Wir erzählen jedoch nicht nur, wir setzen es auch um. Deswegen wurde im Essensraum der Akademie eine Tafel aufgehängt mit den Namen der Spieler, die über unsere Akademie im Profi-Fußball gelandet sind. So können wir die Jungs jedes Mal fragen, ohne es laut sagen zu müssen: 'Wollt ihr auch an die Wand? Wollt ihr die Nächsten sein?'

SPOX: Von Ihrer Nachwuchsarbeit ließ sich offenbar auch Israels Supertalent Gai Assulin überzeugen, der letzten Sommer ausgerechnet von Barca zu City kam. Wie macht er sich?

Allen: Wir haben ihm unseren Plan für ihn erklärt und er war begeistert. Er hat sofort verstanden, wohin wir ihn führen wollen. In Gai schlummert ein riesiges Potenzial. Dennoch gilt auch für ihn wie für alle anderen: Der Schritt von der Reservemannschaft zu den Profis ist gewaltig.

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SPOX: Weswegen auch der Deutsche Nils Zander nach nur einem Jahr nach Schalke zurückgekehrt ist?

Allen: Es gibt leider Fälle, bei denen die Eingewöhnung nicht klappt. Vielleicht ist er zu jung von zuhause ausgezogen, vielleicht hat er sich einfach nur nicht in Manchester wohl gefühlt. Das kann passieren, deswegen haben wir uns einvernehmlich darauf geeinigt, auseinanderzugehen. Ich möchte jedoch betonen, dass so etwas die Ausnahme und nicht die Regel ist.

SPOX: Wie geht es dem 18-jährigen Torwart Loris Karius, den City 2009 vom VfB Stuttgart verpflichtet hat?

Allen: Er ist ein guter Keeper. Er hat nicht die körperliche Präsenz eines Manuel Neuer, aber seine Reaktionsfähigkeit und seine Fähigkeit beim Mitspielen sind überdurchschnittlich. Dennoch wird es für ihn wie für alle anderen Gleichaltrigen nicht einfach, es bis zu den Profis zu schaffen. Alles hängt von seiner Bereitschaft ab.

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SPOX: Grundsätzlich gefragt: Wie lautet Ihre eingangs erwähnte Philosophie für einen Nachwuchsspieler?

Allen: Jeder muss individuell betreut werden. Aber es gibt natürlich gewisse Vorgaben, an denen sich die Trainer zu halten haben. Fußballerisch steht bei den Sechs- bis Elfjährigen das Techniktraining im Vordergrund. Zwischen elf und 15 gibt es die ersten taktischen Elemente, außerdem soll sich der Körper entwickeln. Zwischen 15 und 17 bekommt die Physis eine größere Bedeutung. Je näher es zu den Profis geht, wird auch intensiver mental gearbeitet.

SPOX: Mit einem Psychologen?

Allen: Ja, wir legen großen Wert darauf. Bei den ganz jungen Spielern sind sie mehr als Diagnostiker gefragt - zum Beispiel, indem sie feststellen, ob ein Kind eher visuell, akustisch oder emotional lernt. Bei den Älteren sollen sie eher die Fragen erörtern: Wie reagiert er auf einen Erfolg? Auf Druck? Auf Enttäuschung? Technik, Taktik und Physis sind Grundvoraussetzungen. Um nicht nur zu einem guten, sondern zu einem großartigen Fußballer zu werden, muss auch die mentale Seite stimmen.

SPOX: Wie wollen Sie das abgesehen von Psychologen gewährleisten?

Allen: Wir lassen keinen Zweifel daran, dass wir Spieler wollen, die selbstständig denken und gleichzeitig ihre Handlungen reflektieren. Es geht um Anstand und um Werte. Um das zu unterstreichen, haben wir vor einem Jahr auch das Tragen bunter Fußball-Schuhe verboten. Dass die Botschaft ankommt, zeigt sich darin, dass die Spieler sogar einen eigenen Verhaltenskatalog ausgearbeitet haben. Das gefällt mir, denn: Selbstkontrolle ist bei jungen Menschen wirkungsvoller als jedes von uns vorgegebenes Regelwerk.

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