John William Henry: Der Retter der Reds

Von Tim Frische
John William Henry tritt in Liverpool die Nachfolge von Tom Hicks und George Gillett an
© Getty

Nach langem Hin und Her kam am 15. Oktober für alle Fans des von der Insolvenz bedrohten FC Liverpool die Erlösung - die Katastrophe bleibt aus, die Reds haben neue Besitzer. Die US-amerikanische "New England Sports Ventures" (NESV), unter der Führung von John William Henry, tritt beim englischen Traditionsklub die Nachfolge von Tom Hicks und George Gillett Jr. an. Die Erwartungen der Fans an Henry sind groß, auch weil er schon mal einen Traditionsklub zurück zum Erfolg geführt hat.

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Die Voraussetzungen für John William Henry könnten sicher besser sein. Der 61-Jährige ist nicht nur der neue Eigentümer des FC Liverpool, sondern auch Amerikaner und hat schon alleine deshalb eine schwere Aufgabe vor sich.

Denn Amerikaner mag man in Liverpool derzeit überhaupt nicht. Tom Hicks und George Gillett Jr., zwei Landsleute Henrys waren es nämlich, die die Reds als Klubbesitzer in eine schwere Krise und beinahe in den finanziellen Kollaps führten.

Henry: Ich bin kein Scheich

Nun hat Henry das Ruder übernommen. Mit seiner Firma "New England Sports Ventures" (NESV), die er 2002 zusammen mit seinem Partner Tom Werner gründete, besitzt Henry seit einigen Wochen die Mehrheitsanteile am 18-fachen englischen Meister und ist der neue Big Boss an der Anfield Road.

Doch anders als seinen Vorgängern schwappen Henry die Sympathien vieler Fans entgegen, weil er schnell klargemacht hat, wohin der Weg unter seinem Kommando führen soll.

"Bei mir steht nicht 'Scheich' vor dem Namen. Wenn wir einen Dollar ausgeben, dann müssen wir das weise tun. Wir können es uns nicht erlauben, Spielern einen langfristigen Vertrag anzubieten, die es nicht wirklich wert sind. Wir müssen clever, mutig und aggressiv sein", sagt Henry und verdeutlicht das primäre Ziel: Die Reds finanziell und sportlich wieder in die Spur bringen.

1,1 Milliarden Dollar Privatvermögen

Henry wurde 1949 in Quincy, Illinois, geboren. Als er 25 Jahre alt war, verstarb sein Vater. Plötzlich stand Henry in der Verantwortung. Er übernahm die Familien-Farm, fing an in Mais, Weizen und Sojabohnen zu spekulieren und erkannte schnell, dass er noch weitaus mehr aus seinen Möglichkeiten machen kann.

So zog es ihn an die Wall Street. Als Investmentbanker bewies er ein gutes Näschen, setzte auf die richtigen Partner und baute sein Vermögen um ein Vielfaches aus. 2009 führte ihn das Wirtschafts-Fachmagazin "Forbes Magazine" mit einem geschätzten Privatvermögen von 1,1 Milliarden US-Dollar (ca. 800 Millionen Euro) an Position 647 der reichsten Menschen der Welt.

Besitzer der Red Sox

Henry sei ein gewiefter Analytiker, könne wie kaum ein anderer zwischen den Zeilen lesen und habe ein feines Gespür in wichtigen Situationen, heißt es in den amerikanischen Medien. Und so entschied sich Henry 2002, sich intensiv im Sport zu engagieren und gründete zusammen mit Werner die NESV, die im Laufe der Zeit im Sport zu einem der einflussreichsten Unternehmen in den Staaten aufstieg.

Unter anderem besitzen Henry und seine Partner den Baseball-Klub Boston Red Sox, das Bostoner Stadion Fenway Park, 80 Prozent der "New England Sports Network" und damit den NHL-Klub Boston Bruins sowie 50 Prozent am "NASCAR's Rousch Fenway Racing"-Team.

Traditionsklub zum Spottpreis

Im Fußball bemühte sich Henry allerdings lange Zeit vergeblich, Fuß zu fassen. So scheiterte 2009 der Versuch, den französischen Spitzenklub Olympique Marseille zu übernehmen. Mitte Oktober erfüllte sich Henry nun aber seinen Wunsch: Für 350 Millionen Euro kaufte die NESV den FC Liverpool, der laut "Forbes Magazine" fast 600 Millionen Euro wert sein soll.

"Ich weiß, dass manche Leute sagen, dass es ein günstiger Preis für diesen Klub ist, aber so sehen wir das auf keinen Fall. Wenn man wirklich sorgfältig arbeitet, dann findet man die Dinge, die falsch laufen - und wir haben davon viel gefunden. Es gibt unglaublich viel Arbeit zu tun und es wird alles eine lange Zeit dauern", sagte Henry nach dem Kauf. "Es hätte viele Gründe gegeben, warum wir uns gegen das alles hätten entscheiden können. Es gab viele Momente, in denen wir dachten, dass die Herausforderung zu groß ist, aber dieser Klub ist es wert - und wir sind voller Vorfreude."

Mit Red Sox Geschichte geschrieben

Dennoch ist Skepsis angebracht, schließlich scheiterten mit Hicks und Gillett bereits zwei Landsleute Henrys in Liverpool kläglich. Manchester United ergeht es mit seinem US-amerikanischen Besitzer Malcolm Glazer auch nicht viel besser.

Doch Henry hat bereits bewiesen, dass er einem kränkelnden Patienten neue Lebenskräfte einhauchen kann. In seiner Heimat hat er es geschafft, eine Traditions-Franchise nach langer Durststrecke wieder zu höchsten nationalen Ehren zu führen.

Nachdem er Ende der 80er Jahre im Baseball bei einigen Minor-League-Klubs und dann ab den 90ern bei den großen MLB-Klubs wie den New York Yankees und den Florida Marlins mitmischte und letzteren von 1999 bis 2002 gar besaß, kaufte er als NESV-Chef 2002 für 500 Millionen Euro den renommierten, aber wegen seiner Erfolglosigkeit immer wieder belächelten Traditionsklub Boston Red Sox.

"Curse of the Bambino" beendet

Von diesem Moment an ging es mit dem Klub aus Massachusetts steil bergauf. Gerade einmal zwei Jahre nach Henrys Amtsantritt gewannen die Red Sox die World Series - ihre erste nach einer Durststrecke von 86 Jahren. Und das in imposanter Manier: In der American-League-Championship-Series schrieben sie Geschichte, als sie als erstes Team in der amerikanischen Baseball-Historie einen 0-3-Spiele-Rückstand in der Best-of-seven-Serie noch drehten - ausgerechnet gegen den Erzfeind aus New York!

Jahrelang mussten sich die Fans der Red Sox zuvor anhören, wie der erfolgsverwöhnte Nachbar sie verhöhnte, nun gelang gegen die Bronx Bomber die Revanche.

Davon beflügelt sicherten sie sich mit einem 4-0-Sweep gegen die St. Louis Cardinals ihre erste Meisterschaft seit 1918 und beendeten damit den "Curse of the Bambino" ("Fluch des Bambino"), der seit dem Wechsel der Baseball-Legende Babe Ruth von den Red Sox zu den Yankees 1918 und der seitdem einhergehenden Titelflaute über dem Bostoner Fenway Park zu liegen schien. Drei Jahre später folgte der zweite Titelgewinn.

Vorgänger mit leeren Versprechungen

5000 Kilometer Luftlinie von Boston entfernt will Henry nun ein ähnliches Sport-Märchen wie mit den Red Sox schreiben und in Liverpool zumindest wieder die Voraussetzungen dafür schaffen, in absehbarer Zeit den ersten Meistertitel seit 1990 zu holen.

Seine Vorgänger Hicks und Gillett kamen 2007 mit großen Ankündigungen, unter anderem sollte ein neues Stadion gebaut werden. Stattdessen häuften sie Schulden an und hinterließen einen finanziellen Trümmerhaufen, der die Verkäufe von Leistungsträgern wie Javier Mascherano und Xabi Alonso und damit auch sportliche Probleme zur Folge hatte.

Transferbudget von 25 Millionen Euro

Finanziell wie auch sportlich werde es demnächst wieder aufwärts gehen, hofft Henry. Coach Roy Hodgson stellte er im Januar ein Transferbudget von rund 25 Millionen Euro in Aussicht.

Die Stadion-Neubaupläne werden weiterhin nicht zu den Akten gelegt, der Fokus liege derzeit aber auf der finanziellen Stabilisierung des Vereins. Wilde Versprechungen will Henry den Fans nicht machen, er stellt sie vielmehr auf harte Zeiten ein.

Doch die mussten die Red-Sox-Fans auch durchleben - bis Henry kam.

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