Risse im Imperium

Von Andreas Lehner
Die Aushängeschilder des englischen Fußballs: FC Chelsea und Manchester United
© Getty

Bayern-Präsident Uli Hoeneß hält die Dominanz der englischen Klubs auf europäischer Ebene für beendet. Auf der Insel sieht man das frühe Aus der Klubs in der Champions League gelassener. Aber es gibt einige Faktoren, die für Hoeneß' Theorie sprechen.

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Anfang des Jahrtausends hatte Uli Hoeneß ein Lieblingsthema. Den großen Crash. Das Platzen der Blase. Der damalige Manager des FC Bayern München übertrug den Begriff der Dotcom-Bubble der New Economy auf den Fußball und prophezeite den Untergang vieler europäischer Großklubs, die über ihren Verhältnissen gelebt und gewirtschaftet hatten.

"Ich habe mit meinen Warnungen in der Vergangenheit nicht immer richtig gelegen. Aber der Sturz von Top-Vereinen wie zum Beispiel Atletico Madrid, Deportivo La Coruna, Lazio Rom, Celta de Vigo, Benfica Lissabon, AC Parma und vielen anderen zeigt, dass Warnungen berechtigt waren", sagte Hoeneß vergangenes Jahr in einem der unzähligen Interviews, die er zum Ende seiner Manager-Karriere gab.

Hoeneß: Englische Dominanz ist vorbei

Von den ganz Großen des europäischen Fußballs hat keiner diesen dramatischen Einbruch erlebt. Doch zeigt der Lauf der Geschichte, dass Hoeneß' Prophezeiungen ernst genommen werden sollten.

Das Scheitern der englischen Big Four in der Champions League in dieser Saison und das erste Halbfinale in diesem Wettbewerb ohne englische Beteiligung seit 2003 veranlasste Hoeneß zur Weissagung, dass die Dominanz der Premier-League-Klubs vorbei sei.

"Ich glaube, dass es englische Teams künftig schwieriger haben werden, in der Champions League Erfolge zu feiern. Denn die Finanzkrise wird zu einer Konstellation führen, in der der englische Fußball nicht mehr so eine tragende Rolle spielen wird wie zuvor", sagte der Bayern-Präsident der "Times".

Keine Hektik auf der Insel

Auf der Insel sehen Liga-Verantwortliche, Vereinsvertreter und der größte Teil der Medien das Thema gelassener. Nicht mehr als ein kurzzeitiger Einbruch, eine kleine Delle im Renommee und der Erfolgskurve sei das aktuelle Abschneiden.

Sir Alex Ferguson, der mit Manchester United als letztes Team gegen den FC Bayern aus der Königsklasse flog, nennt die Premier League noch immer die beste Liga Europas - "und das wird sie auf lange Sicht auch bleiben".

Dem gegenüber steht die Meinung von Felix Magath, der die Bundesliga immer wieder als beste Liga der Welt betitelt. Welcher der beiden Trainer Recht hat, sei dahingestellt. Zumindest ist die Bundesliga aber die finanziell gesündeste Liga der Welt.

An diesem Fakt kann ein Wandel in der Herrschaftsstruktur des europäischen Fußball-Adels viel deutlicher gemacht werden als an der Zusammensetzung eines Champions-League-Halbfinals, in dem mit etwas Glück auch Manchester United oder der FC Chelsea stehen könnten. Und es werden auch in Zukunft wieder englische Teams im Halbfinale der Königsklasse stehen.

Problem: Schwaches Pfund und hohe Steuern

Noch ist es sicherlich zu früh, vom endgültigen Ende der Vorherrschaft Englands zu sprechen, doch im Augenblick kann die Premier League mit dem wohl kräftigsten Argument im Fußball, der finanziellen Dominanz, nicht mehr so punkten wie noch vor einigen Jahren. Das britische Pfund hat um 25 Prozent gegenüber dem Euro verloren, der Steuersatz für Spitzenverdiener wurde von 40 auf 50 Prozent angehoben.

"Das bedeutet, dass englische Klubs nicht mehr so viel Geld zur Verfügung haben. Und wenn sie mich fragen, ob die englischen Klubs das verdienen, dann sage ich ja", sagte Hoeneß.

Ein Leben auf Pump

Arsenal-Manager Arsene Wenger prophezeite schon nach der Ankündung der Steuererhöhung, dass die Vorherrschaft der Engländer damit einbrechen werde.

Der Erfolg der vergangenen Jahre war auf Pump finanziert. Viele Kader sind, wie beim FC Liverpool, aufgebläht mit internationaler Durchschnittsware. Die Qualität der Nachwuchsarbeit und die Durchlässigkeit nach oben lassen zu wünschen übrig. Die Vereine zahlen jetzt den Preis dafür.

Viele erwarten im Sommer, dass das britische Imperium zurückschlägt - vor allem auf dem Transfermarkt. Nur stellt sich die Frage: Woher soll das Geld kommen? Schon vor dieser Saison blieb der Blockbuster-Transfer Richtung England aus.

Liverpool, ManUnited und Arsenal mit Problemen

Liverpool wird sehr wahrscheinlich die Champions League, im schlimmsten Fall sogar die Europa League verpassen. Ein Abschied von Manager Rafael Benitez scheint genauso möglich wie der von Stürmerstar Fernando Torres. Dahinter steht die ungeklärte Frage, was die Besitzer George Gilett und Tom Hicks vorhaben. Geld für große Neuverpflichtungen ist nicht vorhanden.

Von Ferguson fordern viele Anhänger bei Manchester United einen kolossalen Umbruch. Dass Sir Alex auf einen gleichwertigen Ersatz für Cristiano Ronaldo im Sommer freiwillig verzichtete, wird nicht nur in Manchester bezweifelt. Die Glazer-Familie hat die Hand auf dem Geld und vor allem den Gewinn im Blick. Das geht am besten mit Spielerverkäufen. David Villa musste Ferguson angeblich schon von seinem Wunschzettel streichen, weil 40 Millionen Pfund Ablöse zu viel sind.

Der FC Arsenal wird seiner Linie treu bleiben und hoch talentierte Spieler verpflichten, die in den entscheidenden Spielen zu grün hinter den Ohren sind. Vor der Saison gingen die erfahrenen Emmanuel Adebayor und Kolo Toure. Jetzt muss man um den Verbleib von Fixpunkt Cesc Fabregas fürchten.

Nur Chelsea und ManCity flüssig

Bleibt aus den Big Four noch der FC Chelsea. Eine Mannschaft die trotz bombastischen Investitionen seines Eigentümers Roman Abramowitsch dem Champions-League-Triumph hinterherläuft und für viele Beobachter ihren Zenit schon überschritten und mit Carlo Ancelotti einen Trainer hat, der aus Milan-Zeiten nicht gerade für die Erneuerung eines Kaders bekannt ist.

Die große Unbekannte ist Manchester City, das bei der Qualifikation für die Champions League durch die Millionen aus Abu Dhabi als Big Player auf dem Transfermarkt auftreten dürfte und sich ähnlich wie Chelsea losgelöst von finanziellen und strukturellen Problemen bewegen kann.

Die Krux an der Sache. "Solange Investoren wie Abramowitsch das Geld zur Verfügung stellen, ist alles wunderbar. Verlieren sie die Lust an ihren Spielzeugen, droht der Super-GAU", sagt Hoeneß.

Neue UEFA-Regeln: England der große Verlierer

Nicht umsonst veröffentlichte das seriöse Kreditprüfungs-Unternehmen Riskdisk eine schwarze Liste, auf der 14 der 20 Premier-League-Klubs stehen und als nur begrenzt kreditwürdig gelten - darunter Chelsea, Liverpool und ManCity.

Grundlage des Berichts waren nicht die finanzkräftigen Investoren im Rücken, sondern harte Fakten wie Bilanzen, Gerichtseinträge und Zahlungsgeschichte.

Wenn die UEFA 2015 das Reglement des finanziellen Fairplays einführen wird, geht es um ebensolche Fakten und nicht um die tiefen Taschen der Geldgeber. Es wird interessant sein, ob die englischen Klubs die Anforderungen erfüllen können. Oder besser gesagt, welchen Preis sie dafür zahlen müssen.

"Mit den neuen Regeln scheint mir England der große Verlierer zu sein", sagte Hoeneß.

Die Premier-League-Klubs haben sich ihre eigene Blase aufgepustet. Geplatzt ist sie noch nicht. Aber das Imperium im Inneren hat ein paar Risse bekommen.

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