Rio Ferdinand: Mehr als ein Fußball-Star

Von Haruka Gruber
Auf Du und Du mit den Superstars: Rio Ferdinand interviewt LeBron James
© www.rioferdinand.com

Er ist bereits der teuerste Verteidiger der Welt. Doch Ferdinand will mehr: Er will zu einer globalen Pop-Ikone aufsteigen und arbeitet als Journalist, Internet-Unternehmer, Filmproduzent, Musiklabelgründer, TV-Moderator und Hobby-Rapper. Sein neuestes Projekt: das spektakuläre Online-Magazin "#5".

Cookie-Einstellungen

Seine Statur mag imposant und seine physische Präsenz für seine Gegner furchteinflößend sein - doch als Rio Ferdinand sein Handy abnahm, erinnerte er mehr an ein 15-jähriges Groupie als an den teuersten Abwehrspieler der Welt.

Michael Jackson, der mittlerweile verstorbene King of Pop, rief höchstpersönlich den Verteidiger von Manchester United an und wünschte Ferdinand alles Gute für sein neues eMagazin "#5".

"Ich habe geschwitzt und am ganzen Leib gezittert, so aufgeregt war ich. Nach dem Telefonat habe ich gleich meinen Teamkollegen SMS geschickt und davon erzählt", erinnert sich Ferdinand an die Episode aus dem April dieses Jahres.

"Michael Jackson war der einzige Mensch, mit dem ich mich unbedingt noch einmal unterhalten wollte. Und dank eines gemeinsamen Bekannten wurde es Wirklichkeit. Ich bin in Peckham aufgewachsen - wer hätte gedacht, dass ich jemals mit Michael Jackson sprechen darf und er sich für mich interessiert?"

Interview mit LeBron James

Es ist ein ungewöhnlicher, wenn nicht einzigartiger Weg, den Ferdinand eingeschlagen hat. Im berüchtigten Londoner Problemviertel Peckham aufgewachsen, schickt er sich an, als erster Fußball-Star zum Medien-Tycoon aufzusteigen.

"Ferdinand ist der vielleicht interessanteste Fußballer, den es derzeit gibt. Was ihn so interessant macht: seine unglaublich hohen Ambitionen", schreibt der "Guardian". Ferdinand ist englischer Nationalspieler und Leistungsträger von Manchester United. Aber er ist auch Journalist, Internet-Unternehmer, Filmproduzent, Musiklabelgründer, TV-Moderator und Hobby-Rapper.

An diesem Wochenende ging die neueste Ausgabe seines kostenlos abrufbaren Lifestyle-eMagazins "#5" online, in der Ferdinand mit NBA-Superstar LeBron James über dessen Freundschaft zu Jay-Z plaudert. Zuvor interviewte er bereits Roger Federer, Usain Bolt und Hip-Hop-Mogul 50 Cent. "#5", das nach Ferdinands Rückennummer benannt ist, gilt bereits als das meistgelesene Internet-Magazin im World Wide Web.

Alle Videos und Interviews: Die 3. Ausgabe von Rio Ferdinands "#5"-eMagazin!

Auch Experte bei Big Brother

Zudem traf sich Ferdinand in den letzten Monaten als Gastreporter des "Observer Sport Monthly" an der Downing Street 10 mit dem britischen Premierminister Gordon Brown zu einem Interview, finanzierte eine Rap-CD und produzierte gemeinsam mit Chelseas Ashley Cole den Film "Dead Man Running". Die Hauptrolle spielt Ferdinands Freund 50 Cent.

"Das Leben eines Fußballers ist nicht so extravagant, wie die Öffentlichkeit glaubt", versichert Ferdinand. "Ich bin mit Sicherheit nicht jede Nacht in einem Klub." Stattdessen nutzt er die verbleibende Zeit, um sich als Marke (auf englisch: "Brand") zu etablieren. David Beckham gelang es kraft seines Aussehens, Ferdinand jedoch versteht sich als vielseitiger Entrepreneur.

"Ich liebe es, Bücher zu lesen. Gleichzeitig weiß ich genau, was bei Big Brother oder in einer Daily Soap los ist. Ich kann mit jedem über das globale Geschehen, die moderne Geschichte, Osama Bin Laden, Che Guevara, Nelson Mandela oder Martin Luther King debattieren", sagt Ferdinand.

Rio, der Schauspieler

Ferdinands wesentliches Charaktermerkmal ist seine ausgeprägte Neugierde. Seine Kindheit verbrachte er in Peckham, einem der übelsten Ecken Londons. Seine Mutter ist irischstämmige Engländerin, sein Vater stammt von der Karibik-Insel St. Lucia. Die Eltern sind nicht verheiratet und trennen sich, als Ferdinand 14 Jahre alt ist.

"Dennoch waren beide immer für uns Kinder da. Was aber nicht heißt, dass sie mich vor allem beschützen konnten. Ich habe Leute gesehen, die sich selbst umbrachten oder gegenseitig niederstachen. Junge Mädchen, die anschaffen gingen und vergewaltigt wurden", erzählt Ferdinand, dessen jüngerer Bruder Anton ebenfalls Profi in der Premier League ist.

Umso erstaunlicher, wie Ferdinand trotz der widrigen Umstände zu einem wissbegierigen Jugendlichen heranwuchs. Er suchte sich eigens eine weit entfernte Schule aus, weil ihm die langen Busfahrten gefielen. "Warum? Weil ich so viele Menschen kennenlernen und so an meinen sozialen Fähigkeiten arbeiten konnte."

Ferdinand belegte den Theater- sowie Dramakurs und war Mitglied der Turnmannschaft.

Rio, der Ballett-Tänzer

Dabei zeigte er sich als derart begabt und gelenkig, dass er ein Stipendium an der "Central School of Ballet" erhielt. Von 11 bis 15 Jahren ging er viermal die Woche zum Ballett. "Schon als Kind wollte ich anders sein. Ich werde sehr schnell gelangweilt, sogar das Fußballspielen hat mich manchmal angeödet. Umso mehr habe ich es genossen, neue Dinge auszuprobieren."

Anfangs habe er seinen Fußball-Freunden die Ballett-Leidenschaft verschwiegen, weil "ich sonst auseinandergenommen worden wäre. Aber als ich 13 war, wussten es alle. Und jetzt sind die Mitspieler von damals meine engsten Kumpels".

Karriere der Superlative

Doch bei allem Wissensdurst: Mit 15, 16 Jahren schränkte er seine Hobbys ein und konzentrierte sich auf den Fußball. Mit Erfolg. Als 17-Jähriger spielt er erstmals für West Ham in der Premier League, acht Tage nach seinem 19. Geburtstag debütiert er in der englischen Nationalmannschaft.

Im Jahr 2000, mit 21 Jahren, wechselt er für 26 Millionen Euro zu Leeds United. Zwei Jahre darauf schraubt er die nach wie vor gültige Weltrekordablöse für einen Verteidiger auf 46 Millionen Euro, als er sich Manchester United anschließt.

Mit zunehmendem Erfolg verlor Ferdinand jedoch den Fokus. Überheblich sei er geworden, sagen die einen. Er sei von den Medien und dem Hype um ihn überrollt worden, sagen die anderen. Ohne Ballett und ohne die so geschätzten Busfahrten kanalisierte er seine Rastlosigkeit in einen extravaganten Lebensstil.

"Ferdinand ist erwachsen geworden"

"Ich habe einige Fehler gemacht. Es ist nicht so einfach, unter den Augen der Öffentlichkeit aufzuwachsen. Aber ich will nicht die Schuld bei anderen suchen", sagt Ferdinand. Gleich viermal wurde er wegen Trunkenheit am Steuer erwischt, zudem handelte er sich wegen eines vergessenen Doping-Tests - er ging in der Zeit Möbel kaufen - eine achtmonatige Sperre ein, die ihn die Teilnahme an der EM 2004 kostete.

Aber: "In den letzten Jahren hat sich Ferdinand neu erfunden. Nein, das wäre zu unfair. Formulieren wir es so: Er ist erwachsen geworden. Als Fußballer und als Mensch", beobachtete die "Manchester Evening News".

Ferdinand verschwand fast gänzlich aus den Klatschspalten der Zeitungen, heiratete seine langjährige Freundin Rebecca Ellison, die ihm zwei Söhne schenkte. Er engagiert sich für zahlreiche wohltätige Organisationen und setzt sich für Kriminalitäts-Prävention, der Armutsbekämpfung in Afrika oder der Krebs-Forschung ein.

Bald ein globaler Sportstar?

Zeitgleich fand er in Chris Nathaniel einen Berater, der es versteht, Ferdinands Tatendrang mit Geschäftstüchtigkeit zu verbinden. "Ich gehe die Sache amerikanisch an. Wir wollen verschiedene Facetten von Rio zeigen, damit er auch global Wiedererkennungswert besitzt, nicht nur bei den Fußball-Fans", sagt Nathaniel.

Mit 30 Jahren hat Ferdinand mindestens fünf weitere Jahre als Spitzensportler vor sich, in denen er parallel an seiner Karriere als Medienmacher arbeitet. Und danach? Seine Ausstrahlung würde ihn für den Trainer-Job prädestinieren, und das "würde mich auch interessieren", sagt Ferdinand.

"Aber ich habe auch andere Interessen. TV, Print, Internet - das alles sind Hobbys und ich werde etwas brauchen, um zu wissen, was ich will. Aber klar ist auch: Ich verstehe mich zuallererst als Fußballer und das wird die nächsten Jahre auch so bleiben."

Rio Ferdinand: Alle News und Infos im Steckbrief