Angetrunken auf der Ü-30-Party

Von Stefan Moser
Carlos Tevez verdient bei Manchester City angeblich 45 Millionen Euro in fünf Jahren
© Getty

Der Ausputzer, der Staubsauger, der Kettenhund oder Lothar Matthäus - der Fußball hat schon viele denkwürdige Gestalten hervorgebracht. Und seit knapp einem Jahr ist dieses Kuriositätenkabinett noch um eine Figur reicher: Die "Scheichs" betraten im großen Stil die Bühne.

Cookie-Einstellungen

Ein "Scheich" hat zu viel Geld und Spaß am Fußball. Weil er selber aber kaum Talent besitzt, kauft er sich englische Fußballklubs als exklusives Spielzeug. In den Augen vieler Fans ein Tiefschlag gegen die vermeintlich romantische Seele des Fußballs.

Das Neue am "Scheich-Phänomen" ist die prahlerische Attitüde und die exzessive Willkür, mit der sie sich auf den Transfermärkten bewegen. Anders als die ebenfalls meist ungeliebten Besitzer und Mäzene wie Roman Abramowitsch, Malcom Glazer oder Dietmar Hopp versuchen die "Scheichs" erst gar nicht den Eindruck zu erwecken, sie hätten ein Konzept.

Im September 2008 übernahm die hochliquide Abu Dhabi Group um Scheich Sulaiman Al Fahim Manchester City. Und seither ähnelt ihr Kaufverhalten dem einer neureichen Society-Lady: Hier ein Goldkettchen, da ein Strasskleid, dort ein Diamantreif. Am Ende ist die Garderobe sündhaft teuer, doch die Frau ist trotzdem furchtbar schlecht gekleidet, weil kein Teil zum anderen passt.

Transferwahnsinn für 80 Millionen

80 Millionen Euro hat Manchester City allein in diesem Sommer bislang (!) für neue Spieler ausgegeben: Neben Gareth Barry kommen Emmanuel Adebayor, Carlos Tevez und Roque Santa Cruz. Alles hübsche Namen, doch die Gesamtstruktur des Kaders wirkt nur üppig, aufgeblasen und konfus.

Stolze acht Angreifer hat Trainer Mark Hughes nun beispielsweise zur Auswahl: Neben Tevez, Adebayor und Santa Cruz auch Robinho, Shaun-Wright Phillips, Craig Bellamy, Benjani, Valeri Bojinov. Alles hoch bezahlte Nationalspieler, die meisten überdies mit einem beträchtlichen Ego ausgestattet. Es klingt fast wie der fleischgewordene Albtraum von Uli Hoeneß. Dem Bayern-Boss bereiten schon vier Stürmer im Kader schlaflose Nächte: "Das gibt nur Theater."

Der Kader von Manchester City im Überblick

Die teuerste Ersatzbank der Welt

In der abgelaufenen Saison ließ Hughes in der Regel im 4-2-3-1,  zwischenzeitlich auch im klassischen 4-4-2 spielen. In beiden Formationen wäre bestenfalls Platz für vier der genannten Angreifer. Immerhin: Damit hätte Manchester die teuerste Ersatzbank der Welt.

Trotzdem sieht Hughes in dem absurden Überangebot vor allem "überragende Möglichkeiten für mich und meine Mannschaft." Was soll er auch anderes sagen. Nur muss er aus den vielen teuren Einzelstücken nun ein stimmiges Gesamtbild konstruieren. "Natürlich ist es viel Verantwortung für mich", räumt Hughes ein, "aber es liegt nun eben an mir, aus unserem enormen Potential eine Gewinnermannschaft zu formen."

Der neureiche Loser-Verein

Genau das fordern auch die "Scheichs". Vor der Übernahme durch die Abu Dhabi Group war City ein sympathischer Loser-Verein mit einem Hang zu Unberechenbarkeit und Chaos, aber mit einer soliden Fan-Basis und einem liebenswürdigen Profil. Ein Jahr später ist Manchester nun eben ein neureicher Loser-Verein - mit einem massiven Image-Problem.

Platz zehn aus der abgelaufenen Saison war eine Enttäuschung, Hughes steht im Verein und in der Öffentlichkeit auf wackeligen Beinen, und das Geschäftgebaren in der aktuellen Transferperiode sorgt für jede Menge Kritik und Häme.

Das nächste Desaster steht bevor

Mit einer "Alles ist käuflich"-Mentalität gab City Mega-Offerten für alles ab, was Rang und Namen hat: Cristiano Ronaldo, Kaka, David Villa oder Samuel Eto'o. Alle sagten trotz astronomischer Jahresgehälter ab. Zu wenig Konzept, zu wenig sportliche Perspektive - Manchester spielt im WM-Jahr nicht einmal in der Europa League.

Also begnügte man sich - öffentlich blamiert - mit 1b-Lösungen. Was dem eigenen Selbstbewusstsein freilich keinen Abbruch tat, denn längst steuern die Verantwortlichen auf das nächste PR-Desaster zu. Nachdem, angesichts der 50 Gegentore aus der vergangenen Saison, immerhin die Erkenntnis reifte, dass auch Verstärkungen für die Abwehr durchaus sinnvoll wären, fiel die Wahl prompt auf Chelsea-Kapitän John Terry.

Terry: "Hiermit beende ich die Spekulationen"

Mit 290.000 Euro Nettosalär pro Woche sollte der 28-Jährige zu den Citizens gelockt werden. "Ich beende hiermit alle Spekulationen, ich bleibe beim FC Chelsea", ließ Terry daraufhin auf der vereinseigenen Homepage wissen.

Wie ein Angetrunkener auf einer Ü-30-Party bleibt Manchester bislang trotzdem hartnäckig in seinem Werben - und wird sich dabei wohl wieder eine peinliche Abfuhr einhandeln.

Doch die Scheichs sind fest entschlossen, im Sommer noch rund 100 Millionen auf den Transfermarkt zu schleudern.

Wenn sie Terrys Nein erstmal verstanden haben, wird also einfach der nächste in der Reihe aggressiv umgarnt. Kolo Toure (FC Arsenal) und Joleon Lescott (FC Everton) sind angeblich die nächsten Flirt-Objekte. Bis endlich jemand ja sagt. Wie ein Angetrunkener in der Disko eben.

Blog: Die Sache mit den Scheichs