"Bayern hat ihn ständig angegraben"

Von Interview: Daniel Börlein
Savio Nsereko (M.) im Duell mit Sagna und Diaby vom FC Arsenal
© Getty

Es war einer der Transfers des Winters. Der deutsche U-19-Europameister Savio Nsereko wechselte vom italienischen Zweitligisten Brescia Calcio zum Premier-League-Klub West Ham United - für geschätzte elf Millionen Euro Ablöse! Bei den Hammers hat der Offensivspieler mittlerweile längst Fuß gefasst.

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Aufgewachsen ist Nsereko in München, ausgebildet und entdeckt wurde er vom TSV 1860 München. Bei SPOX spricht der Leiter des Nachwuchszentrums der Löwen, Ernst Tanner, über die Anfänge des 19-Jährigen, den Menschen Nsereko, dessen besondere Fähigkeiten und erklärt, warum der Youngster München schon mit 16 Jahren verließ.

SPOX: Herr Tanner, die Löwen schreiben derzeit immer mal wieder negative Schlagzeilen. Eine positive Meldung gab's in der Winterpause allerdings auch für die Sechziger. Der Verein bekam Geld für einen Spieler, der gar nicht mehr bei den Löwen unter Vertrag stand.

Tanner: Ich nehme mal an, Sie meinen Savio Nsereko?

SPOX: Genau. Der Junge wechselte vom Serie-B-Klub Brescia in die Premier League zu West Ham United. Von der geschätzten Ablöse von elf Millionen Euro erhält 1860 als Ausbildungsverein eine Entschädigung. Waren Sie überrascht, als Sie vom Wechsel gehört haben?

Tanner: Um ehrlich zu sein: nicht unbedingt. In der zweiten italienischen Liga kommen nicht so viele junge Akteure zum Spielen. Deshalb war es klar, dass er irgendwann einmal für viel Geld verkauft werden wird. West Ham war nun auch nicht so überraschend, wenn man bedenkt, dass dort mit Trainer Gianfranco Zola und Sportdirektor Gianluca Nani zwei Italiener das Sagen haben.

SPOX: Können Sie den Wechsel nachvollziehen?

Tanner: Savio hat sich in dieser Saison richtig gut entwickelt in Brescia. In der letzten Saison hat er allerdings kaum gespielt und schon damals mit dem Gedanken gespielt, woanders hinzugehen.

SPOX: Er wollte aufgeben?

Tanner: Das würde ich nicht sagen. In Italien ist es für einen jungen Spieler nicht so einfach, den Durchbruch zu schaffen. Diesen fließenden Übergang wie bei uns gibt es dort nicht. In Italien gibt es die Primavera - eine Nachwuchs-Liga, in der drei ältere Spieler eingesetzt werden dürfen. Eine zweite Mannschaft haben sie dort nicht. Die ersten Mannschaften haben ellenlange Kader mit meist über 30 Leuten. Da muss man sich als junger Kerl erstmal durchbeißen.

SPOX: Kann Savio denn beißen?

Tanner: Das kann er auf jeden Fall.

SPOX: In Deutschland ist er aufgrund seiner Zeit in Italien nicht so bekannt wie andere Talente. Sie kennen ihn schon seit er zehn Jahre alt ist. Was ist er für ein Spielertyp?

Tanner: Savio ist ein unglaublich guter Dribbler. Davon gibt es relativ wenige in Deutschland. Dazu ist er sauschnell. Diese beiden Dinge kann er wunderbar verbinden. Bei seinem Abschlussverhalten muss er auf alle Fälle noch zulegen. Allerdings ist das im Rahmen des Normalen bei einem 19-Jährigen.

SPOX: Guter Dribbler, unheimlich schnell - alles Talent, oder gezielt geschult?

Tanner: Savio hat seit frühester Kindheit davon gelebt, dass er seine Gegner ausspielen kann. Und das hat man dementsprechend auch immer wieder forciert. Wir haben nicht versucht, eine Passmaschine aus ihm zu machen. Das hätte ihn limitiert. Und wahrscheinlich hätte es auch nicht funktioniert, weil er es nie verstanden hätte. Er ist ein Spieler, den man seine Stärken ausleben lassen muss, dann kommt auch etwas dabei herum. Da gibt's im heutigen Fußball nur wenige Typen.

SPOX: Ist diese Individualität auch eine große Chance?

Tanner: Heutzutage wird großer Wert auf Passspiel und Handlungs- und Spielschnelligkeit gelegt. Den Kindern wird eingetrichtert: spielt ab, spielt schnell ab. Von daher sind diese Dribbler-Typen immer seltener. Es kann nie schaden, etwas zu können, was sonst nur wenige können.

SPOX: Auf dem Platz ist das eine. Wie ist Savio abseits des Rasens?

Tanner: (lacht) Er ist schon ein Striezi, wie man auf bayrisch sagt. Das gehört bei ihm dazu. Er hat sicherlich schon Dummheiten gemacht. Aber das muss bei einem jungen Kerl auch mal sein.

SPOX: Lausbubenstreiche?

Tanner: Nun ja, es war schon die eine oder andere Sache dabei, bei der man ihm zeigen musste, wo der rechte Weg ist. Aber es war nichts Kriminelles dabei.

SPOX: Mit zehn Jahren kam Savio zu den Löwen. Haben Sie gleich gesehen, dass er mal den Durchbruch schaffen kann?

Tanner: Zunächst einmal finde ich es hanebüchen, einen Zehnjährigen bewerten zu wollen. Die Störvariablen in diesem Alter sind viel zu zahlreich. Bei Savio konnte man sicher sehen, dass er ein außergewöhnliches Talent ist, weil er in Sachen Motorik und seinen Fähigkeiten am Ball einfach viel mitgebracht hat. Was letztendlich draus wird, konnte man mit zehn Jahren noch nicht einschätzen.

SPOX: Und als er den Klub mit 16 verließ?

Tanner: Als er dann von uns weg ist, haben wir schon gesagt: Er kann einer werden. Aber selbst jetzt ist noch nicht gesichert, dass es mit der "großen" Karriere etwas wird. Gerade in den Jahren, in denen es ans Eingemachte geht - zwischen 16 und 23 -, kann sich auch noch viel tun. Und ein wenig Glück gehört auch immer dazu.