Die spinnen, die Engländer...

SID
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© Getty

München - Der englische Boulevard liegt ja in seinen Beurteilungen häufig jenseits des guten Geschmacks. Aber in der vergangenen Woche, als er symbolisch die Seele des englischen Fußballs zu Grabe trug, traf er exakt den Nagel auf den Kopf.

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Dabei ging es keineswegs, wie man vielleicht vermuten könnte um die englische Nationalmannschaft, nein, es ging vielmehr um ein Modell, das unter den Granden der Football Association derzeit ernsthaft diskutiert wird.

Es ist ein Plan, der aberwitzig klingt, aber so ernsthaft diskutiert wurde und wird, dass die Chancen auf Durchführung gar nicht schlecht stehen: Ab der übernächsten Saison soll ein Fußballjahr aus 39 Spieltagen bestehen. 38 wie gehabt,  plus einer, an dem die Spiele quasi weltweit meistbietend versteigert  werden - vorzugsweise nach Asien, aber auch gerne Südafrika oder USA.

Ein Plan mit Schrägen

Dass dieser Plan durchaus seine Schrägen hat, ist selbst der FA nicht entgangen und so wurde hastig hinterhergeschoben, dass die ersten vier der Tabelle logischerweise nicht gegeneinander spielen dürften. Es wird also erst gesetzt und dann gelost.

Und mit ein bisschen Phantasie wird in Kapstadt  gerade der Meister gefeiert, während sich in Hong Kong Stunden später  - wegen der Zeitverschiebung - ein frustrierter Vize fragt, was das alles soll, das eigentlich abgestiegene Team so einen smarten Sieg einfährt, und damit ein sportlich qualifiziertes Team aus der Liga wirft, das gerade in New York untergeht. Gut gebrüllt, Lions!

Finanziell rentabel?

Der Globalisierungsdrang der Liga in allen Ehren: Keine Liga wird auf der Welt stärker verfolgt als die englische, aber dieses Konstrukt hat selbst mit schwarzem Humor nichts mehr zu tun.

Bei allem Verständnis für das Erschließen neuer Märkte. Fünf Millionen Pfund soll das Ganze pro Verein extra bringen. Dafür bekommt Abramowitsch gerade mal den Jet vollgetankt und was sind fünf Millionen für einen Club der so durch den Abstieg 100 Millionen verliert?

Letzte Bastion der Illusion

Fußball ist mittlerweile eine Ware, ein Geschäft, gerade in England, das weiß jeder. Das, was heute als "typisch englischer Fußball" verkauft wird, ist in der Regel von ausländischen Trainern instruiert und von ausländischen Stars umgesetzt. Das einzige, was wirklich noch typisch englisch ist, sind die Zuschauer.

Die spielen das Spiel mit, so lange sie sich einen Rest Illusion bewahren dürfen, was zuweilen schwer genug fällt. So kämpft der FC Chelsea um Zuschauer, wollte Liverpool unbedingt englischsprachige Investoren, gründen sie in Manchester einen Gegenpol zu Manchester United, gibt es im Durchschnittsstadion in der englischen Premier League rückläufige Zuschauerzahlen.

Dieses Modell wäre der letzte Killer für jedwede Form von Illusion und würde den Bogen komplett überspannen. Schon vor Jahren begann die Liga für die Saisonvorbereitung Turniere in fernen Ländern zu organisieren. Wirtschaftlich nachvollziehbar, imagefördernd und vorbildhaft für die Bundesliga. Die Liga auf diese Art umzustrukturieren, wäre sicher ein Knaller in Fernost, aber wohl ein Killer in der Heimat.

Bleiben Sie sportlich,

Wolff Fuss

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