Die Jagd nach den Dämonen

Von Carsten Germann
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© Imago

München/ Portsmouth - Die Ruhe tut gut. Allzu viel Rummel kann Tony Adams bei seiner Arbeit im malerischen Liphook in der englischen Grafschaft Hampshire ohnehin kaum gebrauchen.

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In der dörflichen Idylle widmet sich der ehemalige Abwehrchef des FC Arsenal einer Aufgabe, die härter ist als jedes Tackling. In der von Adams im Jahr 2000 gegründeten Klinik Sporting Chance helfen "Big Tone" und sein Therapeuten-Team britischen Fußball-Profis im Kampf gegen den Alkohol, gegen Spiel- und Drogensucht. Es geht um die letzte Chance.

Eine Dämonenjagd. Mindestens einmal pro Woche schaut Tony Adams, seit 2006 Assistenztrainer beim Premier-League-Klub FC Portsmouth, in Liphook vorbei. "Tony steht in ständigem Kontakt mit uns, ist immer auf Ballhöhe", so Klinikdirektor Peter Kay gegenüber SPOX.com.

Säufer, Kokser und Radaubrüder

Die Liste der gefallenen Fußball-Helden, die in dem schmucken Landhaus mit angrenzendem Cottage in Liphook Hilfe suchten, ist lang. Paul Merson, ehemaliger Saufkumpan von Adams beim FC Arsenal, ließ seine Trunk- und Spielsucht erfolgreich bei Sporting Chance behandeln.

Ex-Rangers-Star Alex Rae kämpfte bei Mister Arsenal ebenso gegen den Alkoholismus wie der irische Ex-Nationalspieler Paul McGrath (u. a. Manchester United). Auch der Rumäne Adrian Mutu, Ende 2004 vom FC Chelsea nach einem Kokain-Skandal gefeuert, und Newcastles Radaubruder Joey Barton gehörten zu den Patienten.

"Big Tone" als Rettungsanker

Die suchtkranken Kicker vertrauen dem einstigen Klasse-Verteidiger, der als scheu und zurückhaltend gilt. "Tony agiert als eine Art Anchorman für die Profis", erklärt Kay, "er ist sehr wichtig für unser Konzept und sagt mir oft, dass wieder jemand aus der Fußball-Szene auf ihn zukam. Das geschieht nur, weil er ein ehrlicher Mensch ist, der offen über seine Probleme gesprochen hat."

Tony Adams selbst lässt sich nur wenig über seinen Klinik-Alltag entlocken. Er tut Gutes, aber er spricht nicht gern darüber. "Die Idee, Sporting Chance zu gründen, hat mein Leben gerettet", erklärt Adams knapp gegenüber SPOX.com. Mehr als 300.000 Euro investierte der 41-Jährige bislang in die Klinik. Inzwischen wird die Institution unter anderem vom englischen Fußballverband (FA) und von der Spielergewerkschaft Professional Footballer´s Association (PFA) finanziell unterstützt.

Nach der Deutschland-Pleite: Gigantische Sauftour

Der 66-fache englische Nationalspieler Tony Adams weiß nur allzu gut, was es heißt, süchtig zu sein. Über ein Jahrzehnt lang führte der heute trockene Alkoholiker ein Doppelleben als Trinker und hoch bezahlter Profi. "Ich habe mich selbst in den Alkoholismus getrunken", so Adams' Selbsterkenntnis in einem Interview mit dem Verlag Harper Collins, "Fußball war die wichtigste Droge in meinem Leben, Alkohol lange Zeit die andere."

Die Schlagzahl des Arsenal-Kapitäns lag mitunter bei zehn Halblitergläsern Bier pro Abend, die Nachtclubrechnungen in Glanzzeiten bei bis zu 8.700 Euro.Im Vollrausch zerschlug er zur Freude von Touristen Biergläser auf seinem Kopf und im Dezember 1990 landete Adams nach einer wilden Trunkenheitsfahrt für zwei Monate im Gefängnis.

Erst nach einer dreimonatigen Zechtour im Anschluss an die Pleite im EM-Halbfinale 1996 gegen Deutschland war Adams am Ende. Am 14. September 1996 gestand er auf einer Pressekonferenz in London Colney ein, Alkoholiker zu sein. Der Kapitän der Three Lions ein Trinker - England war geschockt. "Ich konnte es nicht glauben. Über so viele Jahre hatte Tony Raubbau an seiner Gesundheit betrieben und dennoch Top-Leistungen gebracht", so die Reaktion von Arsenal-Coach Arsene Wenger.

Adams: Profis unter "riesigem Druck"

Das Outing als Alkoholiker und eine 20-monatige Entziehungskur waren für Tony Adams die ersten Schritte auf dem Weg hin zu einer zweiten Karriere. "Die Idee", erinnert sich Peter Kay, "mit einer Institution wie Sporting Chance anderen Spielern zu helfen, entstand noch in Tonys Zeit als Arsenal-Profi. Eine solche Einrichtung gab es in England bis dahin nicht."

Doch anders als Adams haben auf der Insel nur wenige Spitzenspieler den Mut, sich zu ihren Alkohol- und Drogenproblemen zu bekennen. Die Dunkelziffer ist hoch. "Gerade als Sportler ist es immens schwer, sich zu seinen Problemen zu bekennen, weil immer auch ein riesiger öffentlicher Druck auf dir lastet", sagt Tony Adams.

"Die Spieler der britischen Spitzenklubs haben oft niemanden, mit dem sie über diese Dinge sprechen können", ergänzt Peter Kay, "viele von ihnen, vor allem ausländische Stars, sind sehr einsam." Adams und sein Team wissen um diese Problematik. "Wir arbeiten eng mit den Profiklubs zusammen, geben Präventiv-Seminare für junge Spieler zum Thema Drogenmissbrauch", so Peter Kay.

Das medizinische Konzept von Sporting Chance hat eine ganzheitliche Erholung von Körper und Seele zum Ziel. Dabei helfen sollen unter anderem eine Thalasso-Therapie, Gesprächsrunden, Wellness und eine spezielle Ernährung. Und am Ende soll nur eins bleiben: Die Sucht nach Fußball.