Metzger in Skihosen

Von Stefan Rommel
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© Getty

München - Steve Buns' neuer Lebensmittelpunkt hat ca. 12 Quadratmeter Größe und ein kleines Fenster zum Hinterhof.

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Seit Wochen verbringt der Sozialarbeiter aus Liverpool mehr Zeit an diesem kleinen, miefigen Raum als mit seinen juvenilen Straftätern, Schwererziehbaren oder Heimatlosen.

Buns will kein Weltverbesserer sein, er hat sich schon mit vielen Dingen abgefunden. Aber jetzt muss er schreiben und organisieren. Sein Mikrokosmos ist "the wall", die Wand. "It's all about LFC, nothing but LFC", sagt er. Der FC Liverpool ist sein Verein. Und dessen Besitzer sind seine Feinde.

Übernahme vor gut einem Jahr

Vor knapp einem Jahr haben George Gillett und Tom Hicks den FC Liverpool übernommen. Der Fachmann spricht vom Erwerb der Mehrheitsanteile. Der Fan empfindet es als Verkauf der Seele.

Die beiden Amerikaner drangen in den Klub wie ihr berühmter Vorgänger Malcolm Glazer beim verhassten ManUnited. Hicks, ein 61-jähriger Texaner, gilt als ungeduldiger Spekulant, der gerne schnell investiert und noch schneller finanziellen Erfolg sehen will.

In seiner Heimatstadt Dallas baute er sich dank seiner Investment-Firma Hicks, Muse, Tate and Furst ein Imperium auf und brachte es bis Mitte 2007 immerhin auf rund 1,3 Milliarden Dollar Privatvermögen.

Neben Liverpool besitzt Hicks auch noch die Dallas Stars (Eishockey) und die Texas Rangers (Baseball).

Schweinebäuche und die Dolphins 

Die Vita seines Kumpanen Gillett liest sich noch verrückter: Der 69-Jährige begann seine Karriere als Metzger, mit dem Verkauf von abgepackten Schweinebäuchen. Danach machte er Gewinne mit einigen TV-Stationen und stieg im zarten Alter von 27 Jahren bei den Miami Dolphins ein. Später erwarb Gillett die Jux-Basketball-Combo Harlem Globetrotters.

Der große Crash erfolgte Mitte der Neunziger, als die Gillett Holding pleite war. "Sie gaben mir zehn Tage, um aus meinem Haus zu verschwinden", sagt Gillett rückblickend. "Aber ich habe mir alles wieder zurückgekauft. Mein Haus, meine Klamotten und sogar meine Hunde."

Ein paar potente Geldgeber und seine neue Firma Booth Creek Management Corporation wurden zu seiner Rettung. Gillett machte aus seiner großen Leidenschaft, dem Skifahren, Profit und verwandelte die Region um Vail/Colorado in das berühmteste Skigebiet Amerikas.

Vor ein paar Jahren erstand er als erster Amerikaner das NHL-Team Montreal Canadiens. Die ebenfalls geplanten Übernahmen der Denver Nuggets (Basketball) und Colorado Avalanche (Eishockey) scheiterten.

Von Beginn an Bedenken

Es sind also bunte Vögel, die sich die Reds da ins Haus geholt haben. Aber was hätten sie auch machen sollen? Liverpool stand mit 100 Millionen Euro in der Kreide, Fremdkapital musste her.

Dubai Investment Capital, der lange (Finanz-)Arm der Regierung des Wüstenstaats, bekundete Interesse. Im letzten Moment machten aber die zwei US-Milliardäre das Rennen, DIC war außen vor.

Von Beginn an waren die Bedenken der Fans größer als die Freude über die zig Millionen Euro und neuen Stars, die Gillett und Hicks damals quasi schon mit im Gepäck hatten.

"Langfristig mit Liverpool arbeiten"

Die Finanzlücke wurde mittels eines Kredits geschlossen, der Bau des neuen Stadions einen Steinwurf entfernt von der Anfield Road endlich in Angriff genommen.

Der Stanley Park wird für die nächsten 999 Jahre von der Stadt an die Reds verpachtet und soll ab Sommer 2009 rund 60.000 Fans Platz bieten.

Es sieht also nach einer rosigen Zukunft aus - wären da nicht die immer konkreter werdenden Gerüchte, dass sich die beiden US-Eigner wieder aus dem Fußballgeschäft zurückziehen wollten.

"Unsere Idee ist es, langfristig und seriös mit dem FC Liverpool zu arbeiten", sagte Hicks einige Tage nach der Übernahme in einem Interview mit der BBC. "Wir wollen hier nicht nur ein Jahr bleiben, sondern mehrere Jahre."

Die DIC ist wieder da

Will man wieder der BBC Glauben schenken, dann werden den bisher elf Monaten nur noch wenige Wochen folgen. Wie der Sender behauptet, kratzt die DIC in Person von Liverpool-Fan Sameer Al Ansari schon wieder an der Tür - und Hicks wäre diesmal angeblich nur zu glücklich darüber.

Für 500 Millionen Pfund (rund 670 Millionen Euro) wäre Hicks bereit, den FC Liverpool den Wüstensöhnen zu überlassen, heißt es in der BBC-Meldung. Hicks und Gillett hatten vor Jahresfrist ca. 435 Millionen Pfund (580 Millionen Euro) dafür bezahlt. Der Reingewinn von 90 Millionen Euro in elf Monaten klingt verlockend.

Langwieriger Streit mit Benitez

Hicks sieht sich seitdem als Buhmann, er wird als Radikalkapitalist dargestellt und als Heuschrecke. Er mischt sich in die Belange der sportlichen Führung ein. Mit Trainer Rafa Benitez hatte er sich schon vor Wochen überworfen. Dem Spanier hatte Hicks immer wieder taktische Fehler und falsche Personalplanung vorgeworfen.

"Wer bezahlt, der bestimmt", wird in Liverpool jetzt zum erstenmal nur zu deutlich. Für die puristischen Scousers mit ihrer heimeligen Liebe zur Tradition ein Affront.

Einige Tage nachdem Jürgen Klinsmann beim FC Bayern unterschrieben hatte, wurde dann  bekannt, dass Hicks den Spanier Benitez killen und dafür mit dem Schwaben Klinsmann weiter arbeiten wollte. In den turbulenten Wochen davor hatte Hicks immer und immer wieder betont, er habe weder Kontakt zu, noch Interesse an Klinsmann.

Verräter aus der Familie?

Mit derselben Vehemenz versucht er nun auch, die hässlichen Gerüchte um seinen vorzeitigen Abschied zu vertreiben. "Ich habe weder ein Angebot dieser komischen Scheichs bekommen, noch die Absicht, mich wieder aus dem Geschäft zu verabschieden", ließ er seinem Ärger wutschnaubend freien Lauf.

Pikanterweise soll einer der angeblichen Denunzianten aus dem engsten Familienkreis stammen. "Sie beide (Hicks und Gillett) wollen den Klub so schnell wie möglich wieder los werden. Sie haben es jetzt schon satt mit dem FC Liverpool."

Hicks' Konter: "Wer auch immer hinter dieser Lüge steckt, dem sei versichert, dass weder ich noch jemand aus meiner Familie die Anteile am FC Liverpool verkaufen will." Den ominösen Übeltäter jetzt zu finden, könnte sich als schwierig erweisen. Hicks hat immerhin sechs Kinder.

Hoffnung ruht (allenfalls) auf Gillett

Bleibt allen Liverpool-Fans noch Co-Eigner Gillett. Der hat bewiesen, dass er langfristig investieren will und auf schnelle Rendite verzichtet. Diese romantische Form der Geldanlage kommt bei den Anhängern gut an.

Ansonsten beginnt der Albtraum wieder von vorne, verkommt der Rekordmeister zu einem bloßen Spekulationsobjekt und im schlimmsten Fall zum "Role Model" für kommende Generationen von Hedgefond-Firmen.

"U messed up Vietnam, u messed up Iraq. Don't mess with scousers by giving Rafa the sack" (Ihr habt Vietnam verloren, Ihr habt Irak verloren. Legt Euch nicht mit uns an, indem Ihr Rafa Benitez rauswerft), ließen die Fans am Rande der Partie gegen Aston Villa ihre Besitzer wissen.

Steve Buns und all die anderen hoffen auf den alten Mann aus Colorado. Der traditionsreichste Fußball-Klub Englands liegt in den Händen eines Metzgers in Skihosen.

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