Einfach zur Tagesordnung übergehen?

SID
Andreas Beck und Mario Gomez spielen gemeinsam für Besiktas
© imago

SPOX-Kolumnist Andreas Beck spricht über die Ereignisse der letzten Tage und berichtet aus eigenen Erfahrungen in der Türkei, wo er für Besiktas spielt.

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Hallo zusammen,

ich würde an dieser Stelle gerne über meine ersten Wochen und Monate bei Besiktas berichten und davon erzählen, wie gut es mir in Istanbul geht. Aber leider überschatten die aktuellen Ereignisse vieles, sodass alles andere fast schon zur Nebensächlichkeit verkommt.

Die meisten Jungs in der Nationalmannschaft kenne ich ja persönlich, in Mario Gomez spielt ein aktueller Teamkollege dort. Mit Mario hatte ich schon im Vorfeld der Partie in Paris, als die erste Bombendrohung im Hotel aufkam, Kontakt aufgenommen. Er hat mir geschrieben, wie er und die anderen nachmittags in Roland Garros ausharrten. Was danach passiert ist, wie sich das danach entwickelt hat, war einfach nur schrecklich.

Ich saß während des Spiels vor dem Fernseher und hörte natürlich auch das, was jeder hörte. Und dann auch diese Stille im Stadion. Das war unglaublich bedrückend. Und die Bilder, die dann kamen, einfach nur schrecklich. Ich wünsche allen, die von den furchtbaren Ereignissen betroffen sind, ganz viel Kraft in diesen schweren Stunden.

Was mich insgesamt sehr nachdenklich stimmt, ist, in welcher Häufigkeit derzeit diese tragischen Ereignisse auftreten. Anfang des Jahres hatten wir die Opfer von Charlie Hebdo betrauert, auch in der Türkei gab es eine Reihe von Anschlägen, zuletzt in Ankara mit über 100 Personen, die gestorben sind. Jetzt wieder in Paris und dann in Hannover die Absage. Das kann man gar nicht in Worte fassen, was man da fühlt. Das alles macht mich einfach nur tieftraurig.

Und natürlich geht das nicht spurlos an einem vorbei. Man wird nachdenklich, trägt eine gewisse Trauer und Wut mit sich und überlegt auch, was die Ursache des Ganzen ist.

Andreas Beck bei Facebook

Die Verarbeitung ist dabei gar nicht so einfach. Ich kenne das von Besiktas und meinen Kollegen, als wir in den letzten Wochen und Monaten immer wieder die Opfer von Anschlägen betrauert hatten. Natürlich leidet man da mit. Die Frage ist dann immer: Geht man einfach zur Tagesordnung über? Zieht man sich zurück? Trauert man fortwährend? Das muss jeder mit sich selbst vereinbaren. Ich glaube, da gibt es kein Patentrezept. Aber ich persönlich finde es wichtig, dass man sich nicht unterkriegen lässt - und gleichzeitig Zeichen der Solidarität setzt. So wie es bei der Partie zwischen England und Frankreich passiert ist. Oder wie es auch hier bei Besiktas gehandhabt wird.

Wir haben ja übrigens sehr politisch aktive Fans, die ein gutes Gespür für aktuelle Situationen haben und immer wieder ein Statement setzen. Und wir Spieler gehen zum Beispiel mit Bannern aufs Feld, mit denen wir unsere Anteilnahme zum Ausdruck bringen.

Ich hoffe aber, dass ich bei der nächsten Kolumne ausschließlich wieder über sportliche Dinge berichten darf. Wir haben die Normalität bitter nötig.

Friedliche Grüße

Euer Andi

Andreas Beck, geboren am 13. März 1987 in Kemerowo (Russland), durchlief sämtliche Junioren-Nationalmannschaften des DFB und spielte ab 2009 neun Mal für die Nationalmannschaft. Beck spielte über 200 Mal in der Bundesliga und wurde 2007 mit dem VfB Stuttgart Deutscher Meister. Ein großer Erfolg war auch die Europameisterschaft 2009 mit der U21-Nationalmannschaft. Nach über zehn Jahren in der Bundesliga wechselte Beck zu Beginn der Saison zu Besiktas in die Türkei.

Andreas Beck im Steckbrief

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