Copa America - Ricardo Gareca: Von Escobars Todesliste auf Perus Thron

Ricardo Gareca ist seit 2015 Perus Nationaltrainer.
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Nach der WM-Teilnahme im vergangenen Jahr gelingt Peru mit dem Einzug ins Finale der Copa America gegen Brasilien (heute ab 22 Uhr LIVE und EXKLUSIV auf DAZN) die nächste Sensation. Der Vater des Erfolges trägt den Namen Ricardo Gareca. Dabei kann der "Tiger", wie der 60 Jahre alte Trainer aus Argentinien genannt wird, froh sein, als einstiger "Feind" von Pablo Escobar überhaupt noch unter den Lebenden zu wandeln.

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Ricardo Gareca ist viel zu wenig Genießer, um all das aufzusaugen, was sich da gerade um ihn herum abspielt. Als "Besten aller Zeiten" feierte ihn etwa die peruanische Tageszeitung El Comercio am Freitag, nachdem er tags zuvor mit seiner Außenseitertruppe die klar favorisierten Chilenen im Halbfinale der Copa America mit 3:0 bezwungen hatte. Und seine Spieler huldigten ihm wie die auf den Straßen tanzenden Fans, als hätte er sie gerade zum Turniersieg geführt.

Der Trainer der Peruaner, der schon seit der WM-Teilnahme im vergangenen Jahr, der ersten seit 36 Jahren, als Volksheld gilt, blieb aber bemerkenswert besonnen. Vielleicht, weil er als Argentinier derartige Erfolge eher gewohnt ist als die Menschen in seiner Wahlheimat. Vielleicht aber auch, weil er sich und seinem Team entgegen der meisten Peruaner realistische Chancen für das Finale gegen Brasilien ausrechnet. "Die Arbeit ist noch nicht getan", meinte Gareca nach der Sensation gegen Chile. "Wenn man nach so langer Zeit schon im Endspiel steht, dann gibt es auch keine andere Option, als es zu gewinnen."

Copa America: Peruaner hoffen auf Wunder gegen Brasilien

Es wäre ja schon irgendwie vermessen, zu glauben, sein Team könnte gegen den vor internationaler Prominenz nur so strotzenden Gastgeber vor über 78.000 Zuschauern im geschichtsträchtigen Maracana mitspielen. Das klappte ja schon in der Vorrunde nicht, als die "Blanquirroja" mit 0:5 unterging und offenbarte, warum der Großteil ihrer Spieler in der heimischen Primera Division oder in durchschnittlichen Übersee-Ligen verdingt, anstatt in der europäischen Elite mitzumischen. Andererseits haben solche Endspiele bekanntlich ihre eigenen Gesetze. Und der Wille kann manchmal eben doch Berge versetzen. Ein Rezept, auf das Gareca praktisch seit seiner Ankunft im Jahr 2015 vertraut.

Der "Tiger", wie er genannt wird, schafft es mit seinen klaren, aber enthusiastischen Ansprachen, seine Spieler zu Höchstleistungen zu motivieren. Gleichzeitig erkennt er ihre Stärken und setzt sie gekonnt ein. Man nehme nur Paolo Guerrero, den mittlerweile 35 Jahre alten Kapitän, als Beispiel, der sich in Garecas 4-2-3-1-System als eine Art Freigeist im Sturmzentrum bewegt und immer wieder auf andere Positionen ausweicht. Guerrero ist zwar ein intelligenter Spieler, der Erfolg versprechende Räume wie vor seinem Tor gegen Chile erkennt, aber er hat eben auch einen Trainer, der ihn weder in ein taktisches Korsett zwängt noch Aufgaben aufhalst, die ihm keinen Spaß bereiten.

Auch Deutschland hatte gegen Peru Probleme

Für die Drecksarbeit sind ohnehin andere Akteure zuständig. Akteure wie Renato Tapia und Yoshimar Yotun, die auf der Doppelsechs nicht immer fehlerfreie Pässe spielen, ihren Gegenspielern aber mit einer Furchtlosigkeit begegnen, die ihres Gleichen sucht. Akteure wie Carlos Zambrano, noch so einen alten Bekannten aus der Bundesliga, den man problemlos in die Kategorie "Gift und Galle" stecken kann. Perus Mischung aus einer körperbetonten Defensive und frechen Offensive ist gefährlich.

Auch die deutsche Nationalmannschaft hatte im vergangenen September beim knappen 2:1-Sieg so ihre Probleme mit Garecas Mannschaft. Wie zuvor bei der Weltmeisterschaft wäre bei jenem Duell womöglich sogar mehr für die Südamerikaner drin gewesen, hätten sie eine bessere Chancenverwertung an den Tag gelegt.

Das war am Donnerstag anders, als sie gegen Arturo Vidal, Alexis Sanchez und Co. eiskalt zuschlugen und sich am Ende auch bei der Torhüter Pedro Gallese bedanken durften. Gallese erwies sich mit einem gehaltenen Elfmeter und sechs weiteren Top-Paraden als Schlüssel zum Finaleinzug, sein Trainer sprach hinterher von einer "fantastischen Leistung", die er auf diesem Niveau selten gesehen habe. Er muss es ja wissen, bekam er es zu seiner aktiven Zeit als Stürmer doch mit so einigen starken Schlussmännern zu tun.

Pablo Escobar wollte Peru-Coach ermorden lassen

Gareca ging unter anderem für die Boca Juniors und für River Plate auf Torejagd, von 1985 bis 1989 war er auch in Kolumbien bei America Cali aktiv. Im vergangenen Jahr erfuhr er, dass er damals um ein Haar dem kolumbianischen Drogenbaron Pablo Escobar zum Opfer gefallen wäre. Der Grund dafür: Der Verein, bei dem Gareca unter Vertrag stand, wurde vom Cali-Kartell unterstützt, den Feinden von Escobars Medellin-Kartell. "Gareca war immer im Fokus von Pablo", berichtete Jhon Jairo Velasquez, ein ehemaliger Auftragskiller des legendären Narco-Bosses, in einem Interview mit dem peruanischen Magazin El Popular.

"Pablo dachte über eine Autobombe nach, nachdem das Cali-Kartell einen Anschlag auf seine Familie verübt hatte", sagte der unter dem Spitznamen "Popeye" bekannte Velasquez. Aber: "Seine Liebe zum Fußball rettete Gareca und die anderen Spieler von America."

Gareca selbst reagierte schockiert, als er von Velasquez' Aussagen hörte. Er finde "keine Antwort" darauf, Kolumbien habe er trotz allem aber in guter Erinnerung, es seien "sensationelle Jahre" gewesen. Die erlebt er gerade auch in Peru. Fragt sich nur, wie lange noch. Argentinische Medien berichten, dass sich Vertreter der krisengeplagten "Albiceleste" nach der Copa America mit Gareca zu Gesprächen über ein Engagement als neuer Nationaltrainer treffen wolle. Der unerfahrene Lionel Scaloni sei nach dem Aus im Halbfinale nicht zu halten, heißt es.

Ob Gareca überhaupt Lust hätte, den peruanischen Thron zu verlassen, sei einmal dahingestellt. Mit einem Sieg gegen Brasilien würde er zumindest den perfekten Abschied feiern. Auch wenn er den gar nicht braucht. In Perus Hauptstadt Lima haben sie ihm und Kapitän Guerrero schon nach der WM eine goldene Statue in Lebensgröße hingestellt. Manchmal muss man eben keine Titel holen, um geliebt zu werden.

Die Statuen von Ricardo Gareca und Paolo Guerreiro in Lima.
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Die Statuen von Ricardo Gareca und Paolo Guerreiro in Lima.

Copa America: Die erfolgreichsten Teams der Geschichte

TeamSiege
Uruguay15
Argentinien14
Brasilien7
Chile2
Paraguay2
Peru2
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