Timon Wellenreuther von Willem II im Interview: "Die Champions League ist wie eine Droge"

Von Robin Haack
Spricht im Interview mit Goal und SPOX über seine bewegte Karriere, Champions League mit Schalke und seine aktuelle Lage: Timon Wellenreuther.
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Mit 19 Jahren wurde Timon Wellenreuther beim FC Schalke 04 ins kalte Wasser geworfen. Aufgrund von Verletzungen rückte der talentierte Schlussmann ins Tor der Königsblauen und spielte unter anderem im Revierderby, gegen den FC Bayern und in der Champions League gegen Real Madrid.

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Inzwischen steht der ehemalige U21-Nationaltorwart bei Willem II Tilburg in den Niederlanden unter Vertrag und hat sich dort zum Führungsspieler entwickelt. Im Interview mit Goal und SPOX erinnert sich Wellenreuther an seinen turbulenten Karrierestart und Rückschläge, die er anschließend einstecken musste.

Außerdem spricht der 23-Jährige über seine Zukunftspläne, die verpasste Teilnahme an den Olympischen Spielen und die Strahlkraft von Ajax in der Eredivisie.

Timon, wissen Sie noch, was Sie am 18. Februar 2015 gemacht haben?

Timon Wellenreuther: Das müsste der Tag meines ersten Champions-League-Spiels gewesen sein.

Richtig, als 19-Jähriger standen Sie an diesem Tag im Champions-League-Achtelfinale gegen Real Madrid im Tor.

Wellenreuther: Das werde ich nie vergessen. Seit diesem Tag bin ich der jüngste deutsche Torwart, der je in der Champions League zum Einsatz kam. Jedes Kind träumt von solchen Spielen.

Haben Sie ein besonderes Andenken an diesen Abend?

Wellenreuther: Ich habe nach Abpfiff mein Trikot mit Iker Casillas getauscht. Er ist eine Legende, zu der ich in meiner Jugend aufgeschaut habe. Deshalb werde ich das Trikot auch niemals hergeben. Es wird immer einen Ehrenplatz bekommen und hängt aktuell in meinem Wohnzimmer.

Da Ralf Fährmann und Fabian Giefer zu diesem Zeitpunkt verletzt ausgefallen waren, standen Sie 2015 auch in der Bundesliga einige Wochen im Tor des FC Schalke. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Wellenreuther: Es ging alles unfassbar schnell, sodass ich zum damaligen Zeitpunkt gar nicht realisieren konnte, was da eigentlich passiert. Ich stand im Revierderby, gegen den FC Bayern und Real Madrid im Tor. Diese Wochen waren sehr turbulent und unvergesslich.

Steht seit zwei Jahren bei Willem II unter Vertrag: Timon Wellenreuther.
© getty
Steht seit zwei Jahren bei Willem II unter Vertrag: Timon Wellenreuther.

Dabei haben Sie Höhen und Tiefen erlebt.

Wellenreuther: Viel mehr als das Derby und zwei Spiele gegen Real Madrid kann man nicht erleben. Im Großen und Ganzen bin ich mit meinen Leistungen in dieser Zeit zufrieden. Auch gegen den BVB habe ich gut gespielt, bis mir vor dem 0:3 ein Fehler gegen Marco Reus unterlaufen ist. Aber das ist das Torwartspiel und passiert jedem manchmal.

2015 standen noch Spieler wie Kevin-Prince Boateng, Klaas-Jan Huntelaar oder Benedikt Höwedes im Schalker Kader. Wie viel Ehrfurcht hat man als junger Spieler, plötzlich mit solch großen Namen auf dem Platz zu stehen?

Wellenreuther: Schon als U19-Spieler durfte ich teilweise bei den Profis mittrainieren und in der Anfangszeit war die Ehrfurcht sehr groß. Boateng habe ich als Jugendlicher im Fernsehen verfolgt. Plötzlich mit ihm in der Kabine zu sitzen, war für mich unglaublich. Anfangs habe ich den Ball flach gehalten und mich kaum getraut, etwas zu sagen. Ich habe mich nicht auf einer Ebene mit diesen großen Spielern gesehen. Besonders vor Boateng hatte man als junger Spieler großen Respekt.

Was macht ihn besonders?

Wellenreuther: Vor ihm hatte ich am meisten Respekt. Wenn ein junger Spieler Widerworte gegeben hat, hat er gleich klargemacht, wer hier der Chef ist. (lacht)

Fehlen auf Schalke mit Blick auf die aktuelle Situation große Persönlichkeiten wie Boateng, Höwedes, Huntelaar oder auch Naldo?

Wellenreuther: Schalke ist ein riesiger Verein, der immer von großen Spielern gelebt hat. Gerade in schwierigen Situationen sind Anführer wie Höwedes oder Huntelaar schon sehr wichtig. Niemand will, dass Schalke so weit unten steht. Mit Blick auf die Tabelle leide ich mit dem Verein. Ich durfte drei Jahre auf Schalke spielen und verfolge den Klub noch heute sehr regelmäßig. Daher lässt es mich nicht kalt, was dort vor sich geht. Aber ich bin davon überzeugt, dass es schon in der kommenden Saison wieder deutlich besser laufen wird.

Verstehen Sie den aktuellen Unmut der Fans? Sie selbst standen 2016 beim Revierderby in der Fankurve und konnten miterleben, was dort vor sich geht.

Wellenreuther: Ich kann verstehen, dass die Fans unzufrieden sind. Natürlich kann es immer passieren, dass man in eine Abwärtsspirale rutscht und einige Spiele verliert, aber die Zuschauer kommen ins Stadion, um Siege zu feiern. Auch die Fans haben ein Herz, lieben den Fußball und den Verein. Sie sind enttäuscht, wenn sie schlechte Leistungen sehen. Daher ist es ihr gutes Recht, ihren Unmut zu äußern.

Nachdem Sie in der Saison 2015/16 an den RCD Mallorca verliehen waren, haben Sie nach Ihrer Rückkehr auf Schalke gar keine Rolle mehr gespielt. Wie schwer war diese Zeit für Sie?

Wellenreuther: Das war das schwierigste Jahr meiner Karriere. Ich war damals aktueller U21-Nationaltorwart und hatte den Traum, im Sommer 2016 zu den Olympischen Spielen zu fahren. Auf Schalke war ich aber nur noch die Nummer drei und hatte einen ganz anderen Anspruch. Es reichte mir nicht, jede Woche auf der Tribüne zu sitzen und mal ein paar Spiele für die U23 in der Regionalliga zu machen.

Sie waren letztlich nicht bei Olympia dabei. Wie sind Sie damit umgegangen?

Wellenreuther: Es war mein Ziel, in Rio dabei zu sein und als Stammtorwart der U21 wäre ich unter normalen Umständen auch dabei gewesen. Ich bin sicher, es wäre eine tolle Erfahrung gewesen. In einem Gespräch mit Sportvorstand Christian Heidel habe ich ihm damals aber klargemacht, dass ich mich auf Schalke durchsetzen will und in der Vorbereitung alles geben werde, um zu spielen.

Das hat allerdings nicht geklappt. Haben Sie sich ungerecht behandelt geführt?

Wellenreuther: Ich wollte im Sommer 2016 unbedingt wechseln, als klar war, dass ich wieder nur die Nummer drei sein würde, aber Schalke wollte mich nicht abgeben. Ich war damals 20 Jahre alt, kam mit Selbstvertrauen aus Spanien zurück und wollte spielen, statt auf der Tribüne sitzen.

Warum ist ein Transfer nicht zustande gekommen?

Wellenreuther: Die Ablösesumme war ein Problem. Es gab konkrete Angebote, aber Schalke hatte komplett andere Vorstellungen als ich und mein Berater, sodass es nicht zu einem Wechsel gekommen ist.

Hatten Sie in der Saison 2016/17, in der Sie ohne Einsatz bei den Profis geblieben sind, Angst, dass der Traum von der großen Karriere noch platzen könnte?

Wellenreuther: Ich wusste immer, was ich kann und für mich war es keine Strafe, als 20-Jähriger einige Spiele in der U23 zu machen. Es ist immer eine Freude, auf dem Platz zu stehen. Nur, weil ich in der Champions League gegen Ronaldo gespielt habe, war ich nicht plötzlich ein großer Star.

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