Stephan Schröck im Interview: "Wir hatten Angst um unser Leben"

Von Robin Haack
Stephan Schröck ist inzwischen Kapitän der philippinischen Nationalmannschaft.
© getty
Cookie-Einstellungen

Obwohl Sie nur 33 Länderspiele gemacht haben, waren abenteuerliche Reisen nach Indien, Malaysia, Singapur oder Nordkorea dabei. Was haben Sie dort erlebt?

Schröck: Als ich mich der Verband für ein Spiel in Indien nominiert hat, stand auf der Einladung dick und fett, dass ich unbedingt Malaria-Tabletten mitbringen muss, falls ich dort gestochen werden. Was auf den Malediven passiert ist, werde ich allerdings nie vergessen. (lacht)

Was ist dort passiert?

Schröck: Dort ist es ganz normal, dass wir mit dem Boot zum Stadion fahren. Vor unserem ersten Gruppenspiel im Südostasien Cup sind wir in einen Sturm geraten und unser Boot war zu klein, sodass wir mitten auf dem Ozean auf ein größeres Boot umsteigen mussten. Es war wie im Film und wir hatten Angst um unser Leben. Bei Sturm, Blitz und Donner sollten wir dann einzeln auf das größere Boot übersetzen, doch hatten keine Chance, da jeder von uns bei diesem Wellengang ins Wasser gefallen wäre. Als wir dann endlich angekommen waren, konnten drei von uns nicht spielen, weil sie sich die ganze Zeit übergeben mussten.

Wie war es in Nordkorea?

Schröck: Es war verrückt. Es gab kein Internet und man hatte praktisch keinen Kontakt zur Außenwelt. Nach unserer Ankunft haben wir uns als Mannschaft zusammen für 100 Dollar einen 15-Minuten-Zugang zum Internet gekauft, damit wir alle Lebenszeichen an unsere Familien senden konnten. Als wir zweieinhalb Stunden vor unserem Spiel im Stadion in Pjöngjang ankamen, war es mit 50.000 Menschen schon komplett voll und die Zuschauer probten Choreografien auf der Tribüne.

Nordkorea? "Mussten Laptops anschalten und zeigen, was für Dateien darauf sind"

War es beängstigend, sich in Nordkorea aufzuhalten?

Schröck: Die ersten Stunden hat man sich dort wirklich sehr fremd gefühlt. Wir wurden an der Grenze komplett kontrolliert und mussten sogar unsere Handys und Laptops anschalten und zeigen, was für Dateien darauf sind. Es war sehr streng, doch die Nordkoreaner waren alle sehr freundlich zu uns. Aber natürlich hat man Angst, einen Fehler zu machen und in ein Fettnäpfchen zu treten.

Mussten Sie dort spezielle Verhaltensregeln beachten?

Schröck: Ohne Begleitung durften wir das Hotel nur in einem Umkreis von 100 Metern verlassen. Bei weiteren Ausflügen mussten wir einen nordkoreanischen Begleiter an unserer Seite haben. Ob es jedoch nur zu unserem Schutz oder eine Anweisung des Staates war, weiß ich nicht.

Neben Ihrem Engagement in der Nationalmannschaft spielen Sie seit 2016 auch auf den Philippinen. Wie kam es dazu?

Schröck: Im Jahr 2015 stand ich noch drei Jahre in Fürth unter Vertrag, aber der Verein und ich hatten komplett andere Vorstellungen, was meine Rolle betrifft. An Silvester wurde ich darüber informiert, dass der Klub nicht mehr mit mir plant und ich mir einen neuen Verein suchen soll. Mein Ziel war dann, mich ausleihen zu lassen, um sechs Monate regelmäßig auf gutem Niveau zum Einsatz zu kommen. Es waren die verrücktesten Anfragen aus Thailand, Australien und den Emiraten dabei und ich wusste nicht, was am besten zu mir passt. Ich habe meine Situation damals mit einem Freund besprochen, der auf den Philippinen spielt. Er hat daraufhin die Verantwortlichen seines Klubs angesprochen und sie davon überzeugt, mir ein Angebot zu machen.

Sie waren sofort Feuer und Flamme für die Idee?

Schröck: Ich wusste, dass es nur um vier Monate geht, aber am Anfang war ich skeptisch. Ich wusste aus der Nationalmannschaft, dass die Bedingungen dort nicht sehr professionell sind. Schließlich habe ich den Schritt gewagt, mit der Option, schon nach wenigen Monaten wieder wechseln zu können. Rückblickend habe ich die Entscheidung nicht bereut, und das Abenteuer hat sich ausgezahlt.

Schröck über Auswärtsspiele: "Bin ich im Jahr 2018 84-mal geflogen"

Inzwischen leben Sie seit drei Jahren dort und haben schon Einiges erlebt. Bei einem Land mit über 7.000 Inseln klingen vor allem Auswärtsreisen problematisch.

Schröck: (lacht) Problematisch ist ein gutes Wort. Vor zwei Jahren wurde hier eine neue Liga gegründet, die Heim- und Auswärtsspiele vorschreibt. Der asiatische Fußballverband verlangt dies, damit wir in der Champions League und dem AFC-Cup antreten dürfen. Weil man auf den Philippinen fast keine Reisen mit dem Bus zurücklegen kann, bin ich im Jahr 2018 84-mal geflogen. Viele der Teams stehen wegen dieser immens hohen Reisekosten vor dem Bankrott. Es könnte sich in Deutschland nicht einmal eine Zweitligamannschaft leisten, alle drei Tage rund 40 Personen umherzufliegen.

Wie können sich das die Teams auf den Philippinen leisten?

Schröck: Der Fußball auf den Philippinen ist noch nicht auf einem Level, auf dem er Geld generieren kann. Es läuft bislang über Privatpersonen, die fünf Millionen Dollar pro Jahr übrighaben. Durch diese Hilfen versucht man, den Fußball auf den richtigen Weg zu bringen.

Wie viel verdient ein Durchschnittsfußballer auf den Philippinen?

Schröck: Es kommt darauf an, wie gut man ist. (lacht) Ohne genau zu wissen, was ein Drittligaspieler in Deutschland tatsächlich verdient, würde ich schätzen, dass die meisten Profis auf den Philippinen in etwa so viel verdienen, wie in Top-Vereinen der 3. Liga.

Schröck: "Keinen Tag, an dem ich dachte, es sei angenehmes Fußballwetter"

Wie schätzen Sie das Niveau der philippinischen Liga ein?

Schröck: Der Fußball auf den Philippinen ist komplett anders als in Deutschland. Die Dinge, die mich in Deutschland ausgezeichnet haben, kann hier praktisch jeder. Jeder ist wendig, schnell und technisch gut ausgebildet. Gerade, was die Qualität am Ball angeht, ist das Niveau wirklich in Ordnung. Hier gibt es keine Spieler mit Lederallergie. (lacht) Das Spiel ist allerdings viel unruhiger als in Europa und dadurch weniger taktisch geprägt. Auch das Wetter hat einen riesigen Einfluss aufs Spiel.

Wie genau beeinflusst das Wetter den Fußball?

Schröck: Auf den Philippinen ist es entweder heiß oder es regnet so stark, dass der Platz unter Wasser steht und quasi unbespielbar ist. In den vergangenen drei Jahren gab es keinen Tag, an dem ich vor die Tür gegangen bin und dachte, es sei angenehmes Fußballwetter. Selbst wenn die Sonne nachts weg ist, herrschen meist noch 30 Grad bei einer Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent. Durch diese Verhältnisse wird das Spiel langsamer und unruhiger.

Hätte Sie es auch ohne den Fußball einmal auf die Philippinen verschlagen?

Schröck: Bevor ich mein erstes Länderspiel auf den Philippinen gemacht habe, war ich nur einmal dort. Für unsere Familie war ein Flug nach Asien in meiner Kindheit zu teuer. Die 800 Euro, die ein Flug pro Person kostet, hatten wir für zwei Monate zum Leben. Letztendlich bin ich sehr froh, dass ich das Heimatland meiner Mutter durch die Nationalmannschaft kennenlernen durfte. Dauerhaft hätte ich sonst wohl nie hier gelebt.

Schröck über Filipinos: "Die Lebensfreude ist ansteckend"

Wie unterscheidet sich das tägliche Leben in Deutschland von dem auf den Philippinen?

Schröck: Ich bewundere, dass die Filipinos mit den wenigen Dingen, die sie haben, glücklich sind. In einem Land, indem das monatliche Durchschnittseinkommen bei etwa 120 Euro liegt, trifft man auf den Straßen nur freundliche und gutgelaunte Menschen. Sie haben nichts, aber fühlen sich, als wären sie reich. Diese Lebensfreude ist ansteckend. Das merke ich besonders, wenn ich aus Deutschland zurückkehre.

Ist es Ihr Plan, nach der Fußballkarriere auf den Philippinen zu bleiben?

Schröck: Ich habe die Verträge auf den Philippinen immer so kurz wie möglich gehalten, sodass ich stets die Option habe, nach Deutschland zurückzukehren, doch aktuell fühlen meine Frau und ich uns wohl. Wir haben ein Haus in Schweinfurt gekauft und planen, dort irgendwann einzuziehen, aber wann genau wissen wir nicht. Erst vor wenigen Wochen habe ich meinen Vertrag auf Negros um ein weiteres Jahr verlängert. Einen genauen Plan haben wir noch nicht.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema