Keine Tattoos und Bärte, leserliche Autogramme, Serie-A-Träume: Berlusconis Pläne mit SS Monza

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Seit September besitzt Silvio Berlusconi den italienischen Drittligisten SS Monza 1912 und hat mit dem Klub große Pläne. Der 82-Jährige träumt von Spielen gegen seinen Ex-Verein AC Milan - und einer Mannschaft, die "etwas ganz anderes als den derzeitigen Fußball" darstellt. Ideen hat Berlusconi reichlich.

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"Lasst uns keine Haarspalterei betreiben", sagt Monzas Sportdirektor Filippo Antonelli im Gespräch mit SPOX und Goal und entschärft umgehend die Worte seines Bosses: "Natürlich haben wir auch einige Spieler mit langen Haaren." Um lange Haare und ihre Zulässigkeit ging es bei seinem Verein zuletzt nämlich erstaunlich viel, genau wie zum Beispiel auch um Bärte, Ohrringe oder Tattoos. All das soll es bei diesem Drittligisten nämlich eigentlich nicht mehr geben. Zumindest wenn es nach dem neuen Besitzer Silvio Berlusconi geht.

"Wir haben mit Monza ganz besondere Regeln im Sinn", sagte Berlusconi kurz nachdem er den Klub mit seiner Holding Fininvest im September des vergangenen Jahres für rund drei Millionen Euro gekauft hatte. "Unsere Spieler sollen eine ordentliche Frisur haben, keinen Bart und frei von Tattoos sein. Auch Ohrringe und anderer Schmuck sollen tabu bleiben."

Der Klub werde gar "etwas ganz anderes als den derzeitigen Fußball" darstellen. Monzas Spieler sollen für Korrektheit auf dem Platz stehen, sie sollen den Schiedsrichter wie einen Signore behandeln, sich bei Gegenspielern für Fouls entschuldigen, sie sollen Autogramme ordentlich schreiben und nicht irgendwas Unleserliches kritzeln. Und vor allem sollen sie Italiener sein. "Ich glaube und hoffe, dass Monza eine Ausnahme in diesem Fußball voller fremder, unverständlicher und unaussprechlicher Namen sein wird", sagte Berlusconi.

Silvio Berlusconi beim ersten Heimspiel nach der Übernahme im Stadion von Monza - einem 1:1 gegen Triestina.
© imago
Silvio Berlusconi beim ersten Heimspiel nach der Übernahme im Stadion von Monza - einem 1:1 gegen Triestina.

SS Monza ist das Gegenteil von Silvio Berlusconi

Berlusconi will im kleinen Monza seine eigene reine Welt zeichnen. Nach seinen Vorstellungen, seinen Idealen und ein bisschen so, wie seine Welt schon einmal war. Er will entscheiden, so wie er einst entscheiden durfte. Damals, als Berlusconi noch Italien regierte und sein AC Milan die ganze Fußballwelt. Damals mit Arrigo Sacchi oder Carlo Ancelotti. Damals, als er mit Milan insgesamt fünf Mal die europäische Königsklasse gewann. Damals, als ein Mann wie Berlusconi noch der größte Spieler auf dem Markt war. Als es noch keine Staaten gab, die Vereine finanzierten.

"Die Summen, die man braucht, um vorn dabei zu sein, kann eine einzelne Familie gar nicht mehr stemmen", sagte Berlusconi als er sein Milan im April 2017 für rund 600 Millionen Euro an einen Chinesen mit einem US-amerikanischen Hedgefonds im Hintergrund verkaufte und er sagte es melancholisch. Eineinhalb Jahre später erwarb er den Klub aus der nordöstlichen Mailänder Vorstadt Monza.

Dessen Vergangenheit ist in etwa das Gegenteil zu Berlusconis: eine recht unspektakuläre, langweilige Angelegenheit. Monza ist der Klub mit den meisten Saisons in der Serie B ohne je erstklassig gespielt zu haben (38), 1976 holte er dank eines Finalsieges gegen den FC Wimbledon einen gewissen englisch-italienischen Pokal, von dem man davor oder danach nichts mehr gehört hatte. Seit 2001 pendelt Monza zwischen der dritten und vierten Liga. 2009 hatte Monza schon einmal einen prominenten Besitzer, aber Clarence Seedorf nahm es offenbar nicht ganz so ernst. Letztlich ging der Klub in Konkurs.

Christian Brocchi als Trainer, Adriano Galliani als Manager

Und nun also Berlusconi. Zum Zeitpunkt der Übernahme im September war Monza Tabellenführer und hatte alle drei Saisonspiele gewonnen. In den folgenden 20 Spielen gelangen lediglich fünf weitere Siege. Relativ bald erachtete Berlusconi einen Trainerwechsel als unumgänglich und holte den langjährigen Milan-Mittelfeldspieler und kurzzeitigen -Trainer Christian Brocchi. Geschäftsführer des Klubs ist der 74-jährige Adriano Galliani. Natürlich Galliani, Berlusconis ewiger Adjutant, bei Milan und überall sonst auch.

Für Galliani war es eine Heimkehr, er stammt aus Monza und wuchs hier auf. Als Juventus-Fan, wie er mittlerweile stolz betont, weil er es jetzt ja darf. In Monza hasst man Mailand und seine Vereine ganz prinzipiell. Seit Jahren wehrt sich die Bevölkerung der Stadt etwa gegen einen Anschluss ans Mailänder U-Bahn-Netz. "Ich bin einer von Monza. 31 Jahre war ich an den AC Mailand verliehen, jetzt bin ich zurück", sagte Galliani bei seiner Antrittspressekonferenz. Schon in den 1980er Jahren arbeitete er mal beim Klub. Angeblich hängt im Vereinsheim sogar ein Schwarz-Weiß-Foto von Galliani, auf dem er noch Haare hat. So lange ist das her. Damals hatte der Klub aber noch weniger rosige Aussichten.

Dank Berlusconi träumt Monza von seinem ersten Serie-A-Aufstieg. "Willkommen Silvio! Wie bei Augustus: Du hast einen Verein aus solidem Ziegel übernommen, nun verwandle ihn in Marmor", schrieben die Fans beim ersten Spiel nach der Übernahme auf ein Spruchband. "In zwei Jahren spielen wir das Derby gegen Milan in der Serie A", versicherte Galliani und Antonelli sagt: "Unser Ziel ist es, die besten Klubs des Landes zu erreichen."

Der 74-Jährige Adriano Galliani fungiert als Geschäftsführer von SS Monza.
© getty
Der 74-Jährige Adriano Galliani fungiert als Geschäftsführer von SS Monza.

Zu Weihnachten schaute Berlusconi in Monza vorbei

Aktuell hechelt Monza aber lediglich den besten Klubs seiner Staffel der dreigleisigen dritten Liga hinterher. Monza befindet sich als Sechster zwar immerhin in der neun Plätze umfassende Playoff-Zone, der Rückstand auf Tabellenführer Pordenone, der fix aufsteigt, beträgt aber bereits 14 Punkte. Für die angedachte Aufholjagd kamen im Winter kurzerhand 16 neue Spieler, unter anderem die früheren Serie-A-Profis Enrico Bearzotti und Marco Fossati von Hellas Verona.

Berlusconi verfolgt die tagesaktuellen Geschehnisse aus etwa zehn Kilometern Entfernung, so weit ist sein Anwesen nämlich von Monzas knapp 18.000 Zuschauer fassenden Stadio Brianteo entfernt. "Die Spiele schaut er sich wegen seiner zahlreichen anderen Verpflichtungen immer nur im TV an", sagt Antonelli. "Ich kann mich nicht so oft mit ihm austauschen. Aber wenn ich ihn sehe, habe ich sofort das Gefühl, dass er ein Mann mit großem Charisma ist. Jeder Besuch von ihm gibt uns große Motivation."

Erst zu Weihnachten war Berlusconi da, erzählt Antonelli, und habe in der Kabine sogar mit jedem einzelnen Spieler gesprochen. Also zum Beispiel mit dem Bartträger Enrico Guarna oder mit Tommaso Ceccerelli, der über eine blonde Mähne verfügt. Womöglich war sogar ein Mitarbeiter mit Tattoo anwesend - der von Berlusconi verpflichtete Trainer Brocchi.

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