Schule mit 31, Statistik-Klub Midtjylland, putzen mit Bale - die Geschichte von Tim Sparv

Tim Sparv
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SPOX: Verantwortlich für diesen Ansatz ist der Multimillionär Matthew Benham. Er verdiente sein Geld einst mit Sportwetten, indem er mit mathematisch-statistischen Analysen Lücken in Buchmacher-Offerten fand. Seit 2012 führt er den englischen Zweitligisten FC Brentford, 2014 übernahm Benham den damals finanziell angeschlagenen FC Midtjylland. Was ist er für ein Typ?

Sparv: Ich habe ihn ein paar Mal getroffen, manchmal ist er hier und ich habe mir auch schon Spiele von Brentford in London angeschaut und ihn dort gesehen. Er ist ein sehr freundlicher und intelligenter Kerl, aber auch jemand, der gerne im Hintergrund steht. Er will keine Interviews geben und meidet die Öffentlichkeit.

SPOX: Seit Benham im Klub ist, gewann Midtjylland die ersten beiden Meistertitel der Vereinsgeschichte. Wie beliebt ist der Klub in Dänemark mittlerweile?

Sparv: Bröndby IF und der FC Kopenhagen haben mehr Anhänger und eine ausgeprägtere Fankultur als wir. Midtjylland macht aber große Schritte in die richtige Richtung, mittlerweile sind die Heimspiele oft ausverkauft und uns begleiten auch auswärts viele Fans. Hoffentlich haben wir irgendwann genauso viele Anhänger wie die beiden großen Hauptstadt-Klubs.

Tim Sparv spielt seit 2014 für den FC Midtjylland.
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Tim Sparv spielt seit 2014 für den FC Midtjylland.

SPOX: Zurück zum Thema Statistiken: Welche Rolle spielen sie bei Midtjylland im Fußballalltag?

Sparv: Alle acht bis zehn Spiele machen wir eine große Leistungsevaluierung, bei der uns der Trainer erklärt, was wir besser machen sollten. Das beginnt bei einfachen Dingen wie Zweikämpfen, Pässen oder Flanken und geht bis hin zu komplizierteren Konzepten wie Expected Goals.

SPOX: Was bedeutet das genau?

Sparv: Expected Goals bezieht sich darauf, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, in einer speziellen Situation ein Tor zu erzielen. Das hängt unter anderem von der Abschlussdistanz, dem Winkel, aus dem der Pass kommt, und der Tatsache, ob mit dem schlechteren oder stärkeren Fuß geschossen wird, zusammen. Es gibt aber noch zahlreiche weitere Variablen. Wir wollen immer die ideale Position für einen Abschluss finden.

SPOX: Wo befindet sich die ideale Position?

Sparv: Ich würde allen empfehlen, nur aus Strafraumnähe oder von innerhalb des Strafraums abzuschließen. Es ist zwar schön, tolle Distanzschüsse zu sehen, aber der Ertrag ist zu gering. Wenn ich mir im Fernsehen ein Spiel anschaue und da schießt einer aus 25 Metern mit dem schlechteren Fuß, dann werde ich richtig wütend. Das macht einfach keinen Sinn.

SPOX: Welche Rolle spielen Standards bei Midtjylland?

Sparv: Standards sind eines unserer Erfolgsgeheimnisse. Wir zählen fast in jeder Saison zu den Teams, die europaweit die meisten Tore nach ruhenden Bällen schießen. Mit Mads Buttgereit verfügt der Klub über einen eigenen Standard-Trainer, der uns mit seiner Kreativität voranbringt. Mit ihm haben wir sogar unser eigenes Playbook entwickelt, in dem es für alle verschiedenen Standardsituationen mehrere Alternativen gibt. Im Training ist er extrem enthusiastisch und getrieben. Manchmal macht er selbst mit, um zu zeigen, wie ernst es ihm ist. Einmal hat er sich dabei sogar verletzt und ist deswegen zwei Wochen lang herumgehumpelt. Nach dem Training gibt es immer noch eine eigene Videoanalyse für Standards.

SPOX: Haben Sie bei einem Ihrer vorherigen Klubs schon mal einen ähnlichen Fokus auf Standards erlebt?

Sparv: Nein. Bei vielen Vereinen werden Standards nicht ernstgenommen. Da wird am Tag vor einem Spiel zehn Minuten geübt und dann ein Ergebnis erwartet. So funktioniert das aber leider nicht. Gute Standards erfordern Kreativität, viel Training und ausführliche Videoanalysen. Sollte ich mal Trainer werden, werde ich auf jeden Fall einen eigenen Standard-Trainer anstellen.

SPOX: Neue Spieler müssen bei Midtjylland nach der Ankunft einen Persönlichkeitstest absolvieren. Wie sieht der aus?

Sparv: Es sind rund 30 Fragen, bei denen es jeweils verschiedene Antwortmöglichkeiten gibt. Diese muss man ordnen, je nachdem wie zutreffend sie für einen persönlich sind. Anschließend wird das ausgewertet und man bekommt ein 20-seitiges, persönliches Verhaltensprofil. Es zeigt, wie man in speziellen Situationen denkt und reagiert. Ich habe dabei viel über meine Persönlichkeit gelernt.

SPOX: Was für eine Persönlichkeit sind Sie denn?

Sparv: Das Konzept basiert auf Farben, demnach bin ich eine sehr blaue Persönlichkeit. Das bedeutet, ich bin strukturiert, organisiert und diszipliniert. Ich mag es, wenn alles seine Ordnung hat. Wenn ich in eine unorganisierte Umgebung komme, in der Leute spontan handeln, werde ich launisch und nervös. Kleine Probleme werden in meinem Kopf dann auf einmal ganz groß und ich muss mir selbst sagen: "Okay Tim, erstmal ein paar Sekunden durchatmen und dann schaffst Du das."

SPOX: Was sind die anderen Farben dieses Konzepts?

Sparv: Meine Freundin ist beispielsweise eine gelbe Persönlichkeit. Sie ist viel kreativer und spontaner als ich. Wenn wir einen freien Tag haben, dann hat sie lauter Ideen und ich denke nur: "Jetzt erstmal langsam und in Ruhe überlegen, was wir wann machen." Grüne Persönlichkeiten sind familienorientiert, freundlich und sozial. Rote Persönlichkeiten sind Gewinnertypen, die aber auch mal aggressiv und laut werden können. Prinzipiell hat jeder Mensch alle Farben in sich, manche sind aber stärker ausgeprägt.