Einarmiger Torwart Tudorel Mihailescu: Der Griff nach dem Unmöglichen

Von Julian Alexander Fischer
Tudorel Mihailescu ist der wohl einzige einarmige Torhüter der Welt.
© Facebook/Tudorel Mihailescu

Tudorel Mihailescu ist einer der bekanntesten Torhüter Rumäniens, dabei ist er bereits 51 Jahre alt und spielt in der 4. Liga. Auch war er nie als Profi aktiv. Dennoch sind bei jedem Spiel seines Vereins Romprim Bukarest TV-Kameras vor Ort und er ist regelmäßig in Fernsehshows zu Gast. Mihailescu ist nämlich der wohl einzige einarmige Keeper der Welt.

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Mit 51 Jahren erlebt Tudorel Mihailescu die wohl schönste Zeit seines Fußballerlebens. Nicht etwa, weil er nun besonders hochklassig oder erfolgreich spielen würde. Es ist die Tatsache, dass er überhaupt noch spielen darf und mittlerweile als Fußballer geschätzt wird.

"Er ist eine Marke in Bukarest. Er wollte immer als Fußballer wahrgenommen werden und mittlerweile kommen Spieler und Trainer auf ihn zu und sagen 'Ich kenne dich'. Das ist das wichtigste für ihn, einer von ihnen zu sein", erklärt der rumänische Fußballjournalist Emanuel Rosu im Gespräch mit SPOX. Er begleitet Mihailescu bereits seit längerer Zeit.

Auch durch Rosus Berichterstattung ist Mihailescu zu einer Bekanntheit geworden. So durfte er etwa unlängst bei seinem Lieblingsklub Steaua mittrainieren und ist Ehrengast bei allen Heimspielen. Außerdem ließ ihn der kolumbianische Klub Once Caldas extra einfliegen, um einmal mit ihm trainieren zu können.

Doch das war längst nicht immer so. Im kommunistischen Rumänien hatten Menschen mit Behinderungen einen schweren Stand. Das musste auch Mihailescu immer wieder erfahren. Aufgrund einer Fehlbildung musste sein linker Unterarm bereits früh entfernt werden. Aber Mihailescu gab nicht auf: "Ich bin so geboren, aber das hat mich nicht davon abgehalten, meinen Traum zu verwirklichen."

Tudorel Mihailescu: Schwierige Zeit im Kommunismus

Er erinnert sich: "Über ein Jahr habe ich immer wieder versucht, eine Erlaubnis fürs Fußballspielen zu bekommen. Der Doktor wollte mir eine Genehmigung ausstellen, aber das Regime verbot es. Nach sehr langem Flehen traf der Arzt schließlich die Entscheidung, mir die Genehmigung auszustellen."

Schon damals zeigte sich sein Wille, sich gegen alle Widerstände durchzusetzen und alles zu probieren, um sein geliebtes Hobby Fußball ausüben zu dürfen. Auch Trainer und Vereine störten sich an ihm. So dauerte es bis zu seinem fünfzehnten Lebensjahr, bis er nach vielen Absagen seinen ersten Verein fand: "Ich habe viel geweint in der Zeit, aber jede Ablehnung gab mir mehr Gründe, mich zu verbessern."

Und er verbesserte sich kontinuierlich und zeigte allen, dass er trotz seines Handicaps ein wirklich guter Torhüter war. 1987 stieg er mit 20 Jahren sogar in die zweite nationale Liga auf, bekam aber keine Spielerlaubnis. So endete sein Traum von einer Fußballkarriere. Er spielte zwar weiterhin, aber als sein Sohn 1988 zur Welt kam, musste er den Fußball vorübergehend aufgeben.

Wirklich trennen vom Fußball konnte ihn aber niemand und so spielt er trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten bis heute.

Einarmiger Torwart: Dann hält er halt mit der Schulter

Obwohl es bereits einige einarmige Fußballspieler gab, ist Mihailescu der einzige bekannte Torwart mit nur einer Hand. Für ihn gab es nie eine andere Position: "Ich habe hart dafür gearbeitet, mein Können unter Beweis stellen zu dürfen. Ich mag es, den Platz vor mir zu haben und Anweisungen zu geben. Ich mag es, Dinge zu tun, die andere nicht können, auch wenn ich nur eine Hand habe."

Um trotz seiner Voraussetzungen erfolgreich zu sein, hat er seine Schwäche einfach in eine Stärke gewandelt. "Er empfindet es als einen Vorteil, dass seine Gegner sehen, dass er keinen linken Arm habe. Die Gegenspieler tendieren nämlich nach links zu schießen. Er hat viel Arbeit investiert, um auf der linken Seite besser zu sein als auf der rechten. Das hat ihm geholfen", erzählt Rosu.

So hat sich Mihailescu unter anderem darauf spezialisiert, Bälle nicht nur mit seinem rechten Arm, sondern auch mit der linken Schulter zu halten. Zudem feilt er im Training intensiv an seiner Sprungkraft, um mit seiner rechten Hand in nahezu jede Ecke des Tores gelangen zu können.

"Ein armiger Torwart: Das klingt wie ein Witz"

"Wenn ein Kind ankommt und sagt 'Ich will Torhüter werden, habe aber keine zwei Arme', dann klingt das wie ein Witz. Aber Tudorel hat die Leute dazu gebracht, in ihn als Torwart zu glauben. Das ist absolut fantastisch", meint Rosu.

Dabei ist Mihailescu in vielen Bereichen seinen Gegnern voraus, wie er verdeutlicht: "Meine Wendigkeit und mein Stellungsspiel sind meine größten Stärken." Auch seine präzisen Abwürfe mit der rechten Hand sind im Bukarester Raum berühmt-berüchtigt. Zudem hat er sich eine Technik angeeignet, den Ball auch mithilfe seines linken Oberarmes zu fangen.

Wo er diese Stärken in der nächsten Saison einbringt, ist noch nicht klar. Momentan ist Mihailescu auf Vereinssuche. Der Besitzer seines aktuellen Klubs Romprim möchte ihn zwar halten, aber der Torwart sondiert seine Angebote. Schließlich ist er in Bukarest ein bekannter und gefragter Mann.

Niedergang des ASF Fratia: Bruderschaft bleibt bestehen

Den perfekten Verein hatte er dabei eigentlich schon gefunden, den ASF Fratia. Es war ein Klub, der bewusst entschieden hatte anders zu sein, wirklich anders. Fratia bedeutet auf Deutsch "Bruderschaft" und das lebte der Verein auch wirklich. "Ich wollte einen Verein ins Leben rufen, der mit gutem Beispiel vorangeht und jedermann offensteht, ungeachtet von Herkunft, Alter oder Behinderung", erklärte Klubgründer Constantine Zamfir.

Und diese Idee war bei alle Beteiligten durchaus sichtbar: Der erste dunkelhäutige Trainer des Landes, mehrere Spieler der verfolgten Volksgruppe der Roma, ein Besitzer, der nachts auf Hochzeiten singt, um sein Team zu finanzieren und eben ein einarmiger Torwart.

Doch schnell kamen die ersten Probleme auf: Gegner des Projekts plünderten den Sportplatz und die Umkleidekabinen des Vereins. Das zeigte, dass auch das aktuelle Rumänien nicht vollständig für ein solches Projekt bereit ist. Schnell kamen bei Zamfir Geldprobleme auf. Doch die Spieler beschlossen, für den Verein zu kämpfen und Zamfir zu unterstützen.

Am Ende reichte es aber nicht, es gab Unstimmigkeiten mit dem Verband, Zahlungen konnten nicht eingehalten werden. Am Ende musste Mihailescu das Team verlassen. Doch er ging nicht allein. Nahezu die gesamte Mannschaft kam mit ihm zu Romprim. Sie ließen die Bruderschaft weiterleben.

Auch aktuell überlegt Mihailescu nicht alleine zu wechseln, seine Teamkameraden und er wollen gemeinsam spielen. Denn nach seiner langen und schwierigen Reise ist Tudorel Mihailescu froh, endlich eine Mannschaft gefunden zu haben, die ihn für das schätzt, was er ist: Ein besonderer Mensch und ein hervorragender Torhüter.

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