Phönix aus dem Silberfluss

Von Simon Haux
River Plate feierte nur zwei Jahre nach dem Aufstieg den Titel in der Copa Sudamericana
© getty
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David Trezeguet führt River Plate zurück ins Oberhaus

Doch der 37-Jährige, der seinem Verein in dessen bitterster Stunde auf dem Rasen nicht mehr hatte helfen können, wollte Verantwortung übernehmen. Am gleichen Abend, noch während wütende Anhänger der Millonarios rund um das Stadion Autos und Geschäfte in Brand setzten und rund 90 Personen nach Randalen verletzt ins Krankenhaus eingeliefert wurden, nahm "el Pelado" das Angebot an, River Plate als Trainer in die Zweitligasaison zu führen.

"Wir mussten den direkten Wiederaufstieg schaffen, sonst wäre meine Trainerkarriere wohl sofort wieder vorbei gewesen", ist sich Almeyda sicher: "Niemand hätte mich je wieder verpflichtet." Aufgrund der katastrophalen finanziellen Situation musste der Verein dieses Ziel jedoch mit einem deutlich dezimierten Kader ins Visier nehmen. Das 19-jährige Offensivtalent Erik Lamela - heute in Diensten der Tottenham Hotspur - verkaufte man für 17 Millionen Euro an die AS Rom, auch einige weitere Leistungsträger musste der Absteiger ziehen lassen.

Stattdessen füllten Almeyda und Passarella den Kader mit Spielern aus der eigenen Jugend und ein paar Veteranen im Herbst ihrer Karriere. Unter anderem kam der in Buenos Aires aufgewachsene Welt- und Europameister David Trezeguet ablösefrei aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, um seine Laufbahn in der Heimat seiner Eltern ausklingen zu lassen. Mit 13 Toren in 19 Einsätzen trug der Franzose seinen Teil dazu bei, dass die Millonarios nach nur einer Saison wieder in die Primera División zurückkehren konnten.

Rivers Abstieg: "Diese Schande wird nie wieder ausgelöscht"

In der argentinischen Fußballkultur, in der insbesondere River Plates jahrzehntelange Feindschaft mit dem Erzrivalen Boca Juniors Millionen von Fans in Fleisch und Blut übergegangen ist, war die Scharte des Abstiegs damit noch lange nicht ausgewetzt. Bis heute werden in argentinischen Tageszeitungen an jedem 26. Juni Traueranzeigen geschaltet, die genüsslich an das Dahinscheiden des Club Atlético River Plate im Jahr 2011 erinnern. Und bis heute prägt die Schadenfreude zahlreiche Gesänge der Boca-Anhänger:

River, sag, wie fühlt es sich an / in der zweiten Liga gewesen zu sein
ich schwöre, auch wenn die Jahre vergehen / werden wir niemals vergessen
dass du abgestiegen bist / das Monumental angezündet hast
diese Schande wird nie wieder ausgelöscht

Doch der phönixartige Aufstieg aus der Asche des brennenden Monumental war mit der Rückkehr in die Erstklassigkeit noch nicht beendet. Nur zwei Jahre später holten die Millonarios ihren 36. nationalen Meistertitel und gewannen die Copa Sudamericana, den zweithöchsten kontinentalen Klubwettbewerb, unter anderem nach einem dramatischen Halbfinalduell gegen den Lokalrivalen aus La Boca.

Lucas Alario schießt River zum Copa-Triumph

2015 durfte River Plate nach sechsjähriger Abstinenz dann endlich wieder in der Königsklasse antreten und traf im Achtelfinale der Copa Libertadores erneut auf die Boca Juniors. Nach einem knappen 1:0-Erfolg im heimischen Monumental kam es im Rückspiel nach torloser erster Halbzeit zum Eklat. Auf dem Rückweg aus der Kabine auf den Rasen attackierten Anhänger der Gastgeber das Team von River Plate mit Pfefferspray.

Der folgende Spielabbruch brachte die Mannschaft des neuen Trainers Marcelo Gallardo - wie Almeyda und Passarella ein gefeierter ehemaliger Spieler des Klubs - in die nächste Runde. Wenige Wochen später konnte Gallardo den größten Vereinserfolg seit beinahe zwei Jahrzehnten feiern. In einer Regenschlacht vor heimischem Publikum schossen Carlos Sánchez, Ramiro Funes Mori und der heutige Leverkusener Lucas Alario River Plate zum Triumph über die mexikanischen Tigres.

In der vergangenen Woche stand der Klub aus Núñez nun erneut mit einem Bein im Finale der Copa Libertadores. Im Viertelfinale unterlag man dem Außenseiter Jorge Wilstermann aus Bolivien im Hinspiel mit 0:3. Doch wie so oft zeigten die Millonarios erst vor den eigenen Fans ihr wahres Gesicht und konnten das Scheitern mit einem unglaublichen 8:0-Erfolg im Monumental abwenden.

Der Superclásico: Chance zur Wiedergutmachung

Im Halbfinale gegen den argentinischen Rivalen Lanús stand River Plate dann auf der anderen Seite einer dramatischen Aufholjagd. Nach einem 1:0-Heimsieg lagen die Millonarios auch im Rückspiel vor den Toren von Buenos Aires bereits mit 2:0 in Führung, bevor José Sand in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit die Wende einleitete. Mit dem entscheidenden 4:2 ließ Alejandro Silva schließlich vom Elfmeterpunkt Rivers Finalträume platzen.

Doch bereits an diesem Sonntag gibt es die Gelegenheit zur Wiedergutmachung. Auch der 368. Superclásico gegen den Erzfeind aus La Boca wird für Fans und Vereine wieder beinahe so wichtig wie ein internationales Endspiel.

Auch "el Pelado" Almeyda, der inzwischen den mexikanischen Klub Chivas Guadalajara trainiert, wird die Partie mit Sicherheit verfolgen - wenn auch wie im Jahr 2011 nur vor dem Fernseher. "Bei River bin ich geboren, habe gelebt, geschuftet, gelitten, meine Zukunft als Trainer aufs Spiel gesetzt. Der Abstieg war der traurigste Moment meiner Laufbahn. Aber glücklicherweise gibt einem der Fußball immer mehr Freude als Schmerz."