"Fühlte sich an wie ein Lotterie-Gewinn"

Von David Helm
Thomas Dooley machte 81 Länderspiele für die USA
© getty

Thomas Dooley war einst einer der besten Innenverteidiger der Bundesliga, gewann mit Schalke 04 den UEFA-Cup und brachte dem 1. FC Kaiserslautern Meisterschaft und Pokal. Drei Mal war er kurz vor einer Nominierung für die deutsche Nationalmannschaft. Verletzungen ließen ihn Verzweifeln - bis jemand merkte, dass sein Name sehr undeutsch ist. Unter Jürgen Klinsmann, Jürgen Klopp und Peter Neururer bildete er sich weiter. Heute hat er wohl einen der abenteuerlichsten Jobs im Fußball. SPOX sprach mit Dooley über seine verrückte Karriere.

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SPOX: Herr Dooley, seit zwei Jahren trainieren Sie die Nationalmannschaft der Philippinen. Wie lebt es sich auf dem Inselstaat?

Thomas Dooley: Es ist traumhaft schön. Und obwohl 80 Prozent der Bevölkerung in Armut leben, sind die Menschen herzensgut. Trotz der zahlreichen Rückschläge durch Naturkatastrophen verlieren sie nicht ihre Freude am Leben. Diese Mentalität ist beeindruckend. Deshalb fühle ich mich wohl und freue mich, dass ich hier zumindest noch zwei Jahre Vertrag habe.

SPOX: Was sind sportlich gesehen die größten Unterschiede?

Dooley: Ich sage es mal so: In Deutschland gibt es viele gute Trainer. In den USA gibt es viele, die meinen, sie seien gute Trainer. Auf den Philippinen gibt es gar keine guten Trainer. (lacht)

SPOX: Und wie hat es Sie dann nach Südostasien verschlagen?

Dooley: Mehrere Manager haben es über Jahre hinweg nicht geschafft, für mich einen Trainerjob zu finden. Als ich deshalb in einer Fußball-Akademie in den USA einen jungen Filipino trainiert habe, kam dessen Vater irgendwann auf mich zu und meinte, ich solle doch mal die Philippinen trainieren. Ich habe dann im Scherz geantwortet. Er meinte ganz ernst zu mir: 'Nein ehrlich! Du wärst der richtige Mann.' Er hat dann Kontakt zum philippinischen Verband aufgenommen. Die konnten es nicht glauben, dass ich Interesse an dem Job habe. Drei Tage später hat sich dann eine Reihe von Filipinos auf den Weg nach Los Angeles gemacht.

SPOX: Und da wurde alles klar gemacht?

Dooley: Ja, wir haben uns zwei Stunden über Ziele, Ausrichtung und meine Ideen unterhalten. Eigentlich wollten die Leute vom Verband noch andere Trainer anschauen, aber nach dem Gespräch war alles fix.

SPOX: Auf welche Probleme stößt man als philippinischer Nationalcoach?

Dooley: Basketball ist die Sportart Nummer eins, danach kommt Boxen - Fußball spielen hier wenige. Das liegt daran, dass die Menschen keine Möglichkeit haben, Fußball anzuschauen. Wir müssen erfolgreicher werden und so das Interesse steigern.

SPOX: Wie lange kann das dauern?

Dooley: Sicherlich fünf bis zehn Jahre. Damals in den USA habe ich gesagt, wir haben ein Generationsproblem, hier haben wir ein Kulturproblem. Wir müssen die Euphorie steigern. Nach dem Sieg gegen Nordkorea im März war die Reaktion der Fans und der Medien gewaltig. Das müssen wir wiederholen.

SPOX: Wie groß sind die Möglichkeiten der aktuellen Nummer 120 der Weltrangliste?

Dooley: Das Potenzial ist riesig. Den AFF Suzuki-Cup (Südostasienmeisterschaft, Anm. d. Red.) sehen jedes Jahr 700 Millionen Leute, das sind mehr als bei der Asien-Meisterschaft. In den letzten Jahren sind wir im Halbfinale ausgeschieden und in naher Zukunft wollen wir den Titel. Das nächste Ziel heißt Qualifikation zur Asien-Meisterschaft. Das würde die Popularität steigern. In den nächsten fünf bis zehn Jahren sollte Fußball der Sport Nummer eins sein. Dann träumen wir auch von einer WM.

SPOX: Derzeit sind Sie in Deutschland unterwegs. Sind Sie auf der Suche nach Spielern für die Philippinen?

Dooley: Unter anderem, ja. Früher hatten wir mehrere internationale Spieler im Team. Heute kommen nur drei Spieler aus Österreich, Deutschland und England. Von der Qualität her muss ich mich eher in der 3. oder 4. Liga umsehen. Aber die Entfernung ist ein großer Nachteil: Wenn wir jemanden berufen, ist er 18 Stunden unterwegs, dazu kommt der Zeitunterschied von sieben Stunden. Und dann der Klimaschock: Die Philippinen sind wie eine große Sauna.

SPOX: Wie leistungsfähig sind die Spieler dann noch?

Dooley: In der Vergangenheit war es so, dass europäische Spieler schlechter waren als die einheimischen. Als sie ankamen waren sie durch die Strapazen so gerädert, dass sie nicht ihr volles Potenzial abrufen konnten. Da musst du dir überlegen, ob du 8000 Euro für einen Spieler ausgibst, der nur auf der Bank sitzt.

SPOX: Wie wollen Sie die Spieler locken?

Dooley: Mit Erfolgen. Wir müssen es schaffen, uns für die Asien-Meisterschaften zu qualifizieren und dort eine gute Rolle spielen. Wir müssen natürlich auch darauf hoffen, dass gute Talente nicht in andere Nationalmannschaften berufen werden.

SPOX: Sie wollen derzeit professionelle Strukturen schaffen. Ist diese Phase mit der in den USA vor 25 Jahren zu vergleichen?

Dooley: Der Unterschied ist schon gewaltig: In den USA gab es zwar keine Liga, aber dafür haben 20 Millionen Kinder Fußball gespielt. Auf den Philippinen ist es andersrum. Wir haben eine Liga, aber es fehlen die Millionen Kinder, die den Unterbau bilden können.

SPOX: Sie waren von 2011 bis 2014 Co-Trainer der USA unter Jürgen Klinsmann. Wie haben Sie die Arbeit dort erlebt?

Dooley: Jürgen ist ein netter, sympathischer Mensch und ein unheimlicher Motivator. Außerdem ist er diszipliniert und zielorientiert. Dadurch hat er in seiner Amtszeit bereits extrem viel in den USA bewegt. Er muss zwar hin und wieder etwas Gegenwind verkraften, aber das ist ganz normal in dem Beruf.

SPOX: Er gilt als Meister der Motivation. Haben Sie den Aspekt in Ihre Arbeit mit einfließen lassen?

Dooley: Ja sicherlich. Als ich meinen Fußballlehrer gemacht habe, habe ich ein Praktikum bei Peter Neururer und Jürgen Klopp absolviert. Die Art und Weise, wie sie motivieren und trainieren, wollte ich aus erster Hand kennen lernen.

SPOX: Und Sie haben sich dann das Beste von allen abgeschaut?

Dooley: Ja, man versucht von jedem etwas mitzunehmen. In meine Arbeit fließen Aspekte von meinen ehemaligen Trainern Kalli Feldkamp, Jürgen Klopp und Jürgen Klinsmann ein. Daraus wird dann mein eigener Trainer-Stil.

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