Kastration des ehrlichen Fußballs

Von Oliver Birkner / Frank Oschwald
Britannia Stadium: Rasen in einem okayen Zustand
© getty
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Premier League

von Frank Oschwald

Hashtag des Spieltags: Liebe Fußball-Nostalgiker, ihr, die das Panini-Sammelalbum 1974 komplett zu Hause rumliegen habt, müsst nun stark sein. Macht euch ein Bier auf, legt die Taschentücher bereit und beginnt ganz langsam zu weinen. Denn auch im Mutterland des Fußballs wütet der böse Geist der Kommerzialisierung immer weiter. Unter der Woche bekam der Inbegriff des ehrlichen Fußballs die Eier abgeschnitten. Ja ja, dieser Ronaldo kann schon gut kicken, hieß es immer. Doch schickt den mal an einer kalten Nacht nach Stoke-on-Trent. Im Bernabeu kann ja jeder tänzeln. Aber im Britannia Stadium! Roar! Das ist was für echte Männer. Mit meterlangen Haaren auf dem Rücken. Und Schienbeinschonern so groß wie ein Nokia 3210. Im Britannia Stadium als Auswärtsmannschaft an einem schmierigen Flutlichtabend anzutreten, ist ungefähr so toll wie eine Wurzelbehandlung in einem russischen Hinterhof. Doch was einst der dicke, biertrinkende Fettsack unter den Stadien war, wurde über Nacht zu einem glattrasierten Jüngling mit Dutt und Haarband. Denn ab der neuen Saison heißt das Britannia Stadium (ROAR!) nur noch Bet365-Stadium. Der Hauptsponsor baute seine Partnerschaft mit dem Klub aus und übernahm die Namensrechte des Stadions. Peter Coates, der durch einen irrsinnigen Zufall sowohl Eigentümer von Stoke City als auch Vorsitzender von Bet365,...oh. Na ja, kalte Nächte in Stoke-on-Trent wird's trotzdem noch geben.

Auch den altmodischen Anhängern von Bristol City muss es zuletzt die gesammelten Stadionhefte durcheinander gewirbelt haben. Der Klub veröffentlichte auf der offiziellen Twitter-Seite ein Bild des Trikots für die kommende Saison. Ein durchaus mächtiges, rotes Leibchen mit neuem Hauptsponsor auf der Brust. Doch dieser ist nicht das Problem. Vielmehr gab es aufgrund eines kleinen Textes auf der Vorderseite einen Shitstorm. Links und rechts unter dem Kragen steht dort geschrieben: "Making Bristol Proud" bzw. "Bristol City". Halb so schlimm, möchte man meinen. Doch die Designer machten in hippen Zeiten ein Hashtag davor. Somit ist dort zu lesen: "#MakingBristolProud" und "#BristolCity". Mit Hashtag! Vorne. Auf. Einem. Fußballtrikot! Wir halten es mit den Engländern. Die schrieben über die Hastags: "Ein Nagel, der ohne großes Tamtam in den Sarg des Sports geschlagen wurde". Was kommt als nächstes? Das Logo des Vereins als QR-Code? Ein Direktlink zum Hauptsponsor? Wir wollen es uns gar nicht ausmalen.

Falschparker des Spieltags: Jetzt ist aber auch genug mit dem Gejammer um den doch so diabolischen neuen Fußball. Ist ja eigentlich alles halb so wild. In vielen Bereichen des Landes geht's ja sowieso noch anders zu. Im Spiel zwischen AFC Rochdale und dem FC Gillingham in der League One beispielsweise. Dort wurde mitten im Spiel das Kennzeichen eines scheinbar falsch geparkten Autos ausgerufen. Eine gewöhnliche Szene. Das Problem in Rochdale war jedoch, dass ausgerechnet ein Spieler auf dem Platz bei der Durchsage des Stadionsprechers plötzlich sein Nummernschild wiedererkannte. "Der Ball war gerade draußen, deshalb habe ich zugehört. Auf einmal wurde mir klar, dass das mein Auto sein muss. Ich dachte, dass ich jemanden zugeparkt hätte", erklärte Mittelfeldspieler Callum Camps nach der Partie. Schnell teilte er es seinen Mitspieler mit.

"That's my car!", schrie er seinen Kollegen an. Da dieser überraschenderweise nichts kapierte und nur mit einem kurzen "What?!" antwortete, schrie Camps in Richtung der Bank: "Mein Auto wurde ausgerufen. Könnt ihr das regeln?". Wirklich aus der Fassung brachte den Offensiv-Mann die Kiste mit seinem Auto offenbar nicht. Er erzielte in der zweiten Halbzeit die 1:0-Führung. Dennoch reichte es am Ende nur zu einem 1:1. Dass alles nicht so schlimm war, stellte sich erst nach der Partie heraus. Camps hatte lediglich vergessen, das Licht seines Autos auszumachen.

Anything else: Dass Arsenal ein diskretes Verletzungsproblem hat, ist hinlänglich bekannt. Ein paar Beweise dafür? Arsenal-Physio Colin Lewin soll nach Angaben eines Kumpels seit zehn Jahren keinen einzigen freien Tag gehabt haben. Er nehme täglich nur eine Mahlzeit zu sich und schlafe "drei Stunden in einer dunklen Ecke des Arsenal-Behandlungszimmers". Nun könnte der arme Colin allerdings etwas durchatmen. Denn zum ersten Mal seit 2013 nahm jeder Arsenal-Spieler am Training teil. Seit 2013! Da passt auch ins Bild, dass Ex-Arsenal-Dauerpatient Abou Diaby für seinen neuen Arbeitgeber Olympique Marseille nach mehr als drei Jahren sein erstes Profispiel über 90 Minuten machte. Im Pokalhalbfinale reichte es doch tatsächlich über die komplette Distanz. In der Liga, vier Tage später, wurde er in der 67. Minute ausgewechselt. Der Grund? Eine Verletzung.