Fink: "Skepsis ist unangebracht"

Thorsten Fink wurde am 17. September 2013 nach einem 2:6 in Dortmund beim HSV entlassen
© getty

Thorsten Fink hat seit Januar wieder einen Job: Der ehemalige Coach des Hamburger SV trainiert nun APOEL Nikosia. Im Interview spricht Fink über die Phase ohne feste Arbeit, seinen Start in das vermeintliche Abenteuer Zypern und erklärt, weshalb ihn APOEL an seine Zeit beim FC Basel erinnert.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Fink, Sie sind jetzt seit einem guten Monat Trainer von APOEL Nikosia. Zwischen diesem Engagement und Ihrer Entlassung beim Hamburger SV lagen rund 15 Monate. Wie haben Sie den Großteil dieser Zeit verbracht?

Thorsten Fink: Nachdem ich erst einmal abgeschalten und mich um die Familie gekümmert habe, konnte ich einen relativ neutralen Blick auf meine Zeit beim HSV werfen. Ich habe das Geschehen Revue passieren lassen: Was habe ich gut gemacht, was war nicht so erfolgreich? Ich habe viel reflektiert und finde, dass es dann normal ist, wenn man auf Dinge kommt, die man beim nächsten Mal verbessern möchte. Es tat gut, diesen Abstand dabei zu haben, den man als sehr eingespannter Trainer gar nicht haben kann.

SPOX: Haben Sie irgendwo hospitiert?

Fink: Nein, aber ich habe mir ein paar Trainingseinheiten angeschaut. Gerade beim FC Bayern, der nur wenige Meter von meiner Haustür entfernt trainiert. Ich bin dazu einige Male in die Stadien gegangen, war beispielsweise in der Schweiz und Österreich. Es war hilfreich, einen neutralen Blick auf die verschiedenen Partien und Mannschaften werfen zu können, um einfach zu einer besseren Beurteilung zu kommen. Ist man im Job, dann lässt die Zeit meistens nur das Videostudium zu.

SPOX: Sie sagten, dass es immer wieder Kontakte zu Erst- und Zweitligisten gab. Welche Voraussetzungen hätten diese Klubs denn in Ihrer damaligen Situation erfüllen müssen, um von Ihnen eine Zusage zu erhalten?

Fink: Es ist ja bei keinem Trainer, der entlassen wurde, so, dass er direkt danach eine riesige Auswahl hat. Im Laufe der Zeit gibt es dann lose Kontakte zu Vereinen. Da blockt man manches ab, manchmal spricht man miteinander und kommt dann nicht zusammen - das ist unterschiedlich. Das Interesse und die Leidenschaft müssen für mich stimmen. Natürlich sucht jeder einen Verein, bei dem man langfristig etwas aufbauen kann, doch da kann jeder auch unterschiedliche Auffassungen haben. Man muss genau abwägen, denn bei einem vielleicht zu vorschnellen Entschluss kann man sich auch mal die Finger verbrennen.

SPOX: Gab es einen Klub, bei dem Sie kurz vor einem Engagement standen, dann aber doch abgesagt haben? Es hieß, Sie seien als Nachfolger von Thomas Schneider beim VfB Stuttgart im Gespräch gewesen.

Fink: Das habe ich auch gelesen (lacht). Ich hatte zum VfB aber keine Kontakte. Der FC Luzern wollte mich in die Schweiz zurückholen, doch da habe ich keine persönliche Perspektive gesehen. Basel, Hamburg und dann zurück zum Schweizer Tabellenletzten - das hätte nicht gepasst.

SPOX: Sie haben nun auf Zypern einen Vertrag über ein halbes Jahr mit einer Option auf ein weiteres Jahr unterschrieben. Wieso war in diesem Fall der Zeitpunkt gekommen, um zuzusagen?

Fink: Direkt nach meinem Aus in Hamburg hätte ich mir Nikosia auch nicht vorstellen können, das muss ich ehrlich sagen. Ich kannte den Verein aus der Champions League, da waren sie schon zwei Mal in der Gruppenphase dabei. Das Angebot kam in einer Phase, in der alles für mich gepasst hat. Ich wollte nicht länger und mehr als zwei Jahre ohne Verein sein. Die Lust war wieder da, täglich mit einer Mannschaft, die Meister werden kann, zu arbeiten und neue Ideen umzusetzen.

SPOX: Was sprach für APOEL?

Fink: Ich habe mir die Bedingungen hier angeschaut und konnte feststellen, dass dies ein sehr professioneller Klub war. Zusammen mit der Aussicht, Meister werden zu können und in die Champions-League-Gruppenphase einzuziehen, hat das letztlich den Ausschlag gegeben. APOEL ist für mich wie Basel, die Situation ist durchaus vergleichbar. Der alte Trainer hatte Erfolg, doch der Verein wollte neue Impulse.

SPOX: Was sind die primären Inhalte, die Sie derzeit auf den Weg bringen?

Fink: Es geht darum, zusammen mit meinem Team etwas aufzubauen und die Strukturen bis hinunter in den Nachwuchsbereich zu verbessern, so wie wir das bereits in Basel taten. Die einzelnen Trainer sollen sich mit unserer Hilfe weiterbilden, damit wir künftig nicht nur ältere Ex-Stars einkaufen können, sondern auch jungen Spielern - am besten aus dem eigenen Verein - die Perspektive aufzeigen, dass man hier Meister werden und in der Champions League spielen kann.

SPOX: Wie sehr sind Sie jetzt in der Anfangszeit beansprucht, Sie müssen ja den Klub als solchen sowie die Liga erst einmal kennenlernen?

Fink: Freizeit ist nicht momentan, aber das ist eigentlich immer so, wenn man neu zu einem Klub kommt. Ich bin dabei, alles kennen zu lernen. Ich habe mir unsere Akademie genau angeschaut, Spiele der U23 sowie der Jugendmannschaften und ich schaue, dass ich bald jeden mit seinem Namen begrüßen kann (lacht). Ich saß auch schon in gegnerischen Stadien und habe unsere Kontrahenten beobachtet. Das eine oder andere Mal bleibt dann etwas Zeit über, um sich am Strand in ein Cafe zu setzen, einen Kaffee zu trinken und aufzutanken, bevor das Training ansteht.

SPOX: Haben Sie schon irgendetwas Einschneidendes erlebt, das Sie zuvor nicht kannten?

Fink: Es gab kürzlich eine Bombendrohung gegen die zyprischen Schiedsrichter, die daraufhin natürlich nicht zu den Spielen gekommen sind. Deshalb sind einige Partien ausgefallen und verlegt worden. Das ist natürlich sehr bedauerlich. Mir kam es als neuer Trainer insofern entgegen, als dass ich die Mannschaft dann ohne Spiel länger beisammen hatte und mit ihr noch ein paar zusätzliche Tage arbeiten konnte.

SPOX: Das ist nicht der einzige Skandal, der der den zyprischen Fußball zuletzt erschütterte. Es gibt auch Korruptions- und Manipulationsvorwürfe sowie Hooliganismus.

Fink: In der kurzen Zeit, in der ich hier bin, ist mir noch nichts derartiges aufgefallen oder passiert. Ich finde auch das Niveau der Schiedsrichter absolut in Ordnung, sie sind nicht viel schlechter als in Deutschland. Ob Spiele tatsächlich manipuliert werden oder wurden, weiß ich nicht. Es ist doch vielmehr so, dass es diese negativen Randerscheinungen beinahe in jedem Land gibt. Das macht es nicht besser, klar. Aber ich sehe nicht, dass der zyprische Fußball mit enormen Problemen zu kämpfen hat.

SPOX: In der landläufigen Meinung kommt ein Trainerjob auf Zypern häufig wie ein Abenteuer daher. Hatten Sie Berührungsängste?

Fink: Nein. Das ist auch kein Abenteuer, so sehe ich das nicht - und nur um meine Perspektive geht es. Dieser Verein hat bereits einige sinnvolle Strukturen geschaffen. Die Wege zwischen uns Entscheidungsträger sind kurz. Es geht jetzt für mich und mein Trainerteam darum, neue Reize zu setzen, um langfristig den Anforderungen Stand halten zu können. Damals in Basel ging es auch zunächst darum, die kleinen Schritte auf dem Weg zur Etablierung zu gehen. Heute ist der FC Basel auch international keine Laufkundschaft mehr.

SPOX: In Deutschland wurde Ihr Engagement bei APOEL mit einer gewissen Portion Skepsis begleitet. Stört Sie das?

Fink: Wenn ich mir jetzt noch einen Kopf machen würde, wie manche Leute darüber denken, dann hätte ich wohl überhaupt keine Freizeit mehr (lacht). Skepsis ist in meinen Augen unangebracht, weil man sich immer erst ein Urteil bilden sollte, nachdem man sich die Begebenheiten angeschaut hat. Natürlich weiß man in Deutschland nur wenig über APOEL Nikosia, aber hat sich überhaupt schon jemand genauer damit beschäftigt? Zypern ist ein Fußballland, das ist Fakt. Doch es ist europaweit noch nicht so populär. APOEL stand diese Saison aber zum dritten Mal in den letzten fünf Jahren in der Gruppenphase der Champions League, so dass sich Bekanntheit und Attraktivität eindeutig gesteigert haben.

SPOX: Franz Beckenbauer hat Sie vor Jahren mal als möglichen Bayern-Trainer ins Gespräch gebracht. Jetzt sind Sie in Nikosia. Wie gehen Sie mit der Schnelllebigkeit des Geschäfts um?

Fink: Was Franz angeht: Der Mann hat einfach Ahnung (lacht). Ich nehme so etwas natürlich mit Humor, da ich nur zu gut weiß, wie schnell es im Fußball gehen kann. In Basel war alles super, als ich zum HSV kam, war immer noch alles super. Dann sind wir Siebter geworden, diese Platzierung war im Nachhinein gesehen Fluch und Segen zugleich. Wenig später war nämlich schon alles schlecht. So läuft es im Fußball. Wichtig ist, dass man in der Lage ist, sowohl die positiven wie auch die negativen Erfahrungen sinnvoll zu reflektieren. Man darf sich nicht blenden lassen, wenn man Erfolge feiert, darf aber auch nicht alles in Frage stellen oder zweifeln, wenn man einen Durchhänger hat.

SPOX: Wie sieht Ihr persönlicher Fahrplan aus, bis wann wollen Sie entscheiden, ob Sie die Option auf ein weiteres Jahr ziehen?

Fink: Das lasse ich noch auf mich zukommen. Die Zusammenarbeit muss sich erst Schritt für Schritt entwickeln. Dann wird man sehen, inwiefern das auch auf Dauer zusammenpasst. Auch der Verein hat natürlich die Möglichkeit zu intervenieren, wenn sie sich das alles anders vorgestellt hätten. Ich bin optimistisch, es macht mir Spaß, ich schaue nach vorne. Was dann ab Mai passiert, wird die Zeit zeigen.

Basel, Hamburg, Nikosia: Thorsten Fink im Steckbrief