"Jetzt erleben wir die erste Welle"

Zwei Juwelen des norwegischen Fußballs: Martin Ödegaard (l.) und Mats Möller Daehli
© imago

Die Ödegaard-Hysterie ist nicht alles: In Norwegen wächst eine neue goldene Generation heran. Mit Supertalenten, einer neuen Identität - und "Oliver Bierhoff". Während der Schneefußball-WM in Arosa erklärt Norwegens Teammanager Jan-Aage Fjörtoft, zwischen 1998 und 2001 bei Eintracht Frankfurt, das Phänomen Martin Ödegaard sowie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den 90ern, als die Skandinavier die Weltspitze aufrüttelten.

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SPOX: Die beispiellose Aufregung um Martin Ödegaards Wechsel zu Real Madrid lässt fast vergessen, dass Norwegen als Fußball-Nation im Aufstieg begriffen ist. Ist es gerechtfertigt, vom "neuen Norwegen" zu sprechen?

Jan-Aage Fjörtoft: Wir zogen bei der letzten U-21-EM 2013 in Israel in das Halbfinale ein und wir bemühen uns seitdem, Schritt für Schritt diese Spieler in der ersten Mannschaft zu integrieren - was dazu führt, dass wir jetzt schon in der Qualifikation zur EM 2016 das jüngste Team Europas aufbieten. Otto Rehhagel sagte einst: "Man muss langfristig planen, aber kurzfristig gewinnen." Dieser Spagat gelingt uns gerade gut.

SPOX: In der Qualifikationsgruppe H liegt Norwegen knapp hinter Kroatien und Italien auf Rang drei, was womöglich für das Erreichen der EM-Playoffs reichen könnte. Wie lässt sich der norwegische Fußball der Moderne beschreiben?

Fjörtoft: Unser Nationaltrainer Per-Mathias Högmo, mein Chef, ist seit einem Jahr im Amt und man erkennt mehr und mehr, dass er einen Fußball mit mehr Ballkontakten sehen möchte. Es ist nichts Revolutionäres, doch jetzt verfügen wir über die Spieler dafür: Mats Möller Daehli von Freiburg, Per Skjelbred von Berlin, Joshua King von Blackburn, natürlich Martin Ödegaard, sie alle wollen den Ball am Fuß und fühlen sich damit wohl. Wir möchten weiter gut in der Verteidigung stehen, um so Defizite zu den großen Nationen zu kompensieren, allerdings soll es nach Ballgewinn so schnell wie möglich nach vorne gehen, um Überzahl herzustellen.

SPOX: Sie wurden im April 2014 als Teammanager der Nationalmannschaft vorgestellt. Wie helfen Sie Högmo?

Fjörtoft: Meine Aufgabe ist vergleichbar mit der von Oliver Bierhoff beim DFB. Högmo möchte sich voll auf das Arbeiten mit den Spielern konzentrieren, gleichzeitig sollte die Verbindung zwischen der A-Nationalmannschaft und dem norwegischen Verband wieder enger sein. Daher wollte Högmo jemanden, der ihn von allen Aufgaben abschirmt, die nichts mit der eigentlichen Arbeit als Trainer zu tun haben. Ich versuche also, ihm alles abzunehmen und leite unter anderem den 15-köpfigen Betreuerstab als Mannschaft um die Mannschaft.

SPOX: Sie sind bekannt als meinungsstarker TV-Experte. Müssen Sie sich nun zügeln ob des offiziellen Amts?

Fjörtoft: Es hat sich nicht so viel verändert: Ich übernahm schon früher Projekte für den norwegischen Verband, betreibe weiter meine Kommunikationsfirma und arbeite in Norwegen als TV-Experte. Ich werde meine eigene Meinung haben und sie vertreten. Bei den Themen zur Nationalmannschaft werde ich jedoch selbstverständlich respektieren, dass Högmo mein Vorgesetzter ist.

SPOX: Sie besuchten mit Högmo das Trainingslager des FC Bayern in Doha. Warum?

Fjörtoft: Aus zwei Gründen: Einerseits ist es uns sehr wichtig, Inspiration von den Besten der Besten zu bekommen. Die Bayern sind nun mal der bestorganisierte Klub der Welt. Alleine die Intensität und Konzentration in jeder Trainingseinheit zu sehen, war beeindruckend. Andererseits geht es um Glaubwürdigkeit vor unseren Spielern: Wir sagen ihnen immer wieder, dass sie sich mit den Besten messen und die Motivation mitbringen sollen, von der Weltspitze zu lernen. Was wären wir für Vorbilder, wenn das für uns Funktionsträger nicht gelten würde?

SPOX: Sprachen Sie mit den Bayern über Ödegaard? Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge hatte sich ungewöhnlich optimistisch geäußert, dass die Bayern gute Chancen auf eine Zusage hätten - den allerdings Real erhielt. Was waren die Hintergründe?

Fjörtoft: Die kenne ich natürlich, jedoch möchte und darf ich es nicht kommentieren, sorry. (lacht) Das einzige, was ich sage: Die besten Vereine der Welt wollten ihn und die besten Trainer der Welt lobten ihn. Das ist das größte Kompliment, das ein 16-Jähriger erhalten kann. Real ist eine gute Entscheidung, die Bayern wären es aber auch gewesen.

SPOX: Wie stark ist Ödegaard wirklich?

Fjörtoft: Wir haben ihn im Sommer ganz bewusst zur A-Nationalmannschaft eingeladen, um zu sehen, wie er mit dem Druck von außen und von innen umgeht. Als wir sahen, was für ein Super-Typ er ist und wie er sich innerhalb des Teams eingefügt hat, wussten wir, dass er im Seniorenbereich keine Probleme haben wird, deswegen kam er gleich zu seinem Debüt. So viel zu seinen Qualitäten. (lacht)

SPOX: Sein Vater Hans Erik Ödegaard erzählt, dass sein Sohn vor allem so gut geworden sei, weil er seit der Kindheit doppelt so viel trainieren würde wie die anderen Nachwuchsspieler.

Fjörtoft: Dass Martin weiter ist als die Gleichaltrigen, hängt nicht nur mit Talent zusammen, sondern auch mit der Anzahl der Trainingsstunden. Das ist eine der Gründe, warum wir so froh über ihn sind. Mit seiner Einstellung und seinen Werten ist er ein großes Vorbild für jeden Jugendlichen.

Seite 1: Fjörtoft über das neue Norwegen und Ödegaards Chancen

Seite 2: Fjörtoft über den Vater des Kollektivgedankens und Freiburgs Juwel

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