Von einem Extrem ins andere

Von Für SPOX in Melbourne: Mario Balda
Im Melbourne Rectangular Stadium findet das Eröffnungsspiel des Turniers statt
© getty

Vier Jahre nach Katar 2011 treffen sich die 16 besten Teams des größten Kontinents zu einem Fußballspektakel der besonderen Art. Denn nirgendwo sind die Gegensätze so gewaltig wie in der asiatischen Fußballwelt. SPOX liefert einen Überblick. Von der Qualifikation bis zu den Favoriten.

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Dass Australien als Ausrichter des Asien-Cups auf Katar folgt, hat zweifellos einen besonderen Reiz. War das Turnier in Katar bzw. Doha eines der ganz kurzen Wege, mit fünf Stadien einen Steinwurf voneinander entfernt, ist Australien natürlich ein Ort für Flugmeilensammler. Dabei wird zwar nur im Südosten gespielt, die Distanz zwischen Melbourne und Brisbane bleibt aber anspruchsvoll.

Mit dem ersten großen Fußballturnier im eigenen Land muss sich Australien jetzt erst einmal für eine zukünftige WM beweisen, nachdem man bei der Wahl zur Ausrichtung der WM 2022 leer ausging. Speziell in Europa hält sich dabei immer noch die Mär, dass Australien den Kampf um dieses Turnier gegen Katar verloren hätte. Das ist jedoch völlig falsch, denn bei dieser Entscheidung ging es nur um eine Frage: Katar oder wieder die USA? Australien war nur im ersten Wahlgang dabei und erhielt exakt eine Stimme.

Nach dem Asien-Cup 2011 in Katar werden zumindest alle Bierliebhaber dem Turnier in Australien schon mal positiv gesinnt entgegen blicken, da sie dort wieder auf ihre Kosten kommen dürften. Auch die Hitze stellt keine Gemeinsamkeit zum Vorgänger dar: In Katar sind die Temperaturen im Januar durchaus erträglich, im australischen Hochsommer hingegen brennt die Sonne jetzt gnadenlos. Aber was haben Australien 2015 und Katar 2011 gemeinsam? Die Favoriten. Japan, Südkorea und Australien sind gestern wie heute an erster Stelle zu nennen.

Große Teile des Kontinents völlig unterrepräsentiert

Das Teilnehmerfeld des Turniers erscheint damals wie heute - vorsichtig formuliert - problematisch. Der Westen ist mit Saudi-Arabien, dem Oman, Kuwait, den Vereinigte Arabische Emiraten, Katar, Bahrain, Jordanien, dem Irak, dem Iran und erstmals Palästina nahezu komplett und in voller Gulf-Cup-Stärke vertreten. Das liegt zum einen natürlich an der großen Fußballtradition in diesen Ländern, zum anderen aber an der hervorragenden Nachwuchsarbeit in den hyperprofessionellen Fußballschulen der reichen Öl- und Gas-Emirate.

Auf der anderen Seite sind mit Australien, Japan, Süd- und Nordkorea sowie China auch alle Teilnehmer der Ostasienmeisterschaft dabei. Dafür fehlt ausgerechnet das extrem fußballbegeisterte Südostasien komplett. Weder Thailand, noch Vietnam, Malaysia, Singapur oder Indonesien. Das Teilnehmerfeld ist durch die Qualifikation zwar sportlich korrekt, aber eben auch schlichtweg langweilig. Und besonders erschreckend: Es passiert zum zweiten Mal in Folge. Ebenso unerfreulich ist für den Verband die Abwesenheit von Indien, wo der Fußball im eigentlich aussichtslosen Popularitätskampf gegen Cricket ein wenig aufholt.

Zu wenig Geld für die Nachwuchsarbeit, das ist die Crux. Auch in Japan und Südkorea ist Fußball hinter Baseball nur die Nummer zwei, die dortigen professionellen Strukturen machen dies gegenüber dem völlig fußballverrückten Indonesien jedoch mehr als wett. Ein Eingreifen der AFC erscheint auf lange Sicht unumgänglich. Das unsinnige System mit einem Fixplatz für den Challenge-Cup-Gewinner, der fast immer Nordkorea war, ist schließlich bereits Geschichte. Fixplätze für den Südasien- und den Südostasienmeister hingegen, oder eine regional unterteilte Qualifikation, wäre für den größten Fußballverband der Welt wohl eine sinnvolle Option.

Ausgeglichenes Teilnehmerfeld

Sportlich bahnt sich dafür ein besonders reizvolles Turnier an. Japan schwächelt leicht, Südkorea blickt auf zwei sehr schlechte Turniere mit der Ostasienmeisterschaft 2013 im eigenen Land und der WM 2014 zurück. Umso mehr Chancen können sich andere Vertreter ausrechnen.

Der Iran und Saudi Arabien wollen zum alten Glanz zurückkehren, in China ist man zumindest im Vereinsfußball voll auf Augenhöhe. Von Spielern wie sie sich beispielsweise Guangzhou Evergrande leisten kann, können japanische und südkoreanische Mannschaften nur träumen. Und das liegt nicht nur an den reichen chinesischen Gönnern, sondern vor allem an wesentlich höheren Einnahmen im Riesenreich nebenan. Auch Usbekistan muss man immer auf dem Zettel haben, durch den Heimvorteil ist aber wohl Australien der Titelfavorit.

Stolpern die Favoriten?

Mit Blick auf die vielen Bundesligatopstars erscheint ein Ausscheiden Südkoreas in der Vorrunde nahezu undenkbar. Mit dem Gastgeber, dem Oman und Kuwait erwarten die Koreaner allerdings durchaus anspruchvolle Aufgaben in der Gruppe A, sodass die ersten drei Begegnungen des Turniers alles andere als ein Selbstläufer werden dürften.

Gruppe B wirkt mit Usbekistan, Saudi Arabien, China und den extrem unangenehm zu spielenden nordkoreanischen Defensivkünstlern sehr ausgeglichen. Sicher erscheint hier nur, dass nach der Vorrunde mindestens ein Trainer gefeuert werden wird.

Bei den Chinesen schwingt neuerdings der hierzulande eher wenig bekannte Franzose Alain Perrin das Zepter. Nach der Vollkatastrophe mit der maximalen Fehlbesetzung Jose Antonio Camacho hat man aber alleine schon wegen der Millionenabfindung für diesen im chinesischen Verband kein Geld mehr für große Namen. Mit Blick auf die Vergangenheit kann dies jedoch durchaus auch ein Glücksfall sein.

Brisante Duelle

In der Gruppe C sind brisante Duelle garantiert. Der Iran trifft auf seine drei arabischen Nachbarn VAE, Katar und Bahrain. Politischen Spannungen zwischen diesen drei Emiraten dürften sicherlich für die Auslobung etlicher Sonderprämien durch die jeweiligen Scheichs sorgen, die Iraner und Kataris gehen jedoch als eindeutige Favoriten in das Rennen um das Viertelfinale.

In Gruppe D wird Jordanien wohl nicht auf ein Turnier wie in Katar 2011 hoffen können, als dem Team tolle Spiele gegen Japan, Saudi Arabien und Syrien gelangen, ehe das unglückliche Aus gegen Usbekistan im Viertelfinale folgte. In Australien wird man nicht mit tausenden Fans einfallen und für großartige Stimmung in den Stadien sorgen - und auch was die Leistungsfähigkeit angeht, gibt es erhebliche Zweifel. Die politischen Zustände in der Region gehen, wie zum Beispiel auch in Ägypten, auf Kosten der Fußballqualität. Gegen Japan wird der Mannschaft daher wohl kein erneutes Husarenstück gelingen können. Einfachere Bedingungen liegen allerdings natürlich auch nicht bei den Gruppengegnern aus dem Irak und Palästina vor. Der Kampf um Platz zwei dürfte somit besonders spannend werden.

Leere Plätze im Eröfffnungsspiel?

Der Asien-Cup sollte vom Eröffnungsspiel an Spannung bieten: Denn bei Australien gegen Kuwait treffen im nur 30.000 Zuschauer fassenden Melbourne Rectangular Stadium Fußballwelten aufeinander. Vor einigen Wochen war zwar die "Kuwait active supporters"-Sektion im Stadion ausverkauft, ansonsten gab es trotz eher moderater Preise jedoch überraschenderweise noch genug Tickets. Die erste Partie des Turniers wird somit nicht nur als Prüfstein für die Qualität der beiden Teams, sondern auch für die Fußballbegeisterung der Australier dienen. Schon am Tag darauf steht im 100.000er-Areal nebenan schließlich auch das Melbourner Derby im Cricket an.

Aufgrund der Zeitverschiebung werden Fußballfans in Deutschland nichts missen müssen, denn die Regelanstoßzeit in Australien entspricht hierzulande einer klassischen Fußballmatinee, wie man sie aus manchen Amateurligen kennt.

Ein Blick nach Australien wird sich sicher auch in Europa lohnen. Ob nun aufgrund des Spektakels auf dem Platz oder auch abseits davon.

Der Asien-Cup im Überblick