Forever Blowing Bubbles

Von Andreas Dieterle
Der Upton Park wird noch bis zur Saison 2017/2018 die Spielstätte von West Ham sein
© getty

West Ham United hatte im vergangenen Jahrzehnt immer wieder mit Auf- und Abstiegen zu kämpfen. Das Team scheint für große Triumphe nicht geschaffen. Die Träume nach Titeln zerplatzen immer wieder aufs Neue wie Seifenblasen. Vor dem Derby gegen den FC Chelsea am Boxing Day (Fr., 13.45 Uhr im LIVE-TICKER) steht das Team allerdings auf Platz vier. Wie haben die Hammers es in dieser Saison nach oben geschafft und können sie dort dauerhaft bleiben?

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I'm forever blowing bubbles,
Pretty bubbles in the air,
hey fly so high,
Nearly reach the sky,
Then like my dreams,
They fade and die,
Fortune's always hiding,
I've looked everywhere,
I'm forever blowing bubbles,
Pretty bubbles in the air

Im Boylen Ground steigen die Seifenblasen empor und zerplatzen. Selbst wenn man kein Anhänger von West Ham United ist, aber den Song "I'm forever Blowing Bubbles" im Stadion hört, kann man eine Gänsehaut bekommen. Die Fans der Hammers bringen mit diesem Song ihre Sehnsucht nach Erfolg zum Ausdruck.

Gleichzeitig zerplatzen diese Träume, typisch englisch-ironisch, immer wieder aufs Neue. Die großen Triumphe der Hammes liegen schon lange zurück. Seinen letzten großen Titel - den FA Cup - feierte West Ham United in der Saison 1979/1980, also vor mehr als drei Jahrzehnten.

Doch in dieser Saison singen sie ihre inoffizielle Vereinshymne mit voller Leidenschaft und haben, gerade bei Heimspielen, derzeit allen Grund dazu.

Das Team aus dem Osten Londons ist nach anfänglichen Schwierigkeiten seit sieben Heimspielen ungeschlagen und verließ in den vergangenen zehn Spielen nur einmal als Verlierer den Platz. Momentan steht das Team auf dem vierten Platz der Tabelle und rechnet sich - trotz des Außenseiter-Status' - am Boxing Day gegen Chelsea Chancen aus.

Im Vorjahr stand das Team von Trainer Sam Allardyce am Ende der Saison nur auf dem 13. Rang und damit im Niemandsland der Tabelle. Was ist also passiert, dass die Hammers sich zwischen die großen Klubs auf der Insel geschoben haben und plötzlich um die internationalen Plätze mitspielen?

Transfers schlagen ein

Der Verein aus dem Osten der britischen Landeshauptstadt gilt auf der Insel eher als Ausbildungsklub und brachte Topspieler wie Frank Lampard oder Rio Ferdinand hervor. Doch hauptverantwortlich für den Erfolg in diesem Jahr sind die Tranfers, die im Sommer getätigt wurden. West Ham United verstärkte sich unter anderem mit Enner Valencia, Alex Song und Diafra Sakho. Gerade Letztgenannter schlug voll ein. Der Stürmer kam für fünf Millionen vom FC Metz, erzielte bisher in elf Spielen sieben Tore und bereitete zwei Buden vor.

Alex Song, der beim FC Barcelona nie richtig glücklich wurden, ist für diese Saison vom spanischen Erstligisten ausgeliehen. Der Kameruner sorgt für die langersehnte Stabilität und Passsicherheit im defensiven Mittelfeld der Hammers.

Der 27-Jährige, der bei den Katalanen wohl keine Chance auf einen Stammplatz sieht, hat bereits betont, dass er sich beim Europapokal der Pokalsieger von 1965 "sehr wohl" fühle. Er gab zu aber auch, dass es "Angebote aus Italien, Frankreich und der Türkei" gebe.

Immer wieder Kritik am Trainer

Der Trainer Sam Allardyce, der nach dem Abstieg der Hammers in der Saison 2010/11 verpflichtet wurde, musste sich von den Anhängern immer wieder den Vorwurf einer uninspirierten Spielanlage gefallen lassen. In der Vorsaison agierte die Mannschaft noch sehr oft mit langen Bällen und vielen Luftzweikämpfen.

Diese Spielweise hat sich im Vergleich zum Vorjahr allerdings verändert. Der Ballbesitzanteil wurde mit einem Schnitt auf 47 Prozent zwar nur minimal gesteigert und die Mannschaft agiert aus einer kompakten Defensive, doch das Mittelfeld um Song, Cheikhou Kouyate und Stewart Downing agiert deutlich variabler.

Auch spielerische Ausreißer nach unten, wie beim 2:1-Heimerfolg gegen Manchester City (nur 63 Prozent Passqoute / unter 30 Prozent Ballbesitz), dürften die Anhänger verschmerzen können, wenn das Team dabei so effektiv agiert. Bleibt zu hoffen, dass mit der Rückkehr des zu Beginn der Saison verletzten Andy Carroll (immerhin drei Tore in den letzten drei Spielen) nicht die hohe Anzahl an langen Bälle aus der Vorsaison zurückkommen.

Raus aus dem Mittelmaß

Es ist das erste Mal, dass Allardyce sein Team aus dem Mittelmaß in die oberen Ränge führt. Dabei soll er im Januar diesen Jahres schon kurz vor dem Rauswurf gestanden haben.

Doch der Engländer, dessen Vertrag zum Ende der Saison ausläuft, sammelt derzeit fleißig Argumente, um weiter am Londoner Eastend zu arbeiten. Gedanken darüber macht sich der 60-Jährige aber keine: "In meinem Alter beschäftigt mich das nicht so sehr. Verträge werden abgeschlossen und gebrochen in der Fußball-Industrie. Es bedeutet nichts mehr, weil ein langer Vertrag dich nicht mehr schützt. Keep calm and carry on."

Ob die Verantwortlichen über diese Saison hinaus mit ihm planen, wird sicherlich auch von den Erfolgen im zweiten Halbjahr abhängen.

Geld aus der Erotikbranche

An mangelnder finanzieller Schlagkraft soll es dabei nicht scheitern. Die Besitzer des Klubs, David Sullivan und David Gold, haben, ordentlich Geld in die Hand genommen um das Team zu verstärken und werden dies, sicherlich auch weiterhin tun.

Anfang 2010 hatten sie durch eine Finanzspritze von 120 Millionen Euro zusammen mehr als 50 Prozent der Klubanteile erworben. Mittlerweile halten sie 55,6 (Sullivan) bzw. 30,6 Prozent (Gold). Der Verein war 2006, unter anderem durch Käufe von Stars wie Carlos Tevez oder Javier Mascherano, heruntergewirtschaftet worden.

Solche wirtschaftlichen Fehlgriffe will man künftig tunlichst vermeiden. Stattdessen treibt West Ham lieber den Umzug vom Upton Park in das Olympiastadion. Der Wechsel der Heimspielstätte zur Saison 2016/17 ist beschlossene Sache. Die Kapazität des Stadions erhöht sich somit von 35.000 auf 54.000 Plätze und der Klub darf sich über einige Mehreinnahmen freuen.

Der Clou dabei: West Ham muss nur einen Bruchteil der Kosten zahlen, da das Stadion zusammen mit dem Leichtathletik-Verband genutzt wird und schon für die olympischen Spiele gebaut wurde. Der Umbau wird zum größten Teil von öffentlichen Geldern finanziert. Der Pachtvertrag wurde für 99 Jahre unterschrieben. Die jährliche Gebühr beläuft sich auf 2,5 Millionen.

"Es kann sich sofort wieder umkehren"

Der Arbeiterklub verliert durch das Verlassen des Boleyn Grounds allerdings ein großes Identitätsmerkmal. Auch teure Transfers sollten, trotz der großen finanziellen Hilfe, mit Vorsicht genossen werden. Die Vergangenheit dient als mahnendes Beispiel. Ob der sportliche Erfolg in dieser Saison mit den großen Ambitionen mithalten kann, bleibt fraglich.

Das weiß auch der Trainer: "In einem Moment ist das Selbstvertrauen hoch, doch das kann sich auch sofort wieder umkehren." Der Kader der Hammers scheint in der Breite qualitativ nicht hoch genug, um die Konstanz über die gesamte Saison zu halten.

Die Konzentration liegt nun zuerst einmal auf dem beiden London-Derbys gegen Chelsea und Arsenal. Doch der Weg seit dem Aufstieg 2012 geht kontinuierlich nach oben. Ein kleiner Vorgeschmack darauf, wie es im neuen Stadion aussehen könnte, verdeutlichen die Fans nach dem Abpfiff des Aufstiegsspiels gegen Blackpool. Bleibt für die Anhänger nur zu hoffen, dass die großen Träume nicht wieder wie Seifenblasen zerplatzen.

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