"Davon hat sich Assauer nie erholt"

Von Interview: Jonas Schützeneder/Max Schöngen
Andreas Müller (l.) und Rudi Assauer arbeiteten gemeinsam auf Schalke
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SPOX: Seit Januar sind Sie nun bei Rapid Wien Sportdirektor. Durch die Vizemeisterschaft ist der Klub wieder international am Start. Ihr Halbjahresfazit fällt positiv aus, oder?

Müller: Natürlich. Das hier ist schon eine Umstellung im Vergleich zu den Vereinen vorher, aber ich denke, dass die Mannschaft gerade in der Rückrunde zu einer guten Form gefunden hat und auch sehr konstant spielte. Die Entwicklung der Mannschaft ist sehr positiv. Der zweite Platz hinter Salzburg ist auf jeden Fall ein Erfolg, viele Experten haben das dem Team nicht zugetraut. Deshalb sind wir sehr glücklich, dass unsere jungen Spieler eine solch erfolgreiche Saison gespielt haben.

SPOX: Als die Anfrage aus Wien kam, hatten Sie auch ein interessantes Angebot aus der Bundesliga. Wieso fiel die Entscheidung für Rapid?

Müller: Das Angebot aus der Bundesliga war im Nachwuchsbereich. Aber um ganz ehrlich zu sein: Ich wollte einfach mal raus aus Deutschland.

SPOX: Bei Ihrer ersten Pressekonferenz sagten Sie, dass Sie keine Sekunde gezögert hätten, als die Anfrage aus Österreich kam. Was hat Sie überzeugt?

Müller: Als ich im Dezember in Wien beim Hearing war, bei dem sowohl das Präsidium als auch die wichtigsten Sponsoren waren, habe ich einfach ein Gefühl entwickelt, dass das eigentlich genau die Herausforderung ist, nach der ich gesucht habe. Mit einer jungen Mannschaft, mit wenig Budget und der Jugendarbeit als wichtige Säule. Geld war nie ein Thema, sondern vielmehr der Reiz dieser Aufgabe und auch die klare Philosophie des Klubs, die ich so selten in einem Verein vorgefunden habe.

SPOX: Ihre Aufgabe, einen guten Kader zusammenzustellen, ist nicht gerade leicht.

Müller: Schon als ich im vergangenen Jahr mit dem Präsidium gesprochen habe, war klar, dass Rapid nicht auf Rosen gebettet ist. Man muss davon ausgehen, dass Spieler, die eine gute Entwicklung nehmen, sich immer damit auseinandersetzen, den Verein bei entsprechenden Angeboten zu verlassen. Ich fand hier eine Situation vor, in der schon viele Dinge feststanden, etwa die Vertragssituation bei Marcel Sabitzer.

SPOX: Nach dem Transfer von Sabitzer hagelte es Kritik für Red Bull aus der Liga, auch aus Deutschland, von Rapid gab es jedoch weder Klagen noch Jammern oder eine Kampfansage.

Müller: Letztlich haben wir uns auf einer fairen und sachlichen Basis unterhalten. Mein Verhältnis zu Ralf Rangnick ist zu gut, um dann noch Theater zu machen. Ich denke einfach, dass es normal ist in der heutigen Zeit des Fußballs. Es war eine Entscheidung des Spielers, der seine persönliche Entwicklung dadurch vielleicht besser sieht, wenn er möglicherweise mit Salzburg in der Champions League spielen kann. Klar sah es anfangs für die Beteiligten nicht allzu schön aus. Aber ich denke, dass wir alle vernünftig genug sind, um das Thema fair und sauber zu behandeln.

SPOX: Von Titeln sprechen Sie aber bisher noch nicht...

Müller: In ein oder zwei Jahren sollten wir auch sagen können, dass wir einen Titel holen möchten. Aber es wäre zum jetzigen Zeitpunkt unfair dieser Mannschaft gegenüber, so einen Druck auszuüben und zu sagen, wir wollen Meister werden. Dazu sind wir noch zu sehr in einem Entwicklungsprozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Aber ich bin sehr zuversichtlich, in ein oder zwei Jahren ganz vorne angreifen zu können.

SPOX: Bei Rapid haben Sie rund 20 Millionen Euro im Jahr zu Verfügung. Was bringt Ihnen denn die Teilnahme an der Europa League konkret?

Müller: In Deutschland wird darüber immer etwas geschmunzelt und gesagt, da könne man nichts oder nur sehr wenig verdienen. Für uns ist es aber sehr viel Geld. Natürlich wären wir hocherfreut, in den Playoffs zu bestehen und uns für die Gruppenphase zu qualifizieren. Das ist unser Ziel. Zum einen sportlich, denn ich glaube, das tut unserer jungen Mannschaft gut. Immerhin wären das mindestens sechs internationale Spiele für unsere jungen Burschen, in denen sie sich weiterentwickeln können. Auf der anderen Seite wollen wir natürlich nicht verhehlen, dass wir die Einnahmen, die dort möglich sind, gut gebrauchen könnten.

SPOX: Die österreichische Liga hinkt im internationalen Vergleich noch zurück. Wo sehen Sie Handlungsbedarf?

Müller: Ich sehe in Österreich in den kommenden Jahren die Liga und die Politik in Sachen Infrastruktur ganz klar gefordert. Das ist meines Erachtens während und nach der Europameisterschaft 2008 ein bisschen verpasst worden. Wir haben das Projekt mit dem Stadionbau nun in die Hand genommen, für uns ist das ein Jahrhundertprojekt, aber leider reicht es nicht, wenn nur eine Handvoll Klubs eine gute Infrastruktur aufweisen. Andere Vereine müssen nachziehen, allerdings kann man ihnen auch nicht die Luft zum Atmen nehmen, indem man die Lizenzierungsbedingungen von heute auf morgen verschärft.

SPOX: Wie würden konkrete Maßnahmen aussehen?

Müller: Derzeit gibt es in Österreich nur 20 Profiklubs, zehn in der ersten Liga und zehn in der zweiten Liga. Ich denke, es sollte in der Zukunft darauf hinauslaufen, dass es eine Liga gibt mit 16 Profiklubs. Es sind einige Traditionsvereine da, die wir sicherlich gerne in der ersten Liga sehen würden, von daher liegt es an uns allen, gemeinsam mit der Liga dafür zu sorgen, dass die erste Liga noch interessanter wird.

SPOX: Gerade diese Dinge wären ja auch essentiell wichtig für eine bessere TV-Vermarktung?

Müller: Ich glaube, jeder Zweitligist in Deutschland hat vorab eine fixe Summe von sechs bis sieben Millionen Euro. Davon können wir natürlich nur träumen, bei uns sind es in etwa 1,2 Millionen, die aus diesem Bereich eingenommen werden. Hinzu kommt natürlich, dass Spieler, die in der zweiten deutschen Liga spielen, für uns sehr interessant wären, bei den Gehaltsvorstellungen dieser Spieler haben wir aber im Normalfall keine Chance.

SPOX: Rapid bekommt ein neues Stadion. Sie haben die Infrastruktur bereits angesprochen, inwiefern ist das neue Stadion ein noch fehlendes Teil im Puzzle?

Müller: Für die Zukunft des Klubs, um national wie auch international konkurrenzfähig zu sein, ist dieses Stadion überlebensnotwendig. Es gibt uns sicherlich die Möglichkeit, unsere wirtschaftliche Situation auf breitere Füße zu stellen. Schön wäre es, wenn es morgen schon losgehen könnte, auch wenn die Zeit im Hanappi-Stadion mit Sicherheit eine fantastische Epoche war. Aber ich glaube auch, dass unsere Fans sich total mit dem neuen Zuhause von Rapid identifizieren können.

SPOX: Als Manager wird man in erster Linie an guten oder schlechten Transfers gemessen. Wie sehen Sie Ihre eigene Bilanz?

Müller: Auf einzelne Personen möchte ich jetzt hier gar nicht eingehen. Ich kann nur sagen, dass man im Laufe der Zeit eine ganze Menge an Transfers gemacht hat und wenn man eine Erfolgsquote von 60 Prozent hat, dann ist das schon sehr gut. Letztlich kommt es auch immer darauf an, ob man einen Fehler noch korrigieren kann. Manchmal bekommt man die Zeit dafür, manchmal bekommt man sie nicht.

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