"Davon hat sich Assauer nie erholt"

Von Interview: Jonas Schützeneder/Max Schöngen
Andreas Müller (l.) und Rudi Assauer arbeiteten gemeinsam auf Schalke
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SPOX: In Hoffenheim waren Sie nur sieben Monate im Amt. Wie erging es Ihnen dort?

Müller: Letztlich habe ich dieses Kapitel sehr schnell abgeschlossen. Jeder, der sich im Fußball auskennt, weiß, wer derjenige ist, der in Hoffenheim das Sagen hat. Entweder vertraut man einem oder man vertraut einem nicht. Letztlich war ich dort nicht bereit, gewisse Dinge einzugehen, die ich im Endeffekt verantworten hätte müssen. Dadurch kam auch die Trennung zustande.

SPOX: War Ihnen vor der Entscheidung nach Hoffenheim nicht bewusst, dass dort andere die wichtigen Entscheidungen treffen?

Müller: Es ist ja nicht so, dass ich bezogen auf das Personal und die Mannschaft keine Entscheidungen treffen konnte. Aber es gab abseits des Vereins Dinge, die wieder in den Klub mit reingespielt haben, und das konnte ich nicht einfach so hinnehmen und dafür wollte ich auch nicht die Verantwortung tragen.

SPOX: Es hieß damals, dass Markus Gisdol nicht bereit war, mit Ihnen zu arbeiten.

Müller: Nein, das habe ich auch nur gehört. Markus Gisdol hat am Tag der Entlassung und auch die Tage danach versucht, mich zu erreichen. Ich brauche aber auch keine Erklärung. Die Entscheidung trifft ein Verein, die Verantwortung in Hoffenheim liegt bei Herrn Hopp, damit kann ich leben, auch wenn er mir - und das fand ich sehr schade - meine Entlassung oder die Gründe nie in einem persönlichen Gespräch mitgeteilt hat. Das ist aber ein Geschäft, in dem ich sehr weich gefallen bin, wenn man das mit anderen Arbeitnehmern in Deutschland oder der ganzen Welt vergleicht.

SPOX: Blicken wir einen Schritt weiter in die Vergangenheit. Ganz am Anfang Ihrer Karriere gibt es diese Geschichte, als Sie kein eigenes Trikot hatten und einfach einen neuen Pulli angezogen haben, der Ihnen kurz zuvor geschenkt wurde.

Müller: So fing es an. Ich habe damals fast täglich zusammen mit einem Freund gespielt und irgendwann sagte er: "Mensch, komm doch zu uns in den Verein, du könntest uns richtig helfen". Er meinte nur, ich solle irgendetwas Rotes anziehen. Ein paar Tage zuvor hatte ich von meiner Mutter einen roten Nickipullover bekommen, den habe ich genommen, an diesem Tag hat es fürchterlich geregnet und der Pullover war natürlich total kaputt. Man konnte ihn wegschmeißen.

SPOX: Ihre Mutter war sicher begeistert?

Müller: Es gab wirklich beträchtlich Ärger, ich glaube sogar eine Backpfeife, vor allem hatte sich meine Mutter nicht mehr daran erinnert, dass ich an diesem Tag ein Spiel hatte und hat sich natürlich Sorgen gemacht, als ich nicht nach Hause kam.

SPOX: Sie kommen aus einfachen Verhältnissen. Wissen Sie es deshalb mehr zu schätzen, wenn man sich gewisse Dinge hart erarbeiten muss?

Müller: Man sollte nicht den Fehler machen und sagen, früher war alles besser und heute ist alles schlechter. Man kann das Rad nicht zurückdrehen. Ich glaube, dass es mitunter auch für die Spieler sehr schwierig ist, das alles richtig einzuordnen. Denn es kommt doch sehr schnell sehr viel Geld ins Spiel und man muss höllisch aufpassen, um die Beine auf dem Boden zu halten. Für mich ist die Familie nach wie vor entscheidend. Wenn du vom Elternhaus früh in die richtigen Bahnen gelenkt wirst, wirst du dich auch im Profifußball gut behaupten können und all das auch zu schätzen wissen.

SPOX: Ist die mentale Komponente generell eine Lücke in der Jugendarbeit?

Müller: In den vergangenen Jahren habe ich ein bisschen Bedenken hinsichtlich der Nachwuchsförderung. Dass man zu sehr das Augenmerk auf Spieler richtet, die die feine Klinge haben. Diese Spieler werden hochgelobt, aber man macht vielleicht ein bisschen den Fehler, dass man nicht den Spielern eine Chance gibt, die eine super Mentalität haben, die sich immer um ein paar Prozent steigern, die einen guten Charakter haben, die eine Siegermentalität haben. Da muss man höllisch aufpassen, dass man nicht eine Mannschaft bekommt, bei der man sagt: "Die spielt tollen Fußball, aber sie gewinnt nie was." Für mich kommt ganz klar Mentalität vor Qualität, aber natürlich ist eine gewisse Qualität Grundvoraussetzung.

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