Der, der nicht Messi sein will

Von Ben Barthmann
Ryan Gauld steht seit etwa neun Monaten im Profikader von Dundee United
© getty

Die schottische Premier League und Dundee United stellen den "nächsten Lionel Messi." Allerdings will Ryan Gauld gar nicht in die Fußstapfen des Argentiniers vom FC Barcelona treten.

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Schon einige Spieler wurden in den letzten Jahren als der "neue Messi" gefeiert. Manche haben den Durchbruch vom Talent zum Stammspieler in einem international bekannten Verein geschafft, manche sind auf der Strecke geblieben. Matias Defederico, Diego Buonanotte, Kerlon, Nicolas Lodeiro, Ioannis Fetfatzidis - allen wurde eine ähnliche Entwicklung wie dem Argentinier vom FC Barcelona zugetraut, scheiterten allerdings aus verschiedenen Gründen.

Verletzungen waren dabei ebenso ausschlaggebend wie der zu frühe Wechsel, der falsche Verein, der falsche Trainer oder die Einstellung gegenüber dem Profigeschäft. Einer will und soll hingegen alles richtig machen, ruhen doch die Hoffnungen einer ganzen Nation auf seinen Schultern.

Alle 86 Minuten eine Torbeteiligung

Ryan Gauld heißt er, der "neue Messi" aus Schottland. Klein und gebrechlich wirkt er auf dem Platz, eine gewisse Ähnlichkeit zu manchem C-Jugend-Spieler, untermalt durch die Körpergröße von 1,68 Metern. Seine Mitspieler nennen ihn auch gerne "Baby-Messi." Dennoch sprechen die Zahlen für ihn: 17 Torbeteiligungen in 24 Spielen für Dundee United - bei nur sieben Partien über die volle Spielzeit. Alle 86 Minuten ist Gauld an einem Tor seiner Mannschaft beteiligt, darunter Begegnungen wie beim 4:1-Sieg über Partick Thistle, als er alle vier Tore auflegte. Gauld kann Spiele alleine entscheiden, ein Merkmal, das ihn von vielen seiner Art unterscheidet.

Auch deshalb soll bereits halb Europa seine Finger nach dem 18-Jährigen ausgestreckt haben. Der FC Arsenal, Chelsea, Manchester United und Sunderland haben laut englischen Medienberichten mehr als nur grundsätzliches Interesse. Doch Gauld will nicht weg aus seiner Heimat, zumindest nicht zu früh: "Ich muss darüber nachdenken, was das beste für mich ist, mit vier oder fünf Jahren Vorlaufzeit. Wenn ich nach England gehen würde, müsste ich mir die Frage stellen, wie meine Chancen in der ersten Mannschaft stehen und was ich der Zeit in der Reserve abgewinnen könnte."

Besser als McGeady und Maloney

Speziell die Premier League reizt den Schotten dabei wenig: "Im Ausland gibt es vor allem Spieler mit schmaler Statur. In England sind es viele Athleten. Ich als kleiner Typ muss darüber nachdenken, was für mich das Beste ist." Seinen Aussagen lässt er Taten folgen: An seinem 18. Geburtstag verlängerte er vorzeitig bis Mai 2017, zuvor war ein neues Arbeitspapier aufgrund der FIFA-Regularien nicht möglich gewesen.

Dabei profitiert nicht nur der junge Gauld, auch Dundee United ist hocherfreut, schließlich weiß man ganz genau um die Qualitäten des Youngsters. Trainer Jackie McNamara versucht die Wertschätzung in Worte zu fassen: "Er wird ein riesiger Star in unserem Nationalteam, einer der besten des Spiels werden, da gibt es keine Zweifel." Und legt sogar noch nach: "Ich hatte das Glück, in meiner Karriere mit einigen sehr guten Spielern wie Aiden McGeday oder Shaun Maloney zu arbeiten. Aber für mich ist Ryan einer der Jungs, die immer danach streben, noch besser zu werden."

Entscheidender Faktor: Spielintelligenz

"Wenn man ihn sich ansieht, ist er so winzig, aber er fliegt regelrecht in die Tacklings, geht in jeden Kopfball und er wird noch stärker und schneller", so der Coach weiter. Seine Fähigkeiten ließen ihn, im ohnehin mit jungen Talenten prall gefüllten Dundee-United-Kader, herausragen. Dabei steht gar nicht, wie sonst so oft bei den "Messi-Nachfolgern", seine Technik oder seine Schnelligkeit im Vordergrund.

Vielmehr machen seine mentalen Fähigkeiten den Unterschied. McNamara erklärt: "Seine Übersicht ist fantastisch. Sein Fußball-Hirn ist schon viel weiter als sein Körper, viel weiter, als alles was ich bisher gesehen habe." Auch der Schotte selbst kennt seine Qualitäten, weiß aber auch, wem er sie zu verdanken hat. Mit Ian Cathro, seinem früheren Technik-Trainer, übte er sich in Übersicht und Spielintelligenz: "Er sagte immer ich solle nicht nur wissen, wohin ich passe, sondern auch an den Spieler denken, der den Pass bekommt und wohin dieser spielen soll."

Eine Reihe mit Neymar und Deulofeu

Eine Tugend, die man auch beim FC Barcelona lehrt. Dort, wo Ryan Gauld vor sieben Jahren noch als Balljunge am Rand stand und zusah, wie die Katalanen einen 0:1-Sieg aus Schottland entführten. Doch von möglicher Sympathie möchte der offensive Mittelfeldspieler nichts wissen: "Ich habe ein paar Autogramme bekommen. Mehr nicht." Trotzdem steht er bereits in einer Reihe mit Barca-Talenten wie Neymar und Gerard Deulofeu, denn der bekannte Blog "IBWM" wählte ihn zu den 100 größten Versprechungen für 2014.

Doch mit jeder Auszeichnung dieser Art, sei es in der Liste des "IBWM" zu stehen oder als Schottlands Nachwuchsspieler im November ausgezeichnet zu werden, rückt Gauld weiter in den Fokus der bereits mit den Hufen scharrenden Top-Klubs. Eine Tatsache, derer man sich in Schottland jedoch schon lange bewusst ist. "Wir freuen uns für ihn, wenn er auf das nächste Level aufsteigt. Sollte er aber mit 20 oder 21 Jahren noch hier spielen, würde uns das überraschen, dafür ist er zu gut", weiß McNamara.

"Vergleich mit Messi ist lächerlich"

Es wäre der große Schritt, gegen den sich Gauld derzeit noch tapfer wehrt. Die zahlreichen Youtube-Videos, die Lobhudeleien durch Mitspieler, Fans und Trainer - alles scheint an ihm abzuprallen. "Ich lese es die ganze Zeit und vergesse es sofort wieder. Der Vergleich mit Messi ist lächerlich. Es macht Spaß, so etwas zu lesen, aber ich denke nicht darüber nach."

Dabei sind durchaus Parallelen zu erkennen. Beide Spieler haben einen niedrigen Körperschwerpunkt, ausgestattet mit nahezu fehlerfreier Technik und einem explosiven Antritt sind sie vom Gegenspieler kaum zu halten. Auch der Schotte kommt gerne aus dem rechten Halbfeld, um dann seinen linken Fuß in Aktion zu setzen. Seine Übersicht und sein, besonders für sein Alter, eiskalter Abschluss machen ihn zu einem Top-Scorer der schottischen Premier League.

Vielleicht ist der Vergleich mit Messi doch nicht so "lächerlich", wie Gauld es darstellt? "Nein", sagt er selbst: "Ich glaube nicht, dass es noch mal jemanden wie Messi geben wird. Was er am Ball alles kann, das ist ein Witz. Ich frage mich, wie er das macht. Manchmal überlege ich, ob ich es probieren soll, aber dann sage ich mir: 'Nein, du bist nicht gut genug.'"

Er könnte es allerdings werden. Auch, wenn er eigentlich nicht will.

Ryan Gauld im Steckbrief

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