"Mein Image war ziemlich kaputt"

Von Christoph Köckeis
Johan Vonlanthen ist zurück im Profi-Fußball - das Interesse an seiner Person ebenso
© getty
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SPOX: Inwiefern kapitulierten Sie mitunter vor der tendenziösen Berichterstattung?

Vonlanthen: Es war ein Wunsch von mir, irgendwann in der Heimat zu spielen. Meine Familie lebt dort, meine Frau stammt ebenfalls von dort. Ich wollte alle Enttäuschungen, die in mir steckten, nachdem in meiner Karriere viel schief lief, vergessen. Ich konnte nicht mehr, hatte die Liebe am Sport verloren und anderes im Kopf. Leider war Itagüi Ditaires ein großes Missverständnis. Ich nahm mir eine Auszeit. Erst wenn die Kraft und Motivation zurückkehren, ich neue Ziele habe, mit dem Glauben im Reinen bin und weiß, wohin ich gehe, wollte ich zurückkehren. In dieser Zeit haben mir Frau und Kind sehr geholfen.

SPOX: Im Januar 2012 richteten Sie sich mit einem Brief an Ihre Fans: "Jesus hat die Kontrolle über mein Leben genommen." Bei manch Fan schrillten die Alarmglocken, ob dieser bedeutungsschweren Botschaft.

Vonlanthen: Manche Dinge sollte man für sich behalten. Ich wurde falsch zitiert, total aus dem Kontext heraus. Damals glaubte ich, richtig zu handeln. So offen über die Religion zu sprechen, war ein Fehler. Ich möchte nicht darauf reduziert werden, lieber mit dem Sport in Verbindung gebracht werden und mein Talent nutzen. Jetzt bin ich im Kopf bereit, meine Liebe zum Fußball kehrte zurück. Ich konnte mein Privatleben regeln, habe Entscheidungen getroffen. Durch meine Erfahrungen, die ich auf und abseits des Rasens sammelte, habe ich vieles gewonnen. Die letzten Jahre meiner Karriere werde ich auspressen. Das ist ein Neuanfang. Ich hoffe, alles richtig zu machen.

SPOX: Zurück in der Schweiz wurden Sie recht herzlich empfangen und konnten sich Akzeptanz verschaffen - wie wichtig ist diese Geborgenheit?

Vonlanthen: Das freute mich, gibt mir die letzten Prozent. Selbst die Presse berichtete sehr positiv, erleichterte mir das Comeback. Ich wusste nicht, wie sie mich aufnehmen würden. Ob meiner Vorgeschichte und den zwei verlorenen Jahren. Ich sprach über die Vergangenheit - nun muss ich nach vorne schauen Zurückblicken und zu sagen, hätte ich das bloß anders gemacht, bringt nichts. Dafür vergeht die Zeit zu schnell.

SPOX: Wie schwierig ist es für einen hoch veranlagten Profi, sich gegenüber den Rivalen zu profilieren?

Vonlanthen: Vieles hängt im Fußball vom Vertrauen ab. Dem in die eigene Stärke. Und dem Vertrauen des Trainers. Ich arbeite hart daran, mir das zu verdienen. Die Mannschaft ist bestens eingespielt und hat Erfolg. Ich bin zwar dabei - und doch nicht so richtig. Bislang hatte ich kaum Einsätze. Irgendwann möchte ich die Chance erhalten, um mein Können zu zeigen. Je häufiger ich spiele, umso besser werde ich hoffentlich und finde meinen Rhythmus. Wenn ich Minuten in den Beinen habe, kommt der Rest von selbst. Ich habe es mir zwar anders und viel leichter vorgestellt, aber mir bleibt nichts übrig, außer Geduld zu bewahren. Wenn man solange weg vom Fenster war, braucht man eben Zeit, um wieder den Anschluss zu finden.

SPOX: Sie erwähnen den Chefbetreuer- mit Michael Skibbe ist ein Deutscher in Amt und Würden. Fehlt Ihnen seine Unterstützung?

Vonlanthen: Nein, überhaupt nicht. Er sagt mir, ich solle Ruhe bewahren. GC wusste, was sie erwarten konnten. Der Verein steht mir überaus positiv gegenüber, ich fühle den Rückhalt und werde in der Mannschaft akzeptiert. Natürlich will ich mehr spielen, das will jeder Spieler. Aber ich darf nicht glauben, einen Stammplatz garantiert zu bekommen. Das Ziel treibt mich an, ich will es allen zeigen, was ich noch draufhabe.

SPOX: Nach eineinhalbjähriger Abwesenheit kamen Sie sogleich bei einem Spitzenklub unter. Ein Glücksfall, mit dem nicht unbedingt zu rechnen war.

Vonlanthen: Grasshopper beendete die Vorsaison auf Rang zwei, wurde Cupsieger. Ich habe alles getan, um die Verantwortlichen zu überzeugen. Die Medien haben mir durch ihre positive Berichterstattung geholfen, mein Image aufzupolieren. Die Vereine hatten keine Angst, dass ich fußballerisch nicht überzeuge. Ich habe in den Zeitungen gelesen, dass sie vielmehr zögerten wegen meines Charakters. Das hat sich geändert. Was den Fußball betrifft, muss ich es erst bestätigen, dass ich meine Top-Form wieder erreichen kann. Ich möchte zeigen, dass ich alles daran setze, jene Leistung zu bringen, die von mir erwartet wird.

SPOX: Die Erwartungen übertraf zuletzt Bayern München: Mit Arjen Robben verbindet Sie die gemeinsame Zeit bei PSV Eindhoven - besteht noch Kontakt zum Triple-Helden?

Vonlanthen: Nein, ich habe seine Nummer leider nicht mehr (lacht). Wir lebten damals in Eindhoven gemeinsam im Internat und zockten oft Pro Evolution Soccer. Daher kenne ich ihn gut, letztlich ging jeder seinen eigenen Weg. Arjen hat eine großartige Karriere hingelegt, gehört weltweit zu besten Spielern. Unglaublich, was er und der FC Bayern leisten. Die Superstars pushen sich durch den enormen Konkurrenzkampf zu Höchstleistungen. Um ihren Stammplatz zu behalten, gehen sie ständig an ihr Limit. Für einen Fußballer ist das ungemein wichtig.

SPOX: Und wer glänzte an der Play Station im direkten Duell?

Vonlanthen: Er war unglaublich - ich hatte zumeist das Nachsehen. Ich weiß nicht, ob er mehr Zeit hatte. Womöglich lag es daran, dass ich erst in Eindhoven damit anfing. Ich war 17, er zwei Jahre älter. Es war erstaunlich, was er für Tricks herauszauberte. Wie heutzutage auf dem Platz.

Johan Vonlanthen im Steckbrief